Rz. 60

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Die Zwangsläufigkeit bestimmt sich nicht nur nach der Art, sondern auch nach der Höhe der Kosten: Die Aufwendungen müssen den Umständen nach notwendig sein; sind sie dem Grunde nach notwendig, dürfen sie einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs 2 Satz 1 EStG; > Rz 61).

Inwieweit Aufwendungen "notwendig" sind, kann nicht allgemeingültig, sondern nur abhängig vom Einzelfall bestimmt werden. Kriterium ist, ob der Aufwand den Umständen nach in dieser Form erforderlich war, um die eingetretene Notlage zu überbrücken oder ob nicht eine weniger aufwendige Maßnahme ausgereicht hätte. So ist zB bei Unterstützung Dritter zu prüfen, ob diesen nicht durch ein Darlehen über die Notlage hinweggeholfen werden kann (BFH 88, 119 = BStBl 1967 III, 308; BFH 154, 548 = BStBl 1989 II, 280; glA Schmidt/Loschelder, § 33 EStG Rz 27; aA H/H/R, § 33 EStG Anm 196, die "notwendig" auf die Bedürftigkeit des Dritten beziehen). Ebenso kann zB die Wiederbeschaffung durch unabwendbare Ereignisse verlorenen Hausrats je nach dessen Art lebensnotwendig sein oder nicht (> R 33.2 Nr 1 EStR; > Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung Rz 6). Wird der eigene PKW für eine Fahrt zur Heilbehandlung eines fünfjährigen Kindes benutzt, können auch Zwischenheimfahrten der Begleitperson notwendig sein, wenn ihr ein Verbleiben während der Behandlungsdauer nicht zumutbar ist (BFH 187, 503 = BStBl 1999 II, 227 mwN; zur Höhe des dafür angemessenen Aufwands > Rz 63). Grundsätzlich bestimmt sich weitgehend nach objektiven Kriterien, welche Maßnahmen notwendig sind. UE ist aber nicht die Rückschau entscheidend, sondern was der Stpfl in der gegebenen – womöglich stressbelasteten – Situation noch für notwendig erachten durfte. Ebenso wie bei Maßnahmen zur Heilung oder Linderung von Krankheiten (BFH 133, 545 = BStBl 1981 II, 711) ist die Notwendigkeit idR nur dann zu verneinen, wenn ein für jedermann offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand festgestellt werden kann. Zu Besonderheiten bei der Wiederbeschaffung von Vermögensgegenständen > Rz 44 – 46 und > Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung Rz 6, 7. Nicht notwendig iSd von § 33 EStG sind jedoch mittelbare Bestattungskosten wie Aufwendungen für die Bewirtung von Trauergästen (BFH 151, 380 = BStBl 1988 II, 130).

 

Rz. 60/1

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Es gibt Fälle, in denen notwendige und nicht notwendige Aufwendungen in einer Summe erbracht werden. Dann ist eine AgB davon abhängig, dass die Summe nach sachlichen Gesichtspunkten aufteilbar ist.

 

Rz. 61

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Der Art nach notwendige Aufwendungen (> Rz 60, 60/1) sind nur insoweit abziehbar, als sie der Höhe nach angemessen sind. Die Angemessenheit bestimmt sich grundsätzlich nach objektiven Merkmalen (BFH 69, 330 = BStBl 1959 III, 385; Eisenberg, StbJb 1968/69, 305). Zu Recht wird allgemein davon ausgegangen, dass es auf die Vermögensverhältnisse des Stpfl, die Höhe seines Einkommens, seinen Lebensstandard und seine Lebensgewohnheiten dabei grundsätzlich nicht ankommt. Diese Vergleichsebene sieht § 33 Satz 1 EStG für die Außergewöhnlichkeit der Aufwendungen vor (> Rz 35). Für Stpfl in einfachen Verhältnissen gilt derselbe Standard wie für Wohlhabende (EFG 1984, 178). Die Untergrenze dieses Standards bestimmt sich uE nach Verfassungsrecht: Weil § 33 EStG einen bestimmten Teil des individuellen Existenzminimums von der Besteuerung ausnehmen soll (> Rz 3), ist der Standard an den gleichen Kriterien zu entwickeln, die das BVerfG für das allgemeine Existenzminimum aufgestellt hat. Untergrenze ist der sozialhilferechtliche Bedarf (BVerfG vom 10.11.1998, BStBl 1999 II, 174 mwN = DB 1999, 186). Weitere Vorgaben lassen sich aus der Bemessung der für die §§ 33a EStG geltenden Höchstbeträge ableiten. Die Obergrenze ergibt sich weitgehend aus der Rechtsprechung (> Rz 64). Insgesamt liegt uE der für die Angemessenheit von Aufwendungen maßgebende Standard über dem Existenzminimum, aber wohl deutlich unter den Verhältnissen von Personen mit durchschnittlichem Einkommen, also eher bei den Verhältnissen derüberwiegenden Mehrzahlder Stpfl. Ein PKW, eine Garage oder die Außenanlagen eines Hauses gehören nicht zum existenziell notwendigen Lebensbedarf, wohl aber die Wohnung, Hausrat und Kleidung (> R 33.2 Nr 1 EStR).

 

Rz. 62

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Ebenso wie bei der ‚Notwendigkeit’ (> Rz 60) gilt uE auch für die Beurteilung des Angemessenen nicht die Rückschau, sondern was eine ‚billig und gerecht denkende Person’ in einfachen Lebensverhältnissen in der gegebenen Situation noch für angemessen halten durfte. Hieraus ergibt sich ein Entscheidungsspielraum, der uE dazu berechtigt, einer vernünftigen Entscheidung des Stpfl – nicht nur für den höchstpersönlichen Lebensbereich wie bei den Krankheitskosten (BFH 133, 545 = BStBl 1981 II, 711) – erst bei einem offensichtlichen Missverhältnis nicht mehr zu folgen. Überhöhte Aufwendungen werden ggf im Schätzungswege aufgeteilt.

 

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