rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewinnerzielungsabsicht eines nebenberuflich von einem Arbeitnehmer betriebenen Dachdeckerbetriebs trotz langjähriger Anlaufverluste

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einem nebenberuflich selbstständig tätigen Dachdecker, der seine selbstständige Erwerbstätigkeit wegen seiner Vollzeiterwerbstätigkeit als angestellten Dachdecker in einem weit entfernten anderen Bundesland nur an den Wochenenden sowie an Urlaubstagen ausüben kann, ist zu berücksichtigen, dass sich positive Einkünfte aus dem Dachdeckerbetrieb mangels der Möglichkeit, größere Aufträge auszuführen, vielfach erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen lassen. Deshalb lässt sich allein aus der Tatsache einer über mehrere Jahre anhaltenden Verlusterzielung noch nicht der Schluss ziehen, es fehle an einer Gewinnerzielungsabsicht.

2. Ein selbstständiger Dachdecker kann daher auch dann noch in Einkunftserzielungsabsicht handeln, wenn er Lagerräumlichkeiten im Anwesen der Eltern in seinem Heimatbundesland unentgeltlich nutzen kann, er deswegen zur Vermeidung von Mietkosten für Lagerräume sein nebenberuflich ausgeübtes Dachdeckergewerbe nicht an seinem Arbeitsort als Arbeitnehmer, sondern nur an den Wochenende und im Urlaub von seinem weit entfernten Heimatort aus ausübt, (entgeltliche) Dienstleistungen nur gegenüber Freunden und Verwandten erbringt, keine nach außen gerichtete Werbemaßnahmen unternimmt und erst nach einer zehnjährigen Verlustphase mit jährlichen Verlusten zwischen 1.000 EUR und 7.000 EUR erstmalig Gewinne erzielt.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1, 2 S. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Tenor

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen betr. die Jahre 2012 und 2013 sowie teilweiser Abänderung der Einspruchsentscheidung betr. die Jahre 2004 bis 2013 wird der Beklagte verpflichtet, Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2005 bis 2013 zu erlassen, in denen die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) in folgender Höhe festgestellt werden:

2005: ./. 6 919,93 EUR

2006: ./. 3 978,46 EUR

2007: ./. 4 889,74 EUR

2008: ./. 2 062,56 EUR

2009: ./. 1 033,53 EUR

2010: ./. 2 314,23 EUR

2011: ./. 1 427,47 EUR

2012: ./. 1 650,45 EUR

2013: ./. 1 306,38 EUR

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten zu 84 v. H. und dem Kläger zu 16 v. H. auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

 

Tatbestand

Die Prozessbeteiligten streiten hauptsächlich um die Frage, ob die in den Streitjahren 2004 bis 2013 nebenberuflich erzielten negativen Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG –) als einzelunternehmerisch tätiger Dachdecker wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht ertragsteuerrechtlich irrelevant sind oder nicht.

Der am 10. September 1979 geborene Kläger war in den Streitjahren ledig und hatte keine Kinder. Er hatte seinen Hauptwohnsitz zunächst in B. und später in C. (beides Gemeinden im Bundesland Bayern) inne, weil er dort im Hauptberuf als Arbeitnehmer tätig war. Seine Eltern und weitere nahe Verwandte von ihm wohnten in D.. Während seiner Aufenthalte in D. in den Streitjahren wohnte der Kläger auf dem Wohngrundstück seiner Eltern. Auf diesem Grundstück konnte er auch das Arbeitsmaterial für das von ihm nebenberuflich betriebene Dachdeckergewerbe lagern.

Nach seiner Schulzeit durchlief der Kläger eine Ausbildung zum Dachdecker am Wohnort seiner Eltern in D.. Nach Ablegung der Gesellen- sowie der Meisterprüfung absolvierte er in den Jahren 2003 und 2004 in Köln eine Weiterbildungsmaßnahme betreffend Ausbildung zum „Fachleiter Dach- und Wandabdeckungstechnik”, die sich über insgesamt vier Monate erstreckte.

Ab Juni 2003 bis einschließlich Mai 2006 war der Kläger als angestellter Dachdeckermeister bei der E. GmbH in 85… F. vollzeitbeschäftigt. Sein monatliches Bruttogehalt betrug 3 214,00 EUR (vgl. Arbeitsvertrag vom 6. Juni 2003 = Bl. 237 ff. d. A.). Im Zeitraum Juni 2006 bis September 2011 war er als „technischer Mitarbeiter” für die G. GmbH in 80 H. vollzeiterwerbstätig. Sein monatliches Bruttogrundgehalt betrug 2 500,00 EUR zuzüglich Gratifikation nach Maßgabe von § 5 des Arbeitsvertrags vom 9. Juni 2006 (Bl. 227 ff. d. A.). Im Zeitraum Oktober 2011 bis Juni 2013 war der Kläger als „Technical Manager im Bereich Property & Asset Management” im Raum H. bei einer I. GmbH angestellt, die ihren Hauptsitz in J. hat. Sein Bruttogehalt betrug monatlich 3 450,00 EUR (vgl. Anstellungsvertrag vom 26./27. Juli 2011 = Bl. 209 ff. d. A.). Seit Juli 2013 ist der Kläger bei der K. GmbH in H. für ein Bruttogehalt von monatlich 3 513,00 EUR angestellt (vgl. Arbeitsvertrag vom 2. Mai 2013 = Bl. ...

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