rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersuchen um Vorabentscheidung des EuGH zur Europarechtswidrigkeit des § 3 Nr. 64 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Dem EuGH wird die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 45 AEUV (= Art. 39 EGV) vereinbar ist oder eine verbotene versteckte Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit nach Art. 18 AEUV (= Art. 12 EGV) beinhaltet, wenn die von dem französischen Dienstherrn gewährten Gehaltsbestandteile für den Ausgleich für die Bereitschaft eines französischen Arbeitnehmers, in das Ausland zu gehen, in der BRD dem Progressionsvorbehalt unterworfen wird, während ein deutscher Arbeitnehmer der BRD oder einer sonstigen deutschen juristischen Person des öffentlichen Rechts diese Gehaltsbestandteile nach § 3 Nr. 64 EStG steuerfrei erhält.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 64, § 32b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2, § 1 Abs. 1; DBA FRA Art. 14, 20 Abs. 1a; AEUV Art. 45, 21, 18; EGV Art. 39, 18, 12

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 15.09.2011; Aktenzeichen C-240/10)

 

Tenor

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1. Ist § 3 Nr. 64 des Einkommensteuergesetzes in der in den Jahren 2005 und 2006 geltenden Fassung mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 45 in der Form der „Konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union” – AEUV – (= Art. 39 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – EGV –) vereinbar?
    2. Beinhaltet § 3 Nr. 64 des Einkommensteuergesetzes in der in den Jahren 2005 und 2006 geltenden Fassung eine nach Art. 18 AEUV (= Art. 12 EGV) verbotene versteckte Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit?
  1. Wenn Frage 1 zu verneinen ist: Ist § 3 Nr. 64 des Einkommensteuergesetzes in der in den Jahren 2005 und 2006 geltenden Fassung mit der Freizügigkeit der Unionsbürger nach Art. 21 AEUV (= Art. 18 EGV) vereinbar?
 

Tatbestand

I.

Sachverhalt und Streitstand

Die Kläger sind gemeinschaftlich zur Einkommensteuer veranlagte, in Deutschland ansässige und im Sinne des § 1 Abs. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG – unbeschränkt steuerpflichtige Eheleute. Ihre beiden gemeinsamen Kinder wurden … bzw. … geboren.

Die Klägerin ist französische Staatsangehörige und in Deutschland als Beamtin des französischen Staates als Lehrerin in X tätig. Sie nahm in den Streitjahren 2005 und 2006 nur befristete Dienstverhältnisse in Deutschland wahr; der französische Staat konnte nach Ablauf des jeweils befristeten Arbeitsvertrages jederzeit die Rückkehr nach Frankreich verlangen.

Der Kläger bezog aus der in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten Tätigkeit als Angestellter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, und zwar einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 75.400 EUR in 2005 sowie in Höhe von 77.133 EUR in 2006. Die einbehaltene Lohnsteuer betrug 14.980 EUR bzw. 15.488 EUR, der Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag belief sich auf 5.316,84 EUR bzw. 5.553 EUR.

Die Klägerin bezog vom französischen Staat in den Streitjahren 2005 und 2006 Einnahmen, die nach Art. 14 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 Buchst. a) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (Bundesgesetzblatt – BGBl – II 1961, S. 398) – DBA-Frankreich – in Deutschland von der Besteuerung unter Beachtung des sog. Progressionsvorbehalts freizustellen sind. In den Bezügen der Klägerin, die das Finanzamt – FA – in Höhe von 29.279 EUR (2005) bzw. 30.390 EUR (2006) ermittelt hat, sind u.a. folgende streitgegenständliche Vergütungsbestandteile enthalten:

  1. Hinsichtlich der Position „I.S.V.L. Groupe 7” (= Indemnité spécifique liée aux conditions de vie locale) handelt es sich nach dem klägerischen Vortrag um einen Kaufkraftausgleich in Höhe eines monatlichen Betrages von 437,41 EUR (2005) bzw. von 444,08 EUR (2006), der im Ausland tätigen Beamten vom französischen Staat gewährt werde. Ihre gesetzliche Grundlage findet die I.S.V.L. im Décret n° 2002-22 vom 4. Januar 2002, dort: Art. 4.B.d).
  2. Bei der Position „Majoration Familiales Gr. 01” handelt es sich nach dem klägerischen Vortrag um einen sogenannten „Avantache Familial” in Höhe eines monatlichen Betrages von 134,20 EUR (2005) bzw. von 136,41 EUR (2006), der für unterhaltsberechtigte Kinder von in Auslandseinrichtungen tätigen französischen Beamten gewährt werde und dem deutschen Auslandskinderzuschlag nach § 56 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) entspreche. Er hat seine Grundlage in Art. 4 B. e) des Décret n° 2002-22 vom 4. Januar 2002 in d er Fassung des Décret n° 2007-1291 des französischen Außenministeriums vom 30. August 2007.

Von den Einnahmen der Klägerin wurde in 2005 ein Betrag von 20.574 EUR bzw. in 2006 ein Betrag von 21.552 EUR als Besteuerungsgrundlage der Einkommensbesteuerung in Frankreich unterwo...

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