Rz. 55

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Ein ArbN kann in Erfüllung mehrerer Dienstverhältnisse an verschiedenen Orten tätig sein und folglich mehrere Tätigkeitsstätten haben (BFH 114, 92 = BStBl 1975 II, 177). Im Rahmen desselben Dienstverhältnisses kann der ArbN jedoch höchstens eine > Erste Tätigkeitsstätte haben (§ 9 Abs 4 Satz 5 EStG, > Rz 25). Bei mehreren Dienstverhältnissen sind hingegen auch mehrere erste Tätigkeitsstätten denkbar.

Daraus ergeben sich die nachfolgend dargestellten Rechtsfolgen:

 

Rz. 56

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Hat ein ArbN im Rahmen desselben Dienstverhältnisses mehrere Tätigkeitsstätten, so gilt für die Wege zwischen der Wohnung und der zunächst erreichten ersten Tätigkeitsstätte die Entfernungspauschale des § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 EStG. Anders ist es aber, wenn der ArbN nach Erreichen der ersten Tätigkeitsstätte eine weitere Tätigkeitsstätte aufsucht. Dann gilt für die Strecke von der ersten zur weiteren Tätigkeitsstätte nicht die Entfernungspauschale. Die Aufwendungen für die Wege zwischen zwei Tätigkeitsstätten sind vielmehr in tatsächlicher Höhe abziehbar (vgl BFH 155, 362 = BStBl 1989 II, 296; BFH 199, 329 = BStBl 2002 II, 878); bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs können die für > Reisekosten geltenden Km-Sätze (> Kilometer-Pauschalen Rz 5) angesetzt werden.
 

Beispiel 1:

B sucht im Rahmen seines Dienstverhältnisses an jedem Morgen zuerst die 10 km entfernte Hauptniederlassung C auf, wo er bis mittags arbeitet. Anschließend begibt er sich zur Zweigstelle D (Entfernung zwischen C und D beträgt 7 km), von wo aus er abends nach Hause zurückkehrt. Die Entfernung zwischen D und der Wohnung beträgt 15 km. Der ArbG bestimmt die Hauptniederlassung C zur ersten Tätigkeitsstätte.

Die Aufwendungen für die Wege zur ersten Tätigkeitsstätte C werden mit dem halben Betrag der Entfernungspauschale für 10 Entfernungs-km berücksichtigt. Die Fahrten zwischen den Tätigkeitsstätten C und D, sowie die 15 km weite Heimfahrt von D nach B werden mit den tatsächlichen Aufwendungen oder stattdessen bei Benutzung eines eigenen Kfz mit den Km-Sätzen für Dienstreisen (> Kilometer-Pauschalen Rz 5) angesetzt.

Für Tage, an denen von der Wohnung aus nicht die erste Tätigkeitsstätte angefahren wird, sondern direkt eine weitere Tätigkeitsstätte, liegen keine Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte vor, sodass hier ein WK-Abzug nach Reisekostengrundsätzen in Betracht kommt.

 

Rz. 57

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Hat ein ArbN > Mehrere Dienstverhältnisse und deshalb mehrere erste Tätigkeitsstätten (> Erste Tätigkeitsstätte Rz 32), so gilt für die Wege zwischen der Wohnung und den jeweiligen ersten Tätigkeitsstätten die Entfernungspauschale iSd § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 Satz 2 EStG. Kehrt der ArbN zwischenzeitlich in seine Wohnung zurück, ist jede Fahrt für sich zu berücksichtigen (BMF vom 18.11.2021, Tz 1.8 = Rz 24, BStBl 2021 I, 2315, > Anh 2 Entfernungspauschale). Der Höchstbetrag (> Rz 66) gilt für jedes Dienstverhältnis.
 

Beispiel 2:

X hat zwei Dienstverhältnisse. Er begibt sich morgens von seiner Wohnung A zur 10 km entfernten ersten Tätigkeitsstätte B und zurück, nachmittags zu seiner 5 km entfernten ersten Tätigkeitsstätte C und kommt abends nach A zurück.

Es werden die Aufwendungen für die Wege zur Tätigkeitsstätte B mit der Entfernungspauschale für 10 km und zur Tätigkeitsstätte C für 5 km angesetzt. Je Arbeitstag werden hier für jedes Dienstverhältnis die Entfernungspauschalen getrennt berechnet.

 

Rz. 58

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Um Wege iSd § 9 Abs 1 Satz 3 Nr 4 EStG handelt es sich auch, wenn der Stpfl die einzelnen ersten Tätigkeitsstätten unmittelbar nacheinander, also ohne zwischenzeitliche Rückkehr zur Wohnung, aufsucht. Dann ist für die Entfernungsermittlung der Weg zur 1. von mehreren ersten Tätigkeitsstätten als Umwegstrecke zur 2. von mehreren ersten Tätigkeitsstätten zu berücksichtigen; angesetzt werden darf höchstens die Hälfte der Gesamtstrecke (BMF vom 21.11.2021, Tz 1.8 = Rz 24, BStBl 2021 I, 2315, > Rz 14/2).

 

Beispiel 3:

Y hat zwei Dienstverhältnisse. Sie fährt morgens von ihrer Wohnung A zur 10 km entfernten ersten Tätigkeitsstätte B, nachmittags von B zur 10 km entfernten 2. ersten Tätigkeitsstätte C und abends zur 20 km von C entfernten Wohnung in A zurück.

Als Entfernungspauschale wären für die Wege von A nach B 10 Entfernungs-km, für die Wege von A nach C 20 Entfernungs-km, insgesamt also 30 Entfernungs-km zu berücksichtigen. Die tatsächliche Wegstrecke von A über B nach C und weiter nach A beträgt aber (10 + 10 + 20 =) 40 km. Anzusetzen ist höchstens die Hälfte dieser Gesamtstrecke. Das sind (40 : 2 =) 20 km.

 

Rz. 59

Stand: EL 135 – ET: 08/2023

Stellungnahme: Die Weisung der FinVerw, Aufwendungen für Wege zwischen zwei ersten Tätigkeitsstätten wie eine Umwegstrecke innerhalb desselben Dienstverhältnisses zu behandeln, geht wohl zurück auf BFH 114, 92 = BStBl 1975 II, 177 und BFH 157, 562 = BStBl 1990 II, 23. Diese Behandlung entspricht uE nicht den geltenden Grundsätzen zur Ermittlung der Entfern...

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