Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Feststellung des zu versteuernden Einkommens

 

Leitsatz (NV)

1. Ein nach dem KStG 1977 ergehender Körperschaftsteuerbescheid enthält in der Regel mehrere, verfahrensrechtlich selbständig zu beurteilende Streitgegenstände.

2. Beträgt die festgestellte Tarifbelastung 0, so wirkt sich die Feststellung eines zu hohen (zu versteuernden) Einkommens im Rahmen des Feststellungsbescheides nach § 47 KStG belastend aus.

3. Bei Feststellung des (zu versteuernden) Einkommens ist ein Verlustvortrag zu berücksichtigen.

4. Eine Erweiterung des Revisionsantrages nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist ist unzulässig, wenn die Erweiterung von der Revisionsbegründung nicht gedeckt ist.

 

Normenkette

FGO § 40 Abs. 2; KStG § 47

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die im Streitfall für die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer vereinbarten Gewinntantiemen in Höhe von jeweils 25% des Jahresüberschusses ohne Berücksichtigung von Vorjahresverlusten verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sind.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Gesellschaftsanteile zu jeweils 50% von Herrn A und Frau B gehalten werden. Beide Gesellschafter waren zu Geschäftsführern bestellt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1987 wurden am 6. Januar 1987 die Geschäftsführeranstellungsverträge geändert. Danach sollte jeder der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer, die im übrigen ein unterschiedlich hohes Fixgehalt erhielten, eine Jahrestantieme in Höhe von 25% des jeweiligen Jahresüberschusses der Klägerin (vor Abzug von ertragsabhängigen Steuern und der ertragsabhängigen Tantieme) erhalten. Nach Berücksichtigung von Rückstellungen für diese Gewinntantiemen in Höhe von 16260 DM betrug der steuerliche Gewinn der Klägerin für 1987 noch 16255 DM. Aus den Vorjahren stand der Klägerin 1987 noch ein Verlustvortrag in Höhe von 33355 DM zur Verfügung.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in den Zusagen von Gewinntantiemen verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und erhöhte das Einkommen der Klägerin für 1987 um 16160 DM auf 32515 DM. Nach Abzug des Verlustvortrages ergab sich ein Einkommen von 0 DM. Die Körperschaftsteuer setzte das FA demgemäß auf 0 DM fest. Das Einkommen gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 KStG stellte das FA mit 32515 DM und die Tarifbelastung mit 0 DM fest. Einspruch und Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1987 blieben erfolglos. Auch das Finanzgericht (FG) bejahte eine verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet, weil das Einkommen der Klägerin im Körperschaftsteuerbescheid zumindest in Höhe des Klage- und Revisionsantrages zu hoch festgestellt worden ist.

Auf die Frage, ob die vereinbarte Gewinntantieme eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist, kommt es im Streitfall nicht an. Der Senat ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden, da die Klägerin im Revisionsverfahren die Verletzung materiellen Rechts rügt (§ 118 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Klägerin wendet sich im Klage- und Revisionsverfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1987 vom 15. September 1989 insoweit, als bei der Ermittlung des Gewinns die Rückstellungen für Tantiemen als verdeckte Gewinnausschüttungen vom FA angesetzt worden sind. Unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags, der Sach- und Gesetzeslage wendet sie sich damit (nur) gegen die fingierte Feststellung des Einkommens im Körperschaftsteuerbescheid.

Die Auslegung des Klagebegehrens gehört, wie die Auslegung jeder Prozeßerklärung, zu den Aufgaben des Revisionsgerichts. Die Feststellung des Inhalts von Prozeßerklärungen gehört nicht zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Rdnr. 36 m.w.N.).

Der Körperschaftsteuerbescheid vom 15. September 1989 enthält drei gesonderte Verwaltungsakte:

- die Festsetzung der Körperschaftsteuer auf 0 DM

- die fingierte Feststellung des Einkommens auf 32515 DM

- die fingierte Feststellung der Tarifbelastung mit 0 DM

(vgl.Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. März 1989 I R 105/88, BFHE 157, 72, BStBl II 1989, 741). Dem Vortrag der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren ist nicht zu entnehmen, daß diese sich gegen die Festsetzung der Körperschaftsteuerschuld auf 0 DM wendet. Eine sich hiergegen richtende Anfechtungsklage wäre auch mangels Beschwer i.S. des § 40 Abs. 2 FGO unzulässig, da die Klägerin mangels tatsächlich 1987 abgeflossener anderer Ausschüttungen auch keine Körperschaftsteuerminderung i.S. des § 27 Abs. 1 KStG bzw.keinen entsprechenden Körperschaftsteuererstattungsanspruch geltend macht. Ein solches Begehren kann daher auch im Wege der Auslegung des Klagebegehrens nicht ermittelt werden. Demgemäß hat die Klägerin in ihrer Klageschrift auch (nur) beantragt, das Einkommen entsprechend der eingereichten Erklärung mit 16255 DM festzustellen.

2. Das Einkommen ist im angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid zu hoch festgestellt worden.

a) Eine Klage, die sich gegen ein zu hoch festgestelltes Einkommen mit einer Tarifbelastung von 0 DM richtet, ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin durch eine solche Feststellung beschwert i.S. des § 40 Abs. 2 FGO.

Vermögensmehrungen, die der Körperschaftsteuer nicht unterliegen und die auch nicht unter § 30 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 KStG einzuordnen sind, sind dem EK 02 zuzuordnen (vgl. § 30 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 KStG). Nach der Verwendungsfiktion des § 28 Abs. 3 Satz 2 KStG versperrt - zumindest zeitweise - ein positiver Betrag im EK 02, der bei Ausschüttung zur Körperschaftsteuererhöhung nach § 27 Abs. 1 KStG führt, die Möglichkeit, aus dem positiven EK 04 ohne Körperschaftsteuererhöhung auszuschütten (§ 40 Nr. 1 KStG; vgl. auch § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

b) Das Einkommen i.S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 KStG beträgt unter Berücksichtigung der Verlustvorträge im Streitfall 0 DM.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 KStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gilt der Körperschaftsteuerbescheid, soweit er die Höhe des Einkommens oder der Tarifbelastung betrifft, als Grundlagenbescheid für den Festsellungsbescheid nach § 47 Abs. 1 KStG. Unter Einkommen i.S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 KStG kann entweder das Einkommen i.S. des § 8 Abs. 1 KStG oder das zu versteuernde Einkommen i.S. des § 23 Abs. 1 KStG (so jetzt § 47 Abs. 2 Nr. 1a KStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 - StÄndG - vom 25. Februar 1992, BStBl I 1992, 146) verstanden werden. Für ein anderes Begriffsverständnis fehlt es an der notwendigen Rechtsgrundlage. Die Annahme in Abschn. 103a Abs. 1 Satz 4 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1985 (KStR 1985), unter Einkommen i.S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 KStG sei das Einkommen vor Verlustabzug zu verstehen, widerspricht daher § 7 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10d EStG (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1991 I R 57/90, BFH/NV 1992, 200; BFH-Urteil vom 5. Februar 1992 I R 127/90, BFHE 166, 356, BStBl II 1992, 532). Die noch im Streitjahr von der Finanzverwaltung vertretene gegenteilige Auffassung würde nach der Gesetzessystematik zu einem doppelten Zugang in Höhe der Verlustvorträge beim EK 02 führen. Zum einen würde der im Körperschaftsteuerbescheid bindend als Einkommen festgestellte Betrag als Zugang beim EK 02 erfaßt werden. Zum anderen sieht § 33 Abs. 2 Satz 1 KStG jedoch als zusätzliche Sonderregelung für das Feststellungsverfahren im Verlustabzugsjahr vor, daß dem EK 02 die in späteren Veranlagungszeiträumen abgezogenen Verluste hinzugerechnet werden. Die Gesetzessystematik verdeutlicht daher, daß unter dem Einkommen i.S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 KStG nur das Einkommen nach Abzug von Verlustvorträgen verstanden werden kann.

c) Dem Senat ist allerdings eine Feststellung des Einkommens mit 0 DM versagt. Die Klägerin hat sowohl im Klage- wie im Revisionsverfahren nur eine Herabsetzung in Höhe der angenommenen verdeckten Gewinnausschüttungen begehrt (vgl. zur Bindung an den Antrag z.B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 118 FGO, Tz. 64). Die Rechtsfrage, inwieweit im Revisionsverfahren noch eine Erweiterung des Revisionsantrages möglich wäre, ist strittig. Es entspricht jedoch allgemeiner Meinung, daß eine Erweiterung nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist jedenfalls dann unzulässig ist, wenn die Erweiterung von der Revisionsbegründung nicht mehr gedeckt ist (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 1966 V 167/62, BFHE 86, 563, BStBl III 1966, 627; BFH-Urteil vom 26. November 1986 II R 32/83, BFHE 148, 180, BStBl II 1987, 101, Tipke/Kruse, a.a.O., 14. Aufl., § 120 FGO Tz. 51; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rdnr. 30). Dies trifft für den Streitfall zu. Die Klägerin hat sich ausdrücklich nur gegen die Berücksichtigung der verdeckten Gewinnausschüttungen in Höhe von 16260 DM gewendet. Die Verlustvorträge erfassen aber auch den von der Klägerin selbst erklärten Gewinn.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418644

BFH/NV 1994, 579

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