Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtiger, Gebot der Berücksichtigung einer Altersrücklage bei gewerblichen Einkünften

 

Leitsatz (amtlich)

Eine von einem Mitgliedstaat erlassene Vorschrift, die es den in diesem Staat ansässigen Personen gestattet, vom steuerpflichtigen Einkommen die Gewinne aus unternehmerischer Tätigkeit abzuziehen, die sie zur Bildung einer Altersrücklage verwenden, diesen Vorteil aber steuerpflichtigen Gemeinschaftsangehörigen verweigert, die zwar in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, aber im erstgenannten Mitgliedstaat ihre gesamten oder nahezu ihre gesamten Einkünfte erzielen, kann nicht durch den Umstand gerechtfertigt werden, daß die Rentenzahlungen, die der gebietsfremde Steuerpflichtige später aus der Altersrücklage bezieht, nicht in diesem Staat besteuert werden, sondern in dem Staat seines Wohnsitzes ° mit dem der erstgenannte Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat °, auch wenn es infolge der generellen Gewährung des Vorteils nicht möglich ist, innerhalb des im erstgenannten Staat geltenden Steuersystems eine genaue Übereinstimmung zwischen der Abzugsfähigkeit der Zuführungen zur Altersrücklage und der Steuerpflichtigkeit der Bezüge aus dieser Rücklage zu gewährleisten. Eine solche Diskriminierung verstößt demnach gegen Artikel 52 EG-Vertrag.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 52

 

Beteiligte

G. H. E. J. Wielockx

Inspecteur der directe Belastingen

 

Verfahrensgang

Gerechtshof te 's-Hertogenbosch (Niederlande)

 

Tatbestand

ARTIKEL 52 EG-VERTRAG - VERPFLICHTUNG ZUR GLEICHBEHANDLUNG - BESTEUERUNG DES EINKOMMENS VON GEBIETSFREMDEN

RECHTSSACHE C-80/94

G. H. E. J. WIELOCKX

GEGEN

INSPECTEUR DER DIRECTE BELASTINGEN.

ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: GERECHTSHOF 'S-HERTOGENBOSCH - NIEDERLANDE.

Urteil

1 Der Gerechtshof 's-Hertogenbosch hat mit Beschluß vom 16. Februar 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 2. März 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung des Artikels 52 EWG-Vertrag (nunmehr EG-Vertrag) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen G. H. E. J. Wielockx, einem in Belgien ansässigen belgischen Staatsangehörigen (im folgenden: Kläger), und dem Inspecteur der directe belastingen (im folgenden: Beklagter) wegen dessen Weigerung, das steuerpflichtige Einkommen des Klägers um die Zuführungen zur Altersrücklage zu vermindern.

3 Das niederländische Gesetz über die Einkommensteuer vom 16. Dezember 1964 (Wet op de inkomstenbelastingen, Staatsblad 519; im folgenden: Gesetz von 1964) definiert in seinem Artikel 1 "inländische Steuerpflichtige" als natürliche Personen, die im Königreich einen Wohnsitz haben, und im Gegensatz dazu "ausländische Steuerpflichtige" als natürliche Personen, die in den Niederlanden keinen Wohnsitz haben, aber dort Einkünfte erzielen.

4 Das Gesetz von 1964 wurde durch das Gesetz vom 16. November 1972 (Staatsblad 612) ergänzt, durch dessen Artikel 44d Absatz 1 eine steuerliche Altersrücklage zugunsten Selbständiger als freiwillige Regelung eingeführt wurde. Nach dieser Regelung können die Betroffenen einen Teil des Gewinns ihres Unternehmens für die Bildung einer Altersrücklage verwenden, die den Vorteil bietet, daß die in jedem Jahr angesparten Beträge im Unternehmen verbleiben.

5 Nach Artikel 3 Absatz 3 des Gesetzes von 1964 wird die Steuer bei inländischen Steuerpflichtigen auf das Einkommen erhoben, das aus dem Gewinn ihres Unternehmens stammt und das um die Zuführungen zur Altersrücklage vermindert und um die Bezüge aus dieser Rücklage erhöht wird. Der abzugsfähige Höchstbetrag der Zuführung zu einer Altersrücklage während eines Kalenderjahres wird um den Betrag der Prämien vermindert, die wegen der obligatorischen Beteiligung an einem Betriebsrentenfonds gezahlt werden.

6 Gemäß Artikel 44f Absatz 1 Buchstabe e des Gesetzes von 1964 wird diese Altersrücklage aufgelöst, wenn der Steuerpflichtige das 65. Lebensjahr vollendet. Sie wird dann als "Einkommen" angesehen und besteuert, wobei die Steuer entweder auf einmal auf den gesamten Kapitalbetrag oder zeitlich versetzt auf die aus diesem Kapital geleisteten Rentenzahlungen erhoben wird.

7 Nach den Artikeln 48 und 49 des Gesetzes von 1964 wird die Steuer bei ausländischen Steuerpflichtigen ausschließlich auf das "inländische steuerpflichtige Einkommen" erhoben, d. h. auf die gesamten, um die Verluste verminderten Einkünfte, die sie während eines Kalenderjahres im Gebiet der Niederlande erzielt haben. Die Altersrücklage gehört nicht zu den Beträgen, die gemäß Artikel 48 Absatz 3 des Gesetzes von 1964 von diesem Einkommen abgezogen werden können. Ein steuerrechtliches Ministerialrundschreiben sah als Korrektiv jedoch vor, daß der Abzug persönlicher Verpflichtungen und außergewöhnlicher Belastungen gestattet ist, wenn mindestens 90 % der Welteinkünfte des gebietsfremden Steuerpflichtigen der Einkommensteuer in den Niederlanden unterliegen. Die Altersrücklage wird von diesem Rundschreiben nicht erfasst.

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