Entscheidungsstichwort (Thema)

Ergänzungsbescheid betreffend die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung

 

Leitsatz (NV)

Die in einem Gewinnfeststellungsbescheid unterbliebene Aussage zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung kann in einem Ergänzungsbescheid nachgeholt werden.

 

Normenkette

AO 1977 § 179 Abs. 1, 3, § 180 Abs. 1 Nr. 2a; AO §§ 213, 215 Abs. 2, § 216 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war als Kommanditistin und der inzwischen verstorbene H als Komplementär an der H & Co. KG (KG) beteiligt, die im Jahre 1974, nachdem die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt worden war, eingestellt wurde. Mit Bescheiden vom 25. September 1975 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die gewerblichen Einkünfte der KG für 1972 auf ./. 303 883 DM und für 1973 auf ./. 488 976 DM fest. Angaben hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung wurden in diesen Bescheiden nicht gemacht.

Am 22. Juli 1976 erließ das FA Ergänzungsbescheide, nach denen die Verluste der Kalenderjahre 1972 und 1973 nicht aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden seien. Das FA führte zur Begründung an, daß nach den Tz.18 und 19 des Betriebsprüfungsberichts vom 6. September 1973 die Buchführung 1967 bis 1971 und auch in den Vorjahren nicht ordnungsmäßig gewesen sei. Es gehe davon aus, daß die Mängel, die 1967 bis 1971 zur Verneinung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung geführt hätten, auch in den Jahren 1972 und 1973 vorgelegen hätten.

Dagegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch, den das FA zurückwies, und der Klage. Das Finanzgericht (FG) beauftragte einen Beamten des Gerichts mit der Prüfung, ob die Buchführung der KG für die Jahre 1972 und 1973 ordnungsgemäß war. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, daß dies nicht der Fall war. Das FG wies die Klage als unbegründet zurück. Zur Begründung führt das FG aus:

Das FA habe die Feststellung, daß die Buchführung in den Streitjahren nicht ordnungsgemäß gewesen sei, gemäß § 216 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) nachholen können. Dafür hätten nicht die Voraussetzungen des § 222 AO gegeben sein müssen, weil die Ergänzung eines Gewinnfeststellungsbescheids gemäß § 216 Abs. 2 AO keine Änderung des Feststellungsbescheids darstelle.

Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß wesentliche Buchführungsunterlagen (Buchungsjournale für 1972 und 1973, die Lieferanten-Personenkonten 1972 sowie die Bestandsaufnahmen der Baumaterialien, Treibstoffe und halbfertigen Bauten zum 31. Dezember 1971 und 1972) nicht vorhanden seien. Eine Buchführung sei aber nur ordnungsgemäß, wenn die Ordnungsmäßigkeit innerhalb der Aufbewahrungsfrist (§ 162 Abs. 8 AO) anhand der ursprünglichen Buchungsunterlagen nachgeprüft werden könne. Auf ein Verschulden komme es nicht an, Billigkeitsgesichtspunkte (§ 131 AO) könnten möglicherweise zur Berücksichtigung des Verlustvortrags, nicht aber zur Aufhebung der Feststellung über die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung führen.

Ob das FA seine Feststellung zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung auf Vermutungen gegründet habe, sei unerheblich; die Feststellung selbst sei jedenfalls zutreffend.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das FG habe die mit Schreiben vom 11. Juni 1982 beantragte Vernehmung des ehemaligen Prokuristen der KG nicht durchgeführt. Er habe wertvolle Auskünfte über den Stand des Gesamtrechnungswesens geben können.

Das FG habe § 210 Abs. 1 AO nicht ausreichend gewürdigt. Vor Erlaß eines Ergänzungsbescheids habe das FA Ermittlungen anstellen müssen. Das sei nicht geschehen. Die Nachschauen vom 11. und 12. Februar und vom 21. und 26. Juli 1976 hätten anderen Zwecken gedient. Die Berichte hätten nichts über die Vollständigkeit der Inventur-Unterlagen und/oder Bestandsaufnahmen ausgeführt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 1977 und den Ergänzungsbescheid vom 22. Juni 1976 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Ergänzungsbescheid vom 22. Juli 1976 ist rechtmäßig (§ 216 Abs. 2 AO; § 179 Abs. 3 der Abgabenordnung - AO 1977 -).

Die in den Gewinnfeststellungsbescheiden (§§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977; §§ 213, 215 Abs. 2 AO) nach den Feststellungen des FG unterbliebene Aussage zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung konnte in einem Ergänzungsbescheid nachgeholt werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Dezember 1978 VIII R 10/76, BFHE 127, 119, BStBl II 1979, 440; vom 1. Juli 1982 IV R 211/81, nicht veröffentlicht - NV -), denn die Gewinnfeststellungsbescheide waren insoweit lückenhaft. Die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung hätte im Rahmen der Gewinnfeststellung vorgenommen werden müssen (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1981 I R 115/78, BFHE 135, 1, BStBl II 1982, 485).

Der Ergänzungsbescheid ist seiner Art nach ein Feststellungsbescheid gemäß §§ 213 Abs. 2, 215 AO (§§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977) und kann wie dieser selbständig angefochten werden (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1972 VIII R 4/72, BFHE 108, 315, BStBl II 1973, 387).

Das FA hat möglicherweise einen Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem Erlaß des streitigen Bescheids begangen. Dieser Fehler führt aber nicht zur Aufhebung des Bescheids (§ 127 AO 1977; § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

§ 210 Abs. 1 AO ist zwar durch den Bescheid nicht unmittelbar verletzt, denn er hat keine Steuerfestsetzung zum Inhalt. Aber selbst wenn auf ihn § 210 Abs. 1 i.V.m. § 204 AO in entsprechender Weise angewendet würde, führte die mangelnde Sachaufklärung weder zur Unwirksamkeit des Bescheids (Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 210 AO Rdnr.1; Hübschmann / Hepp / Spitaler, Reichsabgabenordnung, § 210 Rdnr.5) noch zu seiner Aufhebung, wenn sich herausstellt, daß er objektiv inhaltlich richtig ist (§ 127 AO 1977; zur Anwendbarkeit der AO 1977 BFH-Urteil vom 2. Juli 1980 I R 74/77, BFHE 131, 180, BStBl II 1980, 684).

Eine fehlende oder unzureichende Ermittlung ist nicht vergleichbar mit rechtswidrigen Ermittlungen, deren Ergebnisse nicht verwertet werden dürfen, z. B. im Fall einer Außenprüfung, deren Anordnung als rechtswidrig aufgehoben wurde (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 1973 V R 64/72, BFHE 109, 500, BStBl II 1973, 716).

Entgegen der Auffassung der Revision war es dem FG nicht verwehrt, durch eigene Ermittlungen - hier durch einen Prüfer des FG - Feststellungen zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu treffen (§ 76 Abs. 1, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO; vgl. auch BFH-Urteil vom 22. September 1983 IV R 109/83, BFHE 140, 132, BStBl II 1984, 342). Sie haben ergeben, daß die Buchführung der KG in den Streitjahren 1972 und 1973 nicht ordnungsmäßig war und der streitige Bescheid vom 22. Juli 1976 mithin sachlich richtig ist.

Dem Prüfer des FG konnten wesentliche Teile der Buchführung innerhalb der Frist des § 162 Abs. 8 AO i.v.m. Art. 97 § 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 - (§ 147 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 AO 1977) nicht vorgelegt werden. Danach war die Buchführung der KG nicht ordnungsgemäß (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 1964 IV 275/60, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1966, 30), was von der Revision auch nicht bestritten wird.

Das FG hat schließlich zu Recht Billigkeitsmaßnahmen (§ 131 Abs. 1 AO) in diesem Zusammenhang abgelehnt. Können Buchführungsunterlagen aus Gründen, die der Steuerpflichtige nicht zu vertreten hat, nicht vorgelegt werden, so kann das FA Steuervorteile, die an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung geknüpft sind, aus Billigkeitsgründen gleichwohl gewähren. Die Billigkeitsmaßnahme besteht dann aber nicht in der Erklärung, daß die Buchführung ordnungsgemäß sei, sondern in der Gewährung des Steuervorteils (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1974 I R 189/72, BFHE 113, 120, BStBl II 1974, 728).

Mit der Rüge der mangelnden Sachaufklärung (§ 76 FGO) kann die Klägerin nicht gehört werden; sie hat die Tatsachen nicht hinreichend bezeichnet, die den Verfahrensmangel ergeben (§ 120 Abs. 2 FGO). Dazu hätte es konkreter Ausführungen dazu bedurft, weshalb das finanzgerichtliche Urteil auf der Unterlassung der Vernehmung des Prokuristen beruhen kann. Er sollte Aussagen machen zum ,,Stand des Gesamtrechnungswesens". Darauf kommt es aber nach der Begründung des finanzgerichtlichen Urteils nicht an.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416736

BFH/NV 1990, 480

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