Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Anwendung des Progressionsvorbehalts bei nur zeitweiser unbeschränkter Steuerpflicht

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Einbeziehung „ausländischer Einkünfte“ i. S. des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG setzt voraus, dass diese Einkünfte während der Zeit der beschränkten Steuerpflicht erzielt worden sind.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.05.2002; Aktenzeichen I R 40/01)

 

Tatbestand

Der Kläger, ein niederländischer Staatsangehöriger, hatte bis zum 16. Februar 1997 einschließlich seinen Wohnsitz in Deutschland und erzielte dort Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach Abzug der Werbungskosten in Höhe von ... DM. Ab dem 17. Februar 1997 wohnte er in den Niederlanden und erzielte dort ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von ... holländischen Gulden (= ... DM) und Zinseinnahmen in Höhe von ... Gulden (= ... DM). Am 7. November 1997 heiratete der Kläger eine niederländische Staatsangehörige, die im Streitjahr 1997 keine Einkünfte erzielte und zu keiner Zeit einen Wohnsitz in Deutschland hatte.

Mit Bescheid vom 22. Juli 1998 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr fest und bezog dabei die vom Kläger in den Niederlanden bezogenen Einkünfte durch Anwendung des sog. Progressionsvorbehalts nach § 32 b Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in die Besteuerung mit ein.

Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger hiergegen Klage erhoben und macht geltend, § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG verstoße gegen Art. 20 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und den Niederlanden vom 16. Juni 1959 in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Mai 1991 (DBA Niederlande). Nach der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sei ein Progressionsvorbehalt zugunsten des Quellenstaates dann ausgeschlossen, wenn er im jeweiligen DBA nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Da das DBA Niederlande keine besonderen Regelungen über den Wechsel des Wohnsitzstaates enthalte, sei die Einbeziehung der im Zeitraum der beschränkten Steuerpflicht bezogenen Einkünfte auch dann nicht möglich, wenn sich dieser Wechsel im Laufe desselben Kalenderjahres ereigne.

Auch dann, wenn man den Progressionsvorbehalt nicht als Besteuerung der betreffenden Einkünfte verstehe, würde sich das Ergebnis nicht ändern. Denn nach dieser Auffassung (Hinweis auf Heinicke, in: Schmidt, EStG, 20. Aufl., § 32 b Rz. 1) solle der Progressionsvorbehalt das Absinken der Tarifbelastung für die tatsächlich besteuerten Einkünfte aufgrund der Steuerfreistellung bestimmter Einkünfte ausgleichen. Diese Begründung sei aber nur dann tragfähig, wenn die fraglichen Einkünfte bei Nichtexistenz der Freistellungsnorm der deutschen Besteuerung zu unterwerfen seien. Im Streitfall seien die in den Niederlanden erzielten Einkünfte mangels inländischem Wohnsitz des Klägers oder inländischer Einkünfte aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt steuerverhaftet.

Die Besteuerung der in den Niederlanden erzielten Einkünfte verstoße auch gegen das aus Art. 48 i. V. m. Art. 8 a des Vertrages über die Europäischen Gemeinschaften (EGV) ableitbare Diskriminierungsverbot betr. Steuerausländer, welches auch indirekte Diskriminierungen wie im Streitfall betreffe.

Sollte § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG gleichwohl anwendbar sein, so sei dem Kläger zumindest der Splittingtarif zu gewähren. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung dieser Vorschrift offenbar tarifliche Vorteile beseitigen wollen, die bei einem Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht dadurch entstehen konnten, daß ein Teil des Jahreseinkommens außerhalb der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht erzielt werde. Die Umsetzung dieses Konzepts sei jedoch insoweit unvollkommen als nur die belastenden Faktoren bei der Bestimmung des Besteuerungsmaßstabs einbezogen worden seien.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuer 1997 unter Änderung des Bescheids vom 22. Juli 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 1998 ohne Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts festzusetzen,

hilfsweise,

die Einkommensteuer 1997 unter Änderung des Bescheids vom 22. Juli 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 1998 unter Anwendung des Splittingtarifs festzusetzen,

ferner hilfsweise,

die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Vorschrift des § 32 b Nr. 2 EStG nicht für diskriminierend, da die im Ausland erzielten Einkünfte bei Anwendung des Progressionsvorbehalts gerade nicht besteuert würden.

Dem Senat hat bei seiner Entscheidung 1 Band der vom Beklagten für den Kläger unter der Steuernummer ... geführten Steuerakten vorgelegen, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Für die Einbeziehung der nach dem Wegzug aus Deutschland in den Niederlanden erzielten Einkünfte des Klägers in seine inländische Einkommensbesteuerung für das...

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