Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderausgabenabzug, Renten und dauernde Lasten, Beschränkte Steuerpflicht, Versagung des Sonderausgabenabzugs für Versorgungsleistungen bei beschränkt Steuerpflichtigen

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es einem gebietsfremden Steuerpflichtigen, der in diesem Mitgliedstaat gewerbliche Einkünfte aus Anteilen an einer Gesellschaft erzielt hat, die ihm von einem Elternteil im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge übertragen wurden, verwehrt, von diesen Einkünften die Versorgungsleistungen abzuziehen, die er an diesen Elternteil als Gegenleistung für diese Übertragung gezahlt hat, während sie einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen diesen Abzug gestattet.

 

Normenkette

AEUV Art. 63

 

Beteiligte

Grünewald

Finanzamt Dortmund-Unna

Josef Grünewald

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 14.05.2013; Aktenzeichen I R 49/12; BFH/NV 2013, 1959)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Direkte Besteuerung ‐ Einkommensteuer ‐ Abzugsfähigkeit von Versorgungsleistungen, die als Gegenleistung zu einer Übertragung von Vermögen im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge gezahlt werden ‐ Ausschluss für Gebietsfremde“

In der Rechtssache C-559/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 14. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Oktober 2013, in dem Verfahren

Finanzamt Dortmund-Unna

gegen

Josef Grünewald

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, A. Ó Caoimh und J.-C. Bonichot (Berichterstatter), des Richters A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader, der Richter M. Safjan und D. Šváby, der Richterinnen M. Berger und A. Prechal sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Finanzamts Dortmund-Unna, vertreten durch S. Lorenz als Bevollmächtigten,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,

‐ der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und J.-S. Pilczer als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und W. Roels als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. November 2014

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 63 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Dortmund-Unna (im Folgenden: Finanzamt) und Herrn Grünewald über die Weigerung des Finanzamts, bei der Besteuerung von Einkünften aus im Zuge einer vorweggenommenen Erbfolge übertragenen Anteilen an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts den Abzug von Versorgungsleistungen, die Herr Grünewald an seine Eltern als Gegenleistung für diese Übertragung gezahlt hat, zuzulassen, weil Herr Grünewald seinen Wohnsitz nicht in Deutschland habe.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Nach § 1 des Einkommensteuergesetzes in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (BGBl. 2002 I, S. 4210, im Folgenden: EStG) sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, während natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, beschränkt einkommensteuerpflichtig sind, wenn sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG haben.

Rz. 4

In § 10 Abs. 1 EStG heißt es:

„Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind:

1a. auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. …“

Rz. 5

Zu den in § 49 EStG genannten Einkünften gehören Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Inland.

Rz. 6

§ 50 Abs. 1 EStG bestimmt:

„Beschränkt Steuerpflichtige dürfen Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 bis 8) oder Werbungskosten (§ 9) nur insoweit abziehen, als sie mit inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. … Die … §§ … 10 [ff.] sind nicht anzuwenden.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

Rz. 7

Mit Übertragungsvertrag vom 17. Januar 1989 erwarb Herr Grünewald von seinem Vater im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge zusammen mit seinem Bruder zu je 50 % eine Beteiligung an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, einem Gärtnereibetrieb in Deutschland. Als Gegenleistung sind in § 2 des Vertrags näher bezeichnete Versorgungsleistungen an den Vater bzw. die Eltern zu erbringen.

Rz. 8

Herr Grünewald, der in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland lebt und in Deutschland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnl...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Hartz, ABC-Führer Lohnsteuer (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge