Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmereigenschaft von Werbeverteilern. Nachforderung pauschaler Lohnsteuer vom Arbeitgeber

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ob eine Arbeitnehmereigenschaft zu bejahen ist, bestimmt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, wobei die für bzw. gegen die Nichtselbständigkeit sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen und Einzelmerkmale nach ihrer Bedeutung zu gewichten sind.

2. Die Abwägung nach LS. 1 führt im entschiedenen Einzelfall zu dem Ergebnis, dass Werbezettelverteiler nicht als Arbeitnehmer eines Werbemittelvertriebs anzusehen sind, und demgemäß der gegen den Vertrieb als Arbeitgeber ergangene Nachforderungsbescheid über pauschale Lohnsteuer aufzuheben ist.

 

Normenkette

LStDV § 1 Abs. 1-2; LStR 1996 Abschn. 67; EStG 1990 § 19 Abs. 1, § 40 Abs. 3, § 40a; EStG 1997 § 19 Abs. 1, § 40 Abs. 3, § 40a

 

Tenor

1. Der Nachforderungsbescheid vom 17. September 1998 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 22. November 1999 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte ist befugt, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin ihrerseits zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für die Klägerin tätige Werbezettelverteiler als Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen sind.

Die Klägerin betreibt einen Werbemittelvertrieb. Sie erhält Werbeprospekte von ihrer Auftraggeberin, einer Lebensmittel-Einzelhandelskette, und beauftragt ihrerseits weitere Personen, diese Prospekte in einem bestimmten Bezirk innerhalb eines bestimmten Zeitraums flächendeckend an alle Haushalte zu verteilen. Den einzelnen Verteilern ist es freigestellt, ob sie die Arbeit persönlich oder durch weitere Hilfskräfte erledigen. Arbeitsmittel werden nicht zur Verfügung gestellt. Die Vergütung richtet sich nach der Zahl der verteilten Prospekte. Die Verteiler dürfen auch für andere Auftraggeber tätig werden.

Aufgrund einer Lohnsteueraußenprüfung bei der Klägerin gelangte der Beklagte zu der Überzeugung, dass die für die Klägerin tätigen Verteiler als Arbeitnehmer anzusehen und die an sie gezahlten Vergütungen der Lohnsteuer zu unterwerfen seien. Die Prüferin gab in ihren Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung an, dass die Klägerin 48 Aushilfskräfte beschäftigt. Der im Klageverfahren nachträglich eingereichten Aufstellung, die anhand der Aufzeichnungen der Bp-Arbeitsakte erstellt wurde, ist jedoch zu entnehmen, dass die Klägerin rund 140 Aushilfskräfte im Zeitraum von Januar 1996 bis März 1998 beschäftigte. Einzelne Prospektverteiler waren laut Abrechnungsaufstellung für die Klägerin mehrfach tätig bis zu dreimal pro Monat, andere Prospektverteiler nur einmal. Ein erhöhter Einsatz der Prospektverteiler ist in den Monaten November und Dezember zu verzeichnen gewesen. Die Zahlungen an die Prospektverteiler schwankten zwischen 24 DM bis 620 DM. Die Zahlungen erfolgten teilweise bar, teilweise per Überweisung oder per Scheck, für einzelne Prospektverteiler wurde keine Zahlungsart festgehalten. Schriftliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Prospektverteilern existieren nicht. Urlaubsgelder, Weihnachtszuwendungen oder Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit wurden von der Klägerin im Prüfungszeitraum nicht gezahlt.

Nachdem die Klägerin eine pauschale Besteuerung dieser Beträge nach § 40a Einkommensteuergesetz (EStG) beantragt hatte, forderte der Beklagte die bisher nicht abgeführten Lohnsteuern und Nebenleistungen in Höhe von 22.512,37 DM mit Nachforderungsbescheid vom 17. September 1998 nach.

Dagegen legte die Klägerin am 24. September 1998 mit der Begründung Einspruch ein, die Verteiler seien keine Arbeitnehmer. Ihr – der Klägerin – sei es egal, ob die Werbezettelverteiler die Tätigkeit persönlich ausübten, oder ob sie sich hierbei durch andere Personen, wie z. B. Familienangehörige, helfen ließen. Auflage sei allein, dass die Werbezettel in einem bestimmten Bezirk innerhalb eines bestimmten Zeitraumes flächendeckend verteilt würden. Die Vergütung erfolge nicht anhand fester Bezüge, sondern entsprechend der verteilten Stückzahl. Sollten Kontrollen ergeben, dass nicht jeder einzelne Haushalt mit Werbezetteln versorgt worden sei, würde die Vergütung entsprechend gekürzt. Die Verteiler könnten jederzeit für andere Auftraggeber tätig werden.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 22. November 1999 als unbegründet zurück. Bei der Verteilung der Werbeprospekte handele es ich um eine Tätigkeit einfacher Art. die ohne jede Vorbildung erledigt werden könne und bei der eine Entfaltung von Eigeninitiative nur in sehr beschränktem Umfang möglich sei. Bei derartigen Arbeiten sei eher eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin anzunehmen als bei einer gehobenen Tätigkeit. In wirtschaftlicher und arbei...

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