Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld: Berechtigtenbestimmung i.S. des § 64 EStG

 

Leitsatz (amtlich)

Der Familienkasse kann eine Berufung auf Ziffer 64.3 Abs. 3 Satz 4 DA-FamEStG 2011 aus Treu und Glauben verwehrt sein.

 

Normenkette

EStG § 64 Abs. 2 Sätze 3-4, Abs. 3 Sätze 3-4; DA-FamEStG 2011 Ziff. 64.3 Abs. 3 S. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.08.2013; Aktenzeichen III R 3/13)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob an die Klägerin für die Monate August 2009 bis (einschließlich) Juli 2011 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen ist.

Am 9. Oktober 2009 ging bei der Beklagten ein Antrag der Klägerin ein, mit dem sie die Auszahlung von (anteiligem) Kindergeld an sich selbst beantragte. Dem Antrag war zu entnehmen, dass sich ihr Vater, Herr K. M., in der Justizvollzugsanstalt befand und dass ihre Mutter, Frau E. S., in der H-Straße Hausnummer in PLZ N wohnhaft war. Die Klägerin selbst wohnte in PLZ B, A-Straße Hausnummer . Mit ihrem Antrag legte die Klägerin ein Schreiben der Justizvollzugsanstalt vom 16. September 2009 vor, in dem ausgeführt wird, dass die Ausfüllung des Kindergeldantrages vom Vater der Klägerin verweigert worden sei und dass er auch einer Auskunftserteilung nicht zugestimmt habe. Die Klägerin legte des Weiteren einen Berufsausbildungsvertrag vor, dem zu entnehmen ist, dass sie am 1. August 2009 eine bis 31. Juli 2011 dauernde Berufsausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe begonnen hatte (Bl. 472 f. der KG-Akte).

Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass über ihren Antrag auf Auszahlung des anteiligen Kindergeldes derzeit nicht entschieden werden könne. Da keiner der beiden Elternteile Unterhalt gewähre, keine Berechtigtenbestimmung vorliege und eine solche nach Aktenlage auch nicht zu erwarten sei, werde empfohlen, ein entsprechenden Antrag beim Familiengericht zu stellen und den Berechtigten bestimmen zu lassen.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2010 (der keinen Absendevermerk enthält) lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Auszahlung des anteiligen Kindergeldes ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin die mit Schreiben vom 20. Oktober 2009 geforderte Berechtigtenbestimmung durch das Familiengericht nicht vorgelegt habe.

Am 4. Juni 2010 wurde der Beklagten der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 31. Mai 2010 (Az.: ... F .../10) zugestellt, in dem die Klägerin zur Bezugsberechtigten des Kindergeldes bestimmt worden war (Bl. 564 bis 569 der KG-Akte). Dem Beschluss ist zu entnehmen, dass die Mutter der Klägerin, ihr Vater und das Jugendamt der Kreisverwaltung als „weitere Beteiligte" zu dem Verfahren hinzugezogen worden waren. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass gegen diesen Beschluss binnen einer Frist von einem Monat Beschwerde oder Sprungrechtsbeschwerde eingelegt werden könne. Dem Beschluss ist des Weiteren zu entnehmen, dass die Klägerin nicht anwaltlich vertreten war.

In einem Aktenvermerk der Beklagten vom 29. Juni 2010 (Bl. 570 der KG-Akte) heißt es, der Beschluss des Amtsgerichts vom 31. Mai 2010 sei "nicht richtig".

Mit Schreiben vom 21. Juli 2011 (Bl. 667 der KG-Akte) teilte die Beklagte der Klägerin Bezug nehmend "auf Ihre Nachfrage vom 19. Juli 2011" (die sich nicht in den vorgelegten Akten befindet) mit, dass in der Anlage eine Kopie des Bescheides vom 28. Januar 2010 übersandt werde. Die vom Amtsgericht getroffene Berechtigtenbestimmung könne nicht anerkannt werden, da ein Elternteil zum Kindergeldberechtigten bestimmt werden müsse. Die Familienkasse könne deshalb nicht entscheiden, welcher Elternteil vorrangig kindergeldberechtigt sei und aus wessen Anspruch gegebenenfalls das Kindergeld an die Klägerin auszuzahlen sei.

Dagegen legte die Klägerin am 3. August 2011 Einspruch ein und machte geltend, die Berechtigtenbestimmung sei nun erfolgt und vorgelegt worden. Sie bitte daher erneut um Überprüfung des Sachverhaltes.

Mit Einspruchsentscheidung vom 9. August 2011 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Berechtigtenbestimmung durch das Familiengericht könne nicht anerkannt werden, da sie offenkundig über die gesetzlich zugelassenen Möglichkeiten hinausgehe. Nicht das Kind selbst sei zum Kindergeldbezug berechtigt, sondern nur eine Person, die gegenüber dem Kind unterhaltsverpflichtet sei. Kämen die Unterhaltsverpflichteten ihrer Pflicht nicht nach, könne nur durch eine Abzweigung des Kindergeldes an das Kind selbst das Kindergeld an das Kind direkt ausgezahlt werden. Dafür sei aber eine vorhergehende korrekte Berechtigtenbestimmung notwendig. Dies sei hier vorliegend nicht erfolgt.

Am 2. September 2011 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie trägt vor, sie habe am 9. Oktober 2009 für sich das Kindergeld beantragt, da sie zum 1. August 2009 eine Ausbildung angefangen habe. Sie habe – wie von der Beklagten gefordert – einen Antrag beim Familiengericht gestellt. Die Entscheidung des Familiengerichts werde von der Beklagten jedoch nicht anerkannt. Da sie keinen Kontakt zu ihren Eltern habe und ...

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