I. Das Multilaterale Instrument

 

Rz. 303

Stand: EL 131 – ET: 09/2022

Die Industriestaaten (G 20) haben im Jahr 2012 die > OECD damit beauftragt, Vorschläge zur Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen zur > Steuerumgehung zu erarbeiten. Die OECD hat daraufhin das BEPS-Projekt (BEPS = Base Erosion and Profit Shifting = Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung) gestartet. Am 05.10.2015 hat die OECD einen Aktionsplan mit 15 Maßnahmen vorgeschlagen. Diese betreffen überwiegend die Besteuerung von Unternehmensgewinnen, berühren aber auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, weil generell eine Verbesserung der Zusammenarbeit in Verständigungs- und Schiedsverfahren (> Rz 67 ff) vorgeschlagen wurde. Zur schnellen Umsetzung der BEPS-Maßnahmen wurde der Abschluss eines besonderen Übereinkommens zur Anpassung der DBA empfohlen, das sog Multilaterale Instrument.

 

Rz. 304

Stand: EL 131 – ET: 09/2022

Viele Staaten verständigten sich daraufhin auf das Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (kurz: Multilaterales Instrument – MLI – genannt) vom 24.11.2016, das bestehende DBA modifiziert. Dieser Weg wurde gewählt, weil die Aktualisierung der bestehenden DBA aufgrund ihrer Vielzahl sehr zeit- und organisationsaufwendig ist. Das Übereinkommen wurde am 07.06.2017 von Deutschland gemeinsam mit 67 anderen Staaten unterzeichnet und durch Zustimmungsgesetz vom 22.11.2020 (BGBl 2020 II, 946) in das innerstaatliche Recht übernommen.

 

Rz. 305

Stand: EL 131 – ET: 09/2022

Durch das MLI werden die Bestimmungen eines DBA nicht – wie dies zB durch ein Änderungsprotokoll zum DBA geschieht – unmittelbar geändert. Das MLI steht vielmehr als weiterer gleichberechtigter völkerrechtlicher Vertrag neben dem DBA. Aufgrund Art 30 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (BGBl 1985 II, 926) findet der frühere Vertrag (das DBA) nur insoweit Anwendung, als er mit dem späteren Vertrag (dem MLI) vereinbar ist. Dies erschwert die Anwendung der DBA, weil stets geprüft werden muss, ob sich aus dem MLI Änderungen ergeben. Es bleibt zu wünschen, dass die Änderungen durch das MLI möglichst schnell in überarbeitete DBA übernommen werden. In das OECD-MA von 2017 (> Rz 110) sind sie bereits eingearbeitet.

 

Rz. 306

Stand: EL 131 – ET: 09/2022

Erschwert wird die Lesbarkeit auch dadurch, dass im MLI häufig nicht eindeutige Änderungen, sondern mehrere Änderungsmöglichkeiten aufgeführt sind, aus denen die Vertragspartner diejenige auswählen können, die ihnen genehm ist.

In Deutschland ist deshalb ein zweistufiges Verfahren vorgesehen: Zusätzlich zur Zustimmung zum MLI sollen in einem weiteren Schritt die sich aus dem MLI unter Berücksichtigung der Auswahlentscheidungen Deutschlands und des jeweils anderen Vertragsstaats ergebenden Modifikationen durch ein Anwendungsgesetz konkretisiert werden. Aufgrund eines zulässigen Vorbehalts zum Abkommen wurden die Änderungen in Deutschland nicht bereits nach Ablauf der im Abkommen genannten Frist, sondern erst dann wirksam, nachdem der OECD den Abschluss der innerstaatlichen Maßnahmen notifiziert hat (vgl BT-Drs 19/20979 vom 10.07.2020 S 2f).

 

Rz. 307

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Das MLI enthält sowohl Regelungen, die von den unterzeichnenden Staaten übernommen werden müssen als auch solche, die ganz oder zum Teil abgewählt werden können. Zu den obligatorischen Regelungen gehören die Änderung der Präambel eines DBA, die Bestimmungen zur Verhinderung eines Abkommensmissbrauchs, zur Verbesserung des Verständigungsverfahrens sowie Regelungen zur Gewinnberichtigung bei verbundenen Unternehmen. Aber auch diese obligatorischen Regelungen können abgewählt werden, wenn ein konkretes DBA bereits eine entsprechende Vereinbarung enthält. In einer Anlage zum Zustimmungsgesetz werden 14 DBA genannt, die aus deutscher Sicht geändert werden sollten, nämlich – in der Reihenfolge der Anlage zum Zustimmungsgesetz – die DBA mit > Österreich, > Kroatien, > Tschechien, > Frankreich, > Griechenland, > Ungarn Rz 1, > Italien, > Japan, > Luxemburg, > Malta, > Rumänien, der > Slowakei, > Spanien sowie der > Türkei. Zu einigen dieser DBA sind auch bereits bilaterale Verhandlungen zu einem Revisionsabkommen aufgenommen worden, die eine Anwendung des MLI insoweit zukünftig überflüssig machen können.

 

Rz. 308

Stand: EL 131 – ET: 09/2022

Für den Bereich der ArbN sind die Änderungen durch das MLI von geringerer Bedeutung. Betroffen ist dieser Bereich vor allem durch die Änderung der Präambel der DBA, mit der zum Ausdruck gebracht werden soll, dass das DBA zwar eine Doppelbesteuerung verhindern, nicht jedoch dazu beitragen soll, dass Einkünfte nicht oder niedriger besteuert werden, sowie durch die im MLI vorgesehene Verbesserung zu den Verständigungsverfahren und zur Streitbeilegung.

 

Rz. 309

Stand: EL 131 – ET: 09/2022

Das MLI sieht vor, dass Stpfl die Einleitung eines Verständigungsverfahrens in beiden Vertragsstaaten beantragen können. Deutschland hat sich jedoch gemäß Art 16 Abs 5 Buchst a des MLI vorbehalt...

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