rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnsteuerhaftung: Keine Arbeitgeberstellung der inländischen Tochtergesellschaft bei Entsendung eines im Interesse und auf Kosten der ausländischen Muttergesellschaft arbeitenden Geschäftsführers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Lohnsteuerlicher Arbeitgeber im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG ist derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird oder dessen Weisung er zu folgen hat. Dies ist regelmäßig der Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem Arbeits- bzw. Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff. BGB.

2. Ist der Steuerpflichtige sowohl zum Geschäftsführer der ausländischen Muttergesellschaft als auch der inländischen Tochtergesellschaft bestellt, besteht ein Dienst- bzw. Arbeitsvertrag aber nur mit der Muttergesellschaft und erbringt der Steuerpflichtige seine Tätigkeit für die Tochtergesellschaft nur im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit der Muttergesellschaft als zusätzliche Arbeitsleistung im Interesse und auf Rechnung der Muttergesellschaft, so ist die Tochtergesellschaft nicht Arbeitgeberin i. S. d. § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG.

3. Für den Begriff des inländischen Arbeitgebers bei Arbeitnehmerübersendung i. S. d. § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG ist auf den wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriff des Art. 15 Abs. 2 Buchst. b DBA-Italien abzustellen. Das inländische Unternehmen trägt den Arbeitslohn im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG insbesondere dann, wenn die vom entsendenden Unternehmen aufgewandten Lohnkosten an das aufnehmende Unternehmen weiterbelastet werden.

4. Eine konzerninterne Entsendung kann nur dann zu einem Wechsel der Arbeitgeberstellung führen, wenn die Entsendung des betreffenden Arbeitnehmers im Interesse und auf Betreiben des aufnehmenden Unternehmens erfolgt und der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf jenes Unternehmens eingebunden und dessen Weisungen unterworfen ist. Dient die Entsendung jedoch ausschließlich oder überwiegend dem entsendenden Unternehmen, ist selbst bei Übernahme des Arbeitslohns durch das aufnehmende Unternehmen regelmäßig nur das entsendende Unternehmen als Arbeitgeber anzusehen.

5. Es spricht für eine Tätigkeit des Geschäftsführers im Interesse der Muttergesellschaft, wenn er im Rahmen seiner Tätigkeit bei der inländischen Tochtergesellschaft vor allem die Marktposition der Muttergesellschaft in Deutschland und Österreich stärken, die Umsetzung des von der Muttergesellschaft vorgegebenen Unternehmenskonzepts beaufsichtigen soll und wenn auch die von der Muttergesellschaft getragenen Lohnkosten der Tochtergesellschaft nicht weiter belastet werden. Die Tochtergesellschaft kann auch nicht allein deswegen als Arbeitgeberin angesehen werden, weil sie dem Geschäftsführer während seiner Tätigkeit in Deutschland Wohnraum und ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt hat.

 

Normenkette

AO § 191 Abs. 1, § 5; FGO § 102 S. 1; EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Sätze 2-3, Abs. 3 S. 1, § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2; LStDV § 1 Abs. 1-2; BGB §§ 611, 670; DBA-Italien Art. 15 Abs. 2 Buchst. b

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid vom 29. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2015 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Beiziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Inanspruchnahme der Klägerin für Lohnsteuern durch Haftungsbescheid.

Die Klägerin ist unter HRB … in das Handelsregister des Amtsgerichts eingetragen. Unternehmensgegenstand ist die Herstellung und der Vertrieb von medizinischen und wissenschaftlichen Laborinstrumenten und Laborgeräten, chemischen Reagenzien und Lösungen sowie die Erbringung von hierauf bezogenen Serviceleistungen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 25. September 2014 hat die Klägerin ihre Firma von „XY GmbH” in „W. GmbH” geändert.

Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die Z S.p.A. (nachfolgend: IL) mit Sitz in Italien.

Geschäftsführer der Klägerin war von 2002 bis 2012 auf der Grundlage des Gesellschafterbeschlusses vom 12. Juni 2002 u. a. Herr Dr. C. (nachfolgend: Geschäftsführer, C). Laut einer Bestätigung der IL vom 23. Mai 2011 war C seit 1. Dezember 1987 ununterbrochen und unbefristet, mittlerweile als Geschäftsführer bei dieser beschäftigt. Anstelle eines schriftlichen Arbeitsvertrages ist Grundlage des Beschäftigungsverhältnisses des C bei der IL ein Bestätigungsschreiben von dieser vom 24. November 1987. Demnach hatte die IL gegenüber C sinngemäß erklärt, ihn am Standort M, mit der Option der Versetzung nach P., zu den in den dem Bestätigungsschreiben vorangegangenen Besprechungen vereinbarten Konditionen und nach den Bedingungen des „Nationalen Mitarbeitervertrages für alle Angestellten der priva...

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