Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerungsrecht für Arbeitnehmerabfindungen nach DBA Belgien

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Verständigungsvereinbarung zwischen Deutschland und Belgien vom 15.12.2006 (BStBl. I 2007, 261) gemäß Art. 25 DBA Belgien ist keine geeignete Rechtsgrundlage, ein dem belgischen Wohnsitzstaat gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA Belgien zugewiesenes Besteuerungsrecht für Abfindungszahlungen des deutschen Arbeitgebers abweichend vom DBA Belgien dem Tätigkeitsstaat Deutschland zuzuweisen.

2) Die Verständigungsvereinbarung vom 15.12.2006 führt zu einer materiellen Änderung des DBA Belgien und bedarf daher gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG eines innerstaatlichen Zustimmungsgesetzes.

3) § 50d Abs. 8 und 9 EStG finden in Fällen der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG keine Anwendung.

 

Normenkette

EStG § 50d Abs. 8-9, §§ 34, 19, 24 Nr. 1; DBA Belgien Art. 15, 25; GG Art. 59 Abs. 2; EStG § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 02.09.2009; Aktenzeichen I R 90/08)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine an den Kläger gezahlte Abfindung in die Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer einzubeziehen ist.

Der Kläger und seine Ehefrau haben ihren Wohnsitz in Belgien. Der Kläger erzielte im Streitjahr in Deutschland Einkünfte aus einer nichtselbständigen Tätigkeit. Der Arbeitgeber des Klägers (Arbeitgeber) kündigte dem Kläger aus betriebsbedingten Gründen zum 31.12.2005.

Der Kläger erhielt im Streitjahr neben einem Bruttoarbeitslohn i. H. v. 53.023,14 EUR, eine Abfindung i. H. v. 19.110,00 EUR und eine Jubiläumszuwendung i. H. v. 1.074,00 EUR. Die Abfindung zahlte der Arbeitgeber in Höhe von 7.200,00 EUR steuerfrei aus. Die Jubiläumszuwendung und den nicht steuerfreien belassenen Teil der Abfindung besteuerte der Arbeitgeber ermäßigt. Mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung 2005 beantragten der Kläger und seine Ehefrau die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung nach den Grundsätzen der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG. Beigefügt war eine Bescheinigung EU/EWR aus der sich ergab, dass weder der Kläger noch seine Ehefrau in Belgien im Streitjahr Einkünfte erzielt hatten, die dort der Besteuerung unterlagen.

Mit Bescheid vom 25.07.2007 setzte das Finanzamt (FA) die Einkommensteuer 2005 nach den Grundsätzen der unbeschränkten Steuerpflicht fest. Die Abfindung i. H. v. 19.110,00 EUR bezog das FA dabei nach Abzug des Freibetrags von 7.200,00 EUR in die Steuerfestsetzung mit ein (angesetzter Bruttoarbeitslohn 66.008,00 EUR), wobei es die Abfindung und die Jubiläumszuwendung der Ein-Fünftelregelung unterwarf.

Für die Besteuerung der Abfindung berief sich der Beklagte auf eine zwischen dem Bundesministerium der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland und dem Finanzministerium des Königreichs Belgien am 15.12.2006 getroffene Verständigungsvereinbarung (bekannt gegeben durch BMF Erlass vom 10.01.2007 – IV B 6-S 1301 BEL-1/07, BStBl I 2007, 261). Danach sei die Besteuerung von Abfindungen an Arbeitnehmer abhängig vom wirtschaftlichen Hintergrund der jeweiligen Zahlung. Sei einer Abfindung Versorgungscharakter beizumessen, könne sie gemäß Art. 18 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regulierung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11.04.1967 in der Fassung des Zusatzabkommens vom 5.11.2002 (DBA Belgien) nur im Wohnsitzstaat des Empfängers besteuert werden. Handele es sich dagegen bei der Abfindung um eine im Rahmen eines Arbeitsvertrags geleistete Nachzahlung von Löhnen, Gehältern oder anderen Vergütungen oder werde die Abfindung allgemein für die Auflösung des Arbeitsvertrags gewährt, so könne sie gemäß Art. 15 DBA Belgien in dem Staat besteuert werden, in dem die Tätigkeit ausgeübt werde. Diese Vereinbarung sei auch auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht abgeschlossenen Verfahren anzuwenden.

Gegen den Bescheid vom 25.07.2007 legte der Kläger Einspruch ein, den das FA als unbegründet zurückwies. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Klage erhoben.

Der Kläger trägt vor, das Besteuerungsrecht für Abfindungen habe nach dem DBA Belgien der Wohnsitzstaat, hier: Belgien. § 50d Abs. 8 und 9 EStG änderten hieran nichts, da diese Vorschriften in Fällen des § 1 Abs. 3 EStG nicht anwendbar seien. Wegen der von dem Kläger hierzu vorgetragenen Begründung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 9.5.2008 Bezug genommen. Zwar hätten sich die Finanzbehörden der beteiligten Staaten am 15.12.2006 darauf geeinigt, das Besteuerungsrecht für Abfindungen wegen der Auflösung eines Arbeitsvertrags dem Tätigkeitsstaat zuzuweisen, diese Verwaltungsanweisung stehe aber im Widerspruch zu der bisherigen Auslegung des DBA Belgien durch die Behörden beider Staaten und der ständigen höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung. Sie sei deswegen im Streitfall nicht anwendb...

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