Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch für volljähriges Kind, das sich nur wegen des Kindergeldanspruchs als arbeitssuchend meldet, tatsächlich aber nicnt vermittelt werden will

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Berücksichtigung eines Kindes nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG und die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „Meldung als arbeitssuchend” genügt es, wenn ein erwerbsfähiges Kind allein für den Zweck des Erhalts von Kindergeld seine Beschäftigungslosigkeit im mehrmonatigen Übergangszeitraum zwischen der Beendigung der Berufsausbildung und dem Beginn einer Erwerbstätigkeit im erlernten Beruf der zuständigen Agentur für Arbeit anzeigt, sich aber der Arbeitsvermittlung wegen der schon sicher zugesagten Arbeitsstelle ausdrücklich nicht zur Verfügung stellt, und wenn deswegen die Agentur für Arbeit eine Registrierung als arbeitssuchend ablehnt.

2. Der Tatbestand des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG ist bereits dann erfüllt, wenn ein noch nicht 21 Jahre altes Kind nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Arbeitsagentur im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist. Die übrigen Merkmale der Arbeitslosigkeit i. S. d. § 119 Abs. 1 SGB III, wie Eigenbemühungen und Verfügbarkeit, brauchen nicht mehr nachgewiesen zu werden. Vielmehr unterstellt das Gesetz typisierend, dass die Voraussetzungen der §§ 118 ff. SGB III vorliegen.

 

Normenkette

EStG 2010 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2; SGB III § 118 ff.

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.02.2016; Aktenzeichen V R 22/15)

BFH (Urteil vom 18.02.2016; Aktenzeichen V R 22/15)

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 15. April 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2010 aufzuheben und für das Kind B… Kindergeld für die Monate Februar 2010 und März 2010 in voller gesetzlicher Höhe festzusetzen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Mutter des Kindes B., geboren am 7. April 1990.

B. befand sich seit Sommer 2006 in einer Berufsausbildung, die sie im Januar 2010 erfolgreich abschloss. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits eine Zusage für eine Arbeitsstelle ab 1. April 2010.

Ausweislich eines Ausdrucks der Kundenhistorie der Arbeitsagentur vom 29. April 2010 in der beigezogenen Familienkassenakte suchte B. am 15. März 2010 die Arbeitsagentur auf. Wegen des Inhalts des Ausdrucks wird auf diesen Bezug genommen. Ebenfalls Bezug genommen wird wegen des Inhaltes auf eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit C. vom 31. Januar 2011, vorgelegt von der Beklagten mit Schreiben vom 28. Oktober 2011.

Als Anlage zu ihrer Klageschrift hat die Klägerin einen ausgefüllten Vordruck der Arbeitsagentur betreffend B. vorgelegt. In der Rubrik

„Ich suche einen Arbeitsplatz Ausbildungsplatz nur Beratung, keine Stellensuche” ist dort keine der gebotenen Möglichkeiten angekreuzt. Angegeben ist jedoch, dass Arbeitslosigkeit in der Zeit vom 1. Februar 2010 bis 31. März 2010 besteht.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 14. Dezember 2009 die Festsetzung von Kindergeld mit Ablauf des Monats Januar 2010 wegen der künftigen Beendigung der Schulausbildung von B. auf.

Mit Bescheid vom 15. April 2010 lehnte die Beklagte die erneute Festsetzung von Kindergeld für B. mit der Begründung ab, B. werde bei der zuständigen Arbeitsvermittlung nicht als arbeitsuchendes Kind geführt.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 18. April 2010 Einspruch ein, den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 29. April 2010 als unbegründet zurückwies. Nach dem Ende ihrer Berufsausbildung im Januar 2010 habe sich B. in keiner weiteren Berufsausbildung mehr befunden. Jedenfalls sei eine solche nicht nachgewiesen. Auch sei sie nicht arbeitslos/arbeitsuchend gemeldet gewesen. Auch insoweit sei kein Nachweis vorgelegt worden.

Mit ihrer fristgerechten Klage macht die Klägerin geltend, B. sei in der 5. Kalenderwoche nach entsprechendem Hinweis der Schule bei der zuständigen Arbeitsagentur C. gewesen und habe dort den Wunsch geäußert, sich bis 31. März 2010 Arbeit arbeitslos zu melden. Ebenfalls sei von B. der Wunsch geäußert worden, der Klägerin den Kindergeldanspruch zu erhalten. B. sei von der Arbeitsagentur daraufhin belehrt worden, nach der Gesetzeslage behalte die Klägerin auch ohne Arbeitslosmeldung den Anspruch auf Kindergeld bis zur Arbeitsaufnahme von B..

Nachdem die Beklagte dennoch auf einer Arbeitslosmeldung bestanden habe, habe B. am 15. März 2010 erneut bei der Arbeitsagentur vorgesprochen und diese auf die Rechtsauffassung der Beklagten hingewiesen. Die Arbeitsagentur habe jedoch auf ihrem Rechtsstandpunkt beharrt und ihr ein entsprechendes Merkblatt ausgehändigt. B. sei gesagt worden, sie könne sinnvoll bei etwa nachgewiesenen Arbeitge...

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