Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigener Hausstand eines Alleinstehenden bei doppelter Haushaltsführung. Lebensmittelpunktfahrten auch ohne eigenen Hausstand

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bewohnt ein geschiedener Arbeitnehmer neben seiner Wohnung am Beschäftigungsort das Obergeschoss des elterlichen Hauses, unterhält er keinen für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 S. 2 EStG notwendigen eigenen Hausstand am Wohnort der Eltern, wenn er tatsächlich keine Kosten trägt.

2. Auch wenn ein eigener Hausstand am Wohnort der Eltern nicht vorliegt, kann sich hier der Lebensmittelpunkt des alleinstehenden Arbeitnehmers befinden, so dass die Aufwendungen für die Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 6 EStG abzugsfähig sind.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2, Nr. 4 S. 6, § 12 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.03.2012; Aktenzeichen VI R 87/10)

 

Tenor

1. Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2004 vom 9. Dezember 2005, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. November 2008, 2005 vom 24. Oktober 2006 und 2006 vom 14. Februar 2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2009 wird die Einkommensteuer 2004 auf 3.398 EUR, 2005 auf 3.325 EUR und 2006 auf 2.426 EUR herabgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist der Abzug von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin.

Die geschiedene Klägerin erzielte ab dem Jahr 2003 und auch in den Streitjahren als Erzieherin in München Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und wurde vom Finanzamt (FA) M zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. In ihren ESt-Erklärungen gab sie als Lebensmittelpunkt die S-Str. 2 in P an und machte für 2004 Werbungskosten i.H.v. insgesamt 9.960 EUR, davon 9.014 (5.870 EUR Miete/Möbel + 3.144 EUR Fahrtkosten) als Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung, für 2005 i.H.v. insgesamt 10.848 EUR, davon 10.378 EUR (6.268 EUR Miete/Möbel + 4.110 EUR Fahrtkosten) als Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und für 2006 i.H.v. insgesamt 9.019 EUR, davon 8.616 EUR (6.198 EUR Miete/Möbel + 2.418 EUR Fahrtkosten) als Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend. Bezüglich der Zusammensetzung der Kosten wird auf die den jeweiligen Erklärungen beigefügten Anlagen Bezug genommen.

Das FA verneinte einen eigenen Hausstand der Klägerin in P und erkannte im ESt-Bescheid 2004 vom 9. Dezember 2005 neben den sonstigen Werbungskosten i.H.v. 523 EUR und den Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte in M i.H.v. 425 EUR nur die Aufwendungen für 26 Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte von P nach M i.H.v. 3.144 EUR an, versagte jedoch den Abzug der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung im Übrigen. In den ESt-Bescheiden 2005 vom 24. Oktober 2006 und 2006 vom 14. Februar 2008 setzte es aufgrund der geringen Höhe der sonstigen anerkannten Werbungskosten (2005: 470 EUR und 2006: 403 EUR) den Pauschbetrag nach § 9 a Satz 1 Nr. 1 a Einkommensteuergesetz (EStG) i.H.v. 920 EUR an und versagte den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung vollständig.

Im Rahmen der dagegen geführten Einspruchsverfahren teilte das FA P dem Beklagten auf Anfrage mit, dass das von der Klägerin angeblich bewohnte Obergeschoss im Haus der Eltern eine Größe von 29 m² habe. Daraufhin versagte das FA nach vorheriger Androhung gemäß § 367 Abs. 2 Abgabenordnung nunmehr auch die im Jahr 2004 bisher angesetzten Aufwendungen für 26 Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte von P nach M i.H.v. 3.144 EUR, änderte den ESt-Bescheid 2004 entsprechend, setzte die ESt 2004 mit 3.822 EUR fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Auf die zusammengefasste Einspruchsentscheidung vom 12. November 2008 wird ergänzend Bezug genommen. Mit Verwaltungsakt vom 25. Juni 2009 ergänzte es den Tenor der Einspruchsentscheidungen dahingehend, dass auch die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 als unbegründet zurückgewiesen wurden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und trägt zur Begründung vor, die Voraussetzungen für die Anerkennung der Aufwendungen seien gegeben. Die Wohnung in München mit 27.17 m² sei nur eine Unterkunft. Die nach der Trennung von ihrem Mann im Obergeschoss des Hauses ihrer Eltern angemietete Wohnung in P hingegen sei mit 52 m² doppelt so groß, weshalb der für sie maßgebende Hausstand sowohl vor dem Wegzug nach M und auch heute noch P sei. Soweit sich die Mietzahlungen nicht aus den Kontoauszügen ergäben, sei die Miete gestundet worden.

Da sie erst im Einspruchsverf...

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