Entscheidungsstichwort (Thema)

Im Jahr 2006 geleistete Beiträge eines nichtselbständig tätigen Steuerberaters an eine berufsständische Versorgungseinrichtung keine vorweggenommenen Werbungskosten. Nichtberücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen beim Lohnsteuerermäßigungsverfahren nicht verfassungswidrig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Rentenversicherungsbeiträge, die ein nichtselbständig als Steuerberater und vereidigter Buchprüfer arbeitender Steuerpflichtiger an das Wirtschaftsprüferversorgungswerk leistet, sind auch im Geltungsbereich des Alterseinkünftegesetzes (hier: Streitjahr 2006) keine vorweggenommenen Werbungskosten im Hinblick auf künftige Renteneinkünfte, sondern Altersvorsorgeaufwendungen im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in der ab 2005 anzuwendenden Fassung. Hiergegen bestehen auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (Anschluss ab BFH, Beschluss v. 1.2.2006, X B 166/05).

2. Dass anders als bei Steuerpflichtigen, die ihre Einkommensteuer durch Vorauszahlungen entrichten, bei einem Arbeitnehmer die später bei der Veranlagung oder beim Lohnsteuer-Jahresausgleich abziehbaren Vorsorgeaufwendungen nicht bereits beim Lohnsteuerabzug in voller Höhe berücksichtigt werden dürfen (§ 39a Abs. 1 Nr. 2 EStG), führt zwar für den Arbeitnehmer zu einem Zinsnachteil, verstößt aber nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

 

Normenkette

EStG 2005 § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3, 4a, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a, § 39a Abs. 1 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 14.06.2016; Aktenzeichen 2 BvR 323/10)

BFH (Urteil vom 09.12.2009; Aktenzeichen X R 28/07)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte für Aufwendungen an das Wirtschaftsprüferversorgungswerk.

Der Kläger ist als Steuerberater und vereidigter Buchprüfer nichtselbstständig tätig. In einem das Streitjahr 2006 betreffenden Antrag auf Lohnsteuerermäßigung vom 17. Mai 2006 beantragte er aus mehreren Gründen den Eintrag eines Freibetrages auf seiner Lohnsteuerkarte. Dieser wurde ihm hinsichtlich seiner Arbeitnehmeraufwendungen zum Wirtschaftsprüferversorgungswerk in Höhe von 17.500 Euro, die er als vorab entstandene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften geltend machte, mit Bescheid vom 6. Juni 2006 versagt:

Hiergegen wendet sich der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren – der Beklagte hat den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2. August 2006 als unbegründet zurückgewiesen – mit vorliegender Klage.

Die Beiträge an das Wirtschaftsprüferversorgungswerk seien eintragungsfähige Werbungskosten im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Sie dienten objektiv und subjektiv der Erzielung künftiger steuerpflichtiger Renteneinnahmen. Die anders lautende Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 1. Februar 2006 – X B 166/05, in der das Gericht die Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen den Sonderausgaben und nicht den Werbungskosten zugeordnet habe, sei methodisch fehlerhaft und falsch. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs sei bei einer verfassungskonformen Auslegung des Alterseinkünftegesetzes aus zwei Gründen problematisch. Zum Einen würde dadurch eine Ungleichbehandlung von rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und Beamten in der Erwerbsphase festgeschrieben. Zum Anderen sei das objektive Nettoprinzip nicht berücksichtigt worden. Die Gleichbehandlung von rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und Beamten verlange, dass Beamten der „fiktive” Beitrag, den sie – nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – für ihre Altersversorgung leisteten, als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit hinzugerechnet und anschließend – wie bei Arbeitnehmern – ein (beschränkter) Sonderausgabenabzug gewährt werde. Eine solche Hinzurechnungsvorschrift fehle jedoch im Alterseinkünftegesetz. Beamte würden damit so gestellt, als ob für den „fiktiven” Beitrag ein Werbungskostenabzug gälte. Der Abzug von Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben (und nicht als Werbungskosten) bewirke darüber hinaus einen höheren Gesamtbetrag der Einkünfte bei Arbeitnehmern im Vergleich zu Beamten. Dies habe Bedeutung für den Verlustrücktrag und die außergewöhnlichen Belastungen. Damit führe der Beschluss des Bundesfinanzhofs auch unter systematischen Erwägungen zu einem unbefriedigenden Ergebnis. Außerdem folgten aus der teilweisen Nichtabzugsfähigkeit der Rentenversicherungsbeiträge belastende Progressionseffekte. Der Beschluss des X. Senats des Bundesfinanzhofs sei auch deshalb fehlerhaft, weil der IX. Senat des Bundesfinanzhofs Ausgleichszahlungen, die ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter Beamter auf Grund einer Vereinbarung gemäß § 1587 o BGB an den anderen Ehegatten leistet, um Kürzungen seiner Versorgungsbezüge zu vermeiden, sofort als Werbungskosten abzugsfähig seien. Wenn aber die Ausgleichzahlungen eines Beamten als...

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