1. Die für Arbeitnehmer bedeutenden EU-Verordnungen und Richtlinien

 

Rz. 5

Stand: EL 119 – ET: 10/2019

Das sich aus den Art 110ff des AEUV (> Rz 2) ergebende Recht der EU zum Erlass von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Besteuerung betrifft hauptsächlich die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern. Für > Arbeitnehmer sind insbesondere die folgenden EU-Regelungen von Interesse:

Die Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 (ABl EU L 166 vom 30.04.2004) zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit auf ArbN und deren Familienangehörige, die innerhalb der EU zu- und abwandern sowie die dazu ergangene Durchführungs-VO (EG) Nr 987/2009 vom 16.09.2009 (ABl EU L 284 vom 30.10.2009, S 1ff). Diese VOen gelten seit dem 01.05.2010 und traten für EU-Bürger an die Stelle der insoweit aufgehobenen VOen Nr 1408/71 und 574/72. Zu beachten ist jedoch, dass diese Regelungen nur auf Situationen anwendbar sind, deren Elemente über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen (EuGH vom 22.09.1992, Rs C 153/91, ABl EG C 268 S 4). Ergänzend > Kindergeld Rz 12/2ff;
die VO (EU) Nr 492/2011 über die Freizügigkeit der ArbN innerhalb der Union (ABl EU L 141 vom 27.05.2011, S 1ff). Diese VO konkretisiert das in Art 45 EUV enthaltene Diskriminierungsverbot für ArbN. Vgl dazu > Rz 6 ff;
die Richtlinie vom 14.10.1991 (ABl EU 1991, L 288 vom 18.10.1991, S 32ff) zur Schriftform von Arbeitsverträgen. Sie verpflichtet den ArbG, bei Abschluss eines mündlichen Arbeitsvertrags den ArbN über die für seinen Arbeitsvertrag geltenden Bedingungen zu unterrichten. Davon darf nur abgesehen werden, wenn Arbeitsverträge von weniger als einem Monat oder mit einer Wochenarbeitszeit von höchstens 8 Stunden abgeschlossen werden;
die Empfehlung der Kommission vom 21.12.1993 betreffend die Besteuerung bestimmter Einkünfte, die von Nichtansässigen in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres Wohnsitzes erzielt werden (ABl EU L 39 vom 10.02.1994, S 22ff; vgl auch Saß, Neuere Entwicklungen beim Abbau steuerlicher Diskriminierung von Ausländern in der Europäischen Union, BB 1995, 69). Derartige Empfehlungen sind nicht verbindlich.

2. Auswirkungen des Diskriminierungsverbots auf die Besteuerung von ArbN

 

Rz. 6

Stand: EL 119 – ET: 10/2019

Der AEUV verbietet eine Diskriminierung von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Daraus folgt für ArbN einerseits das Recht, in allen Mitgliedstaaten arbeiten zu dürfen und andererseits die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ArbN aus anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen nicht schlechter zu behandeln als eigene Bürger (EuGH 1984, 2971 und 1987, 719). Da der Grundsatz der Gleichbehandlung hinsichtlich der Entlohnung eingeschränkt würde, wenn gleiche Bruttolöhne durch unterschiedliche steuerliche Regelungen zu unterschiedlichen Nettolöhnen führten, sieht die VO (EU) Nr 492/2011 (> Rz 5) vor, dass ein ArbN aus einem anderen EG-Staat die gleichen steuerlichen Vergünstigungen genießt wie ein inländischer ArbN.

 

Rz. 7

Stand: EL 119 – ET: 10/2019

Das Diskriminierungsverbot verpflichtet im Ergebnis den Tätigkeitsstaat, die persönlichen und familiären Verhältnisse eines Gebietsfremden durch die gleichen Steuervergünstigungen zu berücksichtigen wie bei einem Gebietsansässigen, wenn sich beim Gebietsfremden Steuervergünstigungen, die sein Wohnsitzstaat gewährt, wegen fehlender oder zu geringer Einkünfte, die dort zu versteuern sind, nicht auswirken (EuGH vom 14.02.1995, DB 1995, 407). Ebenso dürfen zusammenlebende Ehegatten nicht deshalb als getrennt lebend behandelt werden, weil sie aus Sicht des steuererhebenden Mitgliedstaates nicht beide im > Inland wohnen (EuGH vom 16.05.2000, HFR 2000, 614). Das gilt unabhängig davon, ob ein ArbN eine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat aufnimmt oder seinen > Wohnsitz vom Tätigkeitsstaat in einen anderen Mitgliedstaat verlegt (EuGH vom 16.10.2008, HFR 2009, 83). Das hat zu den Regelungen in § 1 Abs 3 iVm § 1a EStG geführt. Zu den Einzelheiten der fiktiven unbeschränkten SteuerpflichtUnbeschränkte Steuerpflicht Rz 20 ff.

 

Rz. 8

Stand: EL 119 – ET: 10/2019

Aus der Rechtsprechung des EuGH: Unzulässig sind damit nicht nur offensichtliche, sondern auch alle versteckten Diskriminierungen, die formal auf anderen Kriterien als der Staatsangehörigkeit, zB auf dem > Wohnsitz, beruhen (EuGH 1974, 153), von denen aber überwiegend ausländische EU-Bürger betroffen sind (EuGH 1986, 273). Deshalb darf zB einem Deutschen, der einige Jahre in > Luxemburg gewohnt und dort > Arbeitslohn bezogen hat, im Jahr der Rückkehr nach Deutschland nicht von Luxemburg der Jahresausgleich verwehrt werden (EuGH vom 08.05.1990 – Rs 75/88, EuZW 1990, 284). Die unveränderte Beibehaltung dieser gesetzlichen Regelung ist eine Vertragsverletzung (EuGH vom 26.10.1995 – C 151/94, IStR 1995, 531). Maßnahmen der > Billigkeit im Einzelfall reichen nicht aus, um Rechtsvorschriften, die mit dem AEUV nicht vereinbar sind, anzupassen. Zulässig ist es jedoch, den Steuersatz in einem besonderen...

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