Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstanschaffung der Wohnungseinrichtung jung verheirateter Eheleute; Keine außergewöhnliche Belastung; Gegenwerttheorie

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach die Aufwendungen jung verheirateter Eheleute zur Erstanschaffung ihrer Wohnungseinrichtung als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG nicht anzuerkennen sind, verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 09.04.1965; Aktenzeichen VI 23/65 S)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beschwerdeführer, die beide berufstätig sind, haben im Jahre 1960 geheiratet. Da sie von ihren Eltern keine Aussteuer oder Ausstattung erhielten, verwendeten sie im Jahre 1961 einen erheblichen Teil ihres Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit zur Anschaffung von Einrichtungsgegenständen. Im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1961 beantragten sie, diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des EinkommensteuergesetzesEStG – (§ 25 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung – LStDV –) zu berücksichtigen. Das Finanzamt lehnte dies ab. Das Finanzgericht (EFG 1965 S. 67) erkannte hingegen den größten Teil des geltend gemachten Betrages als außergewöhnliche Belastung an, weil die Beschwerdeführer durch die Anschaffung ihrer Einrichtung mehr belastet seien als andere Steuerpflichtige gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes. Auf die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts stellte der Bundesfinanzhof mit dem angefochtenen Urteil die Entscheidung des Finanzamts wieder her. Er führte im wesentlichen aus, eine außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG liege nicht vor, wenn ein Steuerpflichtiger für seine Aufwendungen einen Gegenwert erlange (sog. Gegenwerttheorie), wie dies bei der Einrichtung eines Hausstandes durch die Eheleute der Fall sei.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesfinanzhofs rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips und der Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GG. Im einzelnen machen sie geltend:

Mit der Entwicklung der sogenannten Gegenwerttheorie schaffe der Bundesfinanzhof unzulässigerweise durch Richterrecht einen neuen Steuertatbestand, denn das Tatbestandsmerkmal „Gegenwert” sei in § 33 EStG nicht enthalten. Im übrigen sei der Begriff „Gegenwert”, wie die uneinheitliche und auf den Einzelfall zugeschnittene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs deutlich mache, selbst nicht ausreichend bestimmbar, so daß eine darauf abstellende Auslegung des § 33 EStG die verfassungsrechtlichen Gebote der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Rechtssicherheit verletze.

Das Urteil verletze Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Bundesfinanzhof zwar die Aussteueraufwendungen von Brauteltern für ihre Tochter in gewissen Grenzen als außergewöhnliche Belastung anerkenne, dagegen nicht die von den jungen Eheleuten für die gleichen Zwecke gemachten Aufwendungen.

Dem Schutzgedanken des Art. 6 Abs. 1 GG widerspreche es, daß der Bundesfinanzhof die Gegenwerttheorie dazu verwende, die Steuervergünstigung des § 33 EStG gerade jung vermählten Ehepaaren vorzuenthalten. Dadurch würden alle Ehepaare, die keine begüterten Eltern hätten und sich deshalb die Wohnungseinrichtung selbst beschaffen müßten, erheblich benachteiligt. Mutmaßlicher und verfassungsgerechter Wille des Gesetzgebers sei es aber, mit Hilfe des § 33 EStG jungen Ehepaaren weitgehend zu helfen. Gegenüber der in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenen Wertentscheidung habe die Gegenwerttheorie zurückzutreten, wenn ihre Anwendung den geschützten Personenkreis von der Steuervergünstigung ausschließe.

Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. § 33 EStG bedürfe als sogenannte. Generalklausel in besonderem Maße der Auslegung. Der Bundesfinanzhof habe mit der von ihm entwickelten Gegenwerttheorie die der Rechtsprechung durch ihre Bindung an Gesetz und Recht gesetzte Grenze nicht überschritten. Der Gegenwertgedanke sei der Vorschrift immanent und bedürfe daher keiner zusätzlichen Erwähnung im Gesetzeswortlaut. Er diene dem legitimen Anliegen, Vermögensumschichtungen von der Steuerbegünstigung auszunehmen. Da für die Eltern der Braut die Hingabe einer Aussteuer verlorener Aufwand sei, jungen Eheleuten hingegen für die zur Anschaffung ihrer Wohnungseinrichtung verwendeten Einkommensteile ein Gegenwert zufließe, verstoße die unterschiedliche einkommensteuerrechtliche Behandlung beider Sachverhalte nicht gegen den Gleichheitssatz. Auch Art. 6 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Der Bundesfinanzhof habe die Ehe nicht zum Anknüpfungspunkt steuerlich nachteiliger Vorschriften gemacht. Andererseits könne unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 GG ein Anspruch auf steuerliche Begünstigung junger Ehen nicht hergeleitet werden. Hierzu bedürfe es eines konkreten Gesetzes.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 2 Abs. 1 GG, nur auf Grund solcher Rechtsvorschriften zur Steuer herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (BVerfGE 19, 206 [215]), ist durch die gerichtliche Versagung der beantragten Steuerermäßigung nicht verletzt.

a) Das in § 33 Abs. 1 EStG verwendete Tatbestandsmerkmal der „außergewöhnlichen Belastung” ist im einzelnen näher definiert und trotz einer noch verbleibenden Unbestimmtheit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar. Der Versuch, dem in § 33 EStG ausgedrückten Rechtsgedanken eine noch deutlichere Fassung zu geben, ist von der im Jahre 1958 gebildeten Einkommensteuerkommission nach eingehender Prüfung mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit der möglichen Sachverhalte als nicht durchfürbar bezeichnet worden (vgl. Bericht der Einkommensteuerkommission, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7, 1a S. 248). Bei dieser Sachlage ist somit von der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift auszugehen.

b) Gegen die vom Bundesfinanzhof bei der Auslegung des § 33 EStG in ständiger Rechtsprechung vertretene und dem angegriffenen Urteil zugrunde liegende sogenannte Gegenwerttheorie bestehen ebenfalls keine rechtsstaatlichen Bedenken. Sie stellt keine richterliche Neuschaffung oder Ausweitung eines gesetzlichen Steuertatbestandes dar (vgl. BVerfGE 13, 318 [328]); die an ihr orientierte Auslegung des § 33 EStG durchbricht deshalb die der Rechtsprechung durch ihre Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) gezogene verfassungsrechtliche Schranke nicht.

Die vom Bundesfinanzhof vertretene Gegenwertlehre läßt sich im wesentlichen dahin zusammenfassen, daß § 33 EStG nur bei gewissermaßen „verlorenem Aufwand” (vgl. Vangerow, StuWi 1965 Sp. 657) in Betracht kommt. Eine derartige Norm bedarf in besonderem Maße der inhaltlichen Klärung, die eine legitime Aufgabe der oberen Bundesgerichte ist (vgl. BVerfGE 18, 224, [237]). Die Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale durch allgemeine Richtlinien in der Rechtsprechung dient der Rechtssicherheit und der Steuergleichheit. Sie begegnet auch auf dem Gebiet des Steuerrechts grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfGE 13, 153 [162]; 13, 318 [328]; 18, 224 [237]). Das Rechtsstaatsprinzip wird auch nicht dadurch verletzt, daß die Anwendung der Gegenwertlehre zu einer einschränkenden Auslegung des § 33 EStG führt.

Im übrigen ist der Gegenwertgedanke von der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon seit langem bei der Auslegung früherer Fassungen des § 33 EStG und seiner gesetzlichen Vorläufer angewendet worden (vgl. beispielsweise die zu § 56 EStG 1925 ergangenen Urteile des RFH vom 12. Januar 1927 [StuWi 1927 Sp. 453 Nr. 70] und vom 30. November 1927 [StuWi 1928 Bd. II Sp. 65 Nr. 36]), ohne daß der Gesetzgeber einen Anlaß gesehen hätte, bei den mehrfachen Änderungen der Vorschrift dieser Rechtsanwendung entgegenzutreten.

2. Es verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG), daß der Bundesfinanzhof die Aussteueraufwendungen der Eltern für ihre Tochter in gewissen Grenzen als außergewöhnliche Belastung anerkennt (vgl. die Grundsatzurteile vom 7. August 1959, BStBl 1959 III S. 383 und 385), die den Eheleuten selbst erwachsenen Einrichtungskosten dagegen nicht. Bei einer Auslegung des § 33 EStG, die auf erhaltene Gegenwerte abstellt, müssen die von Eltern für ihre Tochter und die von jungen Eheleuten für ihren eigenen Hausstand gemachten Aufwendungen nicht als rechtlich gleichartig angesehen werden. Die Eltern erhalten bei der Hingabe der Aussteuer keinen wirtschaftlichen Gegenwert, für sie sind die Aussteueraufwendungen „verlorener Aufwand”. Demgegenüber wächst den jung verheirateten Eheleuten in Höhe ihrer Aufwendungen regelmäßig ein Vermögenswert von Dauer zu. Die beiden Sachverhalte mögen bis zu einem gewissen Grade wirtschaftlich ähnlich sein; dies macht indessen eine sich rechtlich am Gegenwertgedanken orientierende, differenzierende Auslegung des § 33 EStG noch nicht willkürlich.

3. Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf einer gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßenden Gesetzesanwendung. Für einen Vergleich von Ehepaaren mit begüterten und unbegüterten Eltern untereinander gibt dieses Grundrecht keinen Prüfungsmaßstab ab (BVerfGE 9, 237 [242]). Das in ihm enthaltene Verbot, Ehegatten gegenüber Ledigen steuerlich zu benachteiligen (BVerfGE 13, 290 [299]), ist nicht verletzt. Der Bundesfinanzhof wendet den Gegenwertgedanken ohne Unterschied des jeweiligen Familienstands des Steuerpflichtigen gleichmäßig an. Die darauf zurückzuführende Nichtanerkennung der Einrichtungskosten junger Eheleute als außergewöhnliche Belastung ist daher nicht Ausdruck einer die Ehe selbst benachteiligenden Sonderbehandlung.

Der Gegenwertgedanke hat auch nicht gegenüber der sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden Verpflichtung des Staates, die Ehe durch geeignete Maßnahmen zu fördern (BVerfGE 6, 55, [76]), zurückzutreten. Grundsätzlich kann der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz der Ehe verwirklichen will. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Forderung gerade mit steuerlichen Mitteln erfolgen soll, ist eine weitgehend dem Ermessen des Gesetzgebers anheimgegebene Entscheidung.

 

Fundstellen

BStBl III 1967, 106

BVerfGE 21, 1

BVerfGE, 1

NJW 1967, 197

MDR 1967, 189

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