Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von im Zusammenhang mit steuerfreien ausländischen Einkünften stehenden Versorgungsbeiträgen zu einem inländischen Versorgungswerk als Sonderausgaben oder im Rahmen des Progressionsvorbehalts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bezieht ein Steuerpflichtiger steuerfreie Einnahmen - hier: steuerfreie österreichische Einkünfte nach Art. 15 Abs. 1 DBA Österreich - und löst dieser Tatbestand gleichzeitig Pflichtbeiträge an einen Sozialversicherungsträger oder einem den gesetzlichen Rentenversicherungen gleichstehenden berufsständischen Versorgungswerk aus, geht die Steuerbefreiung dem Sonderausgabenabzug logisch vor, so dass die Beiträge zum Sozialversicherungsträger oder zum Versorgungswerk nicht als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind.

2. Eine Berücksichtigung der Beiträge zum Versorgungswerk im Rahmen des Progressionsvorbehalts kommt nicht in Betracht, da Sonderausgaben nicht zu den Einkünften zählen, sondern erst im Anschluss an die Ermittlung der Einkünfte vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 32b; DBA Österreich Art. 15 Abs. 1; AEUV Art. 45

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.04.2021; Aktenzeichen I R 19/19)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Versorgungsbeiträge zu einem inländischen Versorgungswerk, die im Zusammenhang mit gem. Art. 15 Abs. 1 DBA Österreich steuerfreien ausländischen Einkünften stehen, im Rahmen des Progressionsvorbehalts wegen Art. 45 AEUV zu berücksichtigen sind.

Die verheirateten Kläger wurden für die Streitjahre 2012 und 2014 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Neben Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielten sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Einkünfte aus gewerblicher bzw. selbständiger Tätigkeit.

Der Kläger ist Architekt und war bei der X GmbH als Projektleiter angestellt. Er war im Jahr 2012 an 47 Tagen (22 %) in Deutschland und an 166 Tagen (78 %) in Österreich und im Jahr 2014 an 37 Tagen (16 %) in Deutschland und an 191 Tagen (84 %) in Österreich tätig. Der von der gesetzlichen Rentenversicherung befreite Kläger leistete in den Jahren 2012 und 2014 jeweils Versorgungsbeiträge i. H. v. 11.700 € (einschließlich des Arbeitgeberanteils) an die Bayer. Architektenversorgung als Teil der Bayer. Versorgungskammer. Der Arbeitgeberanteil belief sich auf 5.644 € im Jahr 2012 und auf 5.670 € im Jahr 2014. Nach den Regelungen des Versorgungswerks galten die Pflichtbeitragssätze und die Beitragsbemessungsgrenze wie in der gesetzlichen Rentenversicherung. Für das Jahr 2012 beliefen sich der Beitragssatz auf 19,6 % und die Beitragsbemessungsgrenze auf 67.200 € sowie für das Jahr 2014 auf 18,9 % und 71.400 €. Der Arbeitslohn (2012: 90.480 €; 2014: 94.560 €) wurde in voller Höhe durch den Arbeitgeber als steuerpflichtig behandelt und der Lohnsteuer unterworfen.

In seiner österreichischen Einkommensteuererklärung 2012 erklärte der Kläger Beiträge zu Versicherungen, Pensionskassen und freiwilliger Höherversicherung in der gesetzlichen Pensionskasse i. H. v. 5.763,61 € als Sonderausgaben. Mit Einkommensteuerbescheid 2012 vom 02.04.2013 setzte das Finanzamt 1 die Einkommensteuer auf 15.501 € fest. Es berechnete diese wie folgt:

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

63.096,00 €

Werbungskosten

-506,31 €

sonstige Werbungskosten

-12.745,73 €

Gesamtbetrag der Einkünfte

49.843,96 €

Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988)

1/4 der Aufwendungen für Personenversicherungen etc.

-348,33 €

Steuerberatungskosten

-1.104,00 €

Einkommen

48.391,63 €

In den deutschen Einkommensteuererklärungen·2012 und 2014 beantragten die Kläger, den Arbeitslohn nachträglich steuerfrei zu stellen, da der Kläger sich an mehr als 183 Tagen im jeweiligen Kalenderjahr in Österreich aufgehalten habe und die Einkünfte dort entsprechend versteuert worden seien. Bei der Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen entsprach das Finanzamt diesem Anliegen (steuerpflichtiger Lohn: 17.268 €; steuerfrei: 60.976 € zzgl. Bonus i. H. v. 12.240 €), wich aber verschiedenen Punkten von der Erklärung ab. U. a. wurden die Beitragszahlungen des Klägers an das Versorgungswerk nur zu 22 % berücksichtigt, da die Aufwendungen im wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stünden und somit gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht als Sonderausgaben abziehbar seien. Die Einkommensteuer 2012 wurde mit Bescheid vom 19.02.2014 auf 38.447 € festgesetzt.

Gegen die Einkommensteuerbescheide 2012 vom 19.02.2014 und 2014 vom 14.10.2015 legten die Kläger, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, jeweils fristgerecht Einspruch ein und wandten sich gegen die Kürzung der Vorsorgeaufwendungen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 18.06.2018 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2012 auf 38.385 € und die Einkommensteuer 2014 auf 57.971 € herab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit auf die steuerpflichtigen und steuerfreien Einkünfte aufzuteilen seien. Auch der Arbeitsloh...

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