rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative in einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nicht jeder zivilrechtliche Gesellschafter einer Personengesellschaft ist auch Mitunternehmer i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, sondern nur, wenn er auf Grund seiner gesellschaftsrechtlichen oder wirtschaftlich vergleichbaren Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben kann und ein Mitunternehmerrisiko trägt.

2. Mitunternehmerrisiko bedeutet im Regelfall die Beteiligung am Gewinn und Verlust, an den stillen Reserven und am Geschäftswert des Unternehmens.

3. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen.

4. Zwar unterscheiden sich die Kriterien für die Annahme einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft grundsätzlich nicht von denen einer gewerblichen Mitunternehmerschaft; die Besonderheit bei einer aus Ärzten bestehenden GbR besteht jedoch darin, dass jeder einzelne Arzt – anders als bei einem Handelsgewerbe – nur mit seiner eigenen Arbeitskraft den Patientenstamm vergrößern und damit den Umsatz und Gewinn der Gesellschaft steigern kann.

5. Ein Gesellschafter einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis partizipiert auch dann am Gewinn der Gesellschaft, wenn er einen bestimmten Prozentsatz des von ihm für die Gesellschaft erwirtschafteten Umsatzes als Vergütung erhält.

6. Der Beitrag eines Gesellschafters kann auch in der Leistung von Diensten bestehen.

 

Normenkette

AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 706 Abs. 3, §§ 709, 716 Abs. 1; HGB § 166; AO § 179

 

Nachgehend

BFH (Aktenzeichen VIII B 144/19)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladenen W und V Mitunternehmer der Gemeinschaftspraxis U und T in Q geworden sind.

Die Klägerin ist eine seit dem ….2006 bestehende … Gemeinschaftspraxis in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die von den Beigeladenen Herrn U und Herrn T (Altgesellschafter) mit einem Anteil von jeweils 50 % gegründet wurde (s. Praxisvertrag vom ….2005). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass insoweit eine steuerlich anzuerkennende Mitunternehmerschaft vorliegt.

Nach dem der Beigeladene Herr W sich nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Kassenärztlichen Vereinigung aufgrund eines Sonderbedarfsantrags einen personen- und ortsgebundenen kassenärztlichen Sonderbedarfssitz erstritten hatte, schloss die Klägerin am ….2010 mit dem Beigeladenen Herr W einen Beitrittsvertrag mit Wirkung zum ….2010 ab. Dort heißt es auszugsweise:

„Präambel

… Der Gemeinschaftspraxisvertrag vom ….2005 (Anlage 1) wird zum Gegenstand des Beitrittsvertrags gemacht. … Zur Regelung der gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten des neuen Gesellschafters Herrn W und zur notwendigen Anpassung einzelner Regelungen des Gemeinschaftspraxisvertrags vom ….2005 … schließen die Vertragspartner den nachfolgenden Vertrag über den Beitritt von Herrn W zur Gemeinschaftspraxis U/T:

§ 1

Gegenstand des Beitrittsvertrags

  1. Herr W tritt in die bestehende Gemeinschaftspraxis U/T als dritter Gesellschafter mit Wirkung ab dem ….2010 ein.
  2. Die Gesellschafter werden ab dem ….2010 ihre privatärztliche und vertragsärztliche Tätigkeit auf Basis des dem Beitrittsvertrags beigefügten Gemeinschaftspraxisvertrags vom ….2005 (Anlage 1) gemeinsam ausüben, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist. Sie führen zu diesem Zweck die Gemeinschaftspraxis U/T als Gemeinschaftspraxis U/T/W in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts fort.

§ 4

Einlagen der Gesellschafter, Gesellschaftsvermögen

1. Die Gesellschafter U und T bringen das materielle und immaterielle Vermögen der ehemaligen Gemeinschaftspraxis U/T mit Wirkung zum ….2010 als Gesellschaftsvermögen in die Gemeinschaftspraxis U/T/W zu Buchwerten ein. An diesem Gesellschaftsvermögen sind die Gesellschafter wie folgt beteiligt:

Herr U:

50 %

Herr T:

50 %

Herr W:

0 %

5. Die Steigerung des immateriellen Wertes der Gemeinschaftspraxis U/T/W ab dem Beginn fällt in das Gesellschaftsvermögen. …. An diesem Gesellschaftsvermögen der Gemeinschaftspraxis U/T/W sind die Gesellschafter zu 45 % (U) 45 % (T) und 10 % (W) beteiligt.

§ 6

Beschlüsse

  1. Folgende Maßnahmen und Rechtsgeschäfte bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung aller Gesellschafter:

    • Änderung des Gesellschafsvertrags, insbesondere Änderung der Gewinnverteilung;
    • Aufnahme neuer Gesellschafter …
    • der Erwerb, die Belastung und/oder Veräußerung von Grundstücken…
    • zusätzliche Zahlungen der Gesellschafter an die Gesellschaft, die den einzelnen Gesellschafter mit mehr als 1.500 € pro Kalenderjahr belasten.
  2. Gesellschafterbeschlüsse werden im übrigen mit einer 2/3 Mehrheit der Stimmen gefasst, sofern in diesem Vertrag oder von Gesetzes wegen nicht Einstimmigkeit erforderlich ist. Den Gesellschaftern U und T stehen jeweils fünf und dem Gesellschafter W eine Stimme zu.

§ 7

Ergebnisverwendung

1. … Am Gewinn und Verlust der Gemeinschaftspraxis U/T/...

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