Entscheidungsstichwort (Thema)

Außergewöhnliche Belastungen infolge Tod des Ehemannes -- auch bei Zusammenveranlagung keine Einheitsbetrachtung

 

Leitsatz (NV)

1. Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen infolge eines Todesfalles erwachsen, sind keine außergewöhnlichen Belastungen, wenn sie von dem Steuerpflichtigen aus dem ihm als Erben zugefallenen Nachlaß bestritten werden können oder durch sonstige ihm im Zusammenhang mit dem Tod zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind (st. Rspr.).

2. Auch bei einer Zusammenveranlagung von Erbe und Erblasser ist für Aufwendungen, die für den Erblasser außergewöhnliche Belastungen dargestellt hätten, jedoch seinem Erben erwachsen sind und von ihm aus dem Nachlaß bestritten werden können, kein Abzugsbetrag nach § 33 EStG zu gewähren.

 

Normenkette

EStG § 26 Abs. 1, §§ 26b, 33 Abs. 1-2; FGO § 56

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) machte in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (1989 und 1991) als außergewöhnliche Belastungen u. a. Kreditkosten geltend. Das diesen Aufwendungen zugrundeliegende Darlehen ist in Anspruch genommen worden, um das den Eheleuten gehörende Wohnhaus für den Ehemann der Klägerin, der an den Folgen eines Schlaganfalls litt, behindertengerecht umzubauen (Errichtung eines Bades und Schlafraums im Erdgeschoß, Einbau einer Sprechanlage). Im April 1989 ist der Ehemann der Klägerin verstorben; die Klägerin ist seine Erbin.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) will die Darlehenszinsen nur bei der Zusammenveranlagung der Eheleute für das Streitjahr 1989 berücksichtigen, und zwar auch nur insofern, als sie auf die Zeit bis zum Tod des Ehemannes der Klägerin entfallen. Im übrigen handle es sich um steuerlich nicht zu berücksichtigende Nachlaßverbindlichkeiten.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Gegen das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 1107 veröffentlichte Urteil richtet sich die vom Finanzgericht (FG) zugelassene Revision.

Mit der Revisionsbegründung, für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wird, trägt die Klägerin sinngemäß vor, es sei vom Steuergesetzgeber nicht gewollt, daß der Tod Dinge, die in der Person eines zusammenveranlagten Ehegatten begründet liegen, steuerlich ungeschehen mache. Allerdings werde der Nachlaß grundsätzlich auf die Belastung des Überlebenden angerechnet; eine gleiche Verfahrensweise bei krankheitsbedingten Kosten komme aber nicht in Betracht. Zudem sei eine außergewöhnliche Belastung der Klägerin als Miteigentümerin des umgebauten Hauses in ihrer eigenen Person gegeben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben, soweit es die Einkommensteuerbescheide 1989 und 1991 betrifft, und die außergewöhnlichen Belastungen zu berücksichtigen, die ihrem Ehemann erwachsen sind.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Klägerin ist nach § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Revisionsbegründungsfrist zu gewähren. Denn ihr Prozeßbevollmächtigter hat durch Vorlage eines Auszuges aus seinem Postausgangsbuch und aus dem Fristenkontrollbuch, in dem ein mit den dortigen Eintragungen übereinstimmender Erledigungsvermerk enthalten ist, glaubhaft gemacht, daß die Revisionsbegründung rechtzeitig an den Bundesfinanzhof (BFH) abgesandt worden ist; er hat zugleich die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nachgeholt.

2. Der Revisionsantrag ist dahin auszulegen, daß die Klägerin im Revisionsverfahren nur noch ihr Begehren weiterverfolgt, die Kreditkosten für den behindertengerechten Umbau ihres Hauses als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Die Frage der Abgeltung der Pflegekosten durch den Behinderten-Pauschbetrag nach § 33 b des Einkommensteuergesetzes (EStG), die die Klägerin mit der u. a. wegen des Jahres 1989 eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde stellt, ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

3. Die Revision ist nicht begründet (§ 126 Abs. 2 FGO). Die der Klägerin entstandenen Kreditkosten sind keine außergewöhnlichen Belastungen i. S. des § 33 Abs. 1 EStG.

a) In tatsächlicher Hinsicht entnimmt der erkennende Senat dem Urteil des FG, daß die von der Klägerin getragenen Zinsschulden auf einem von ihrem Ehemann abgeschlossenen Darlehensvertrag beruhen. Sie rühren also von ihrem Ehemann her, den die Klägerin beerbt hat, und stellen deshalb nach § 1967 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Nachlaßverbindlichkeiten dar.

Diese vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind von der Revision nicht angegriffen worden und binden deshalb den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Klägerin hat im übrigen einen anderen Sachverhalt auch nicht substantiiert dargelegt, sondern geht auch in ihrem Revisionsantrag selbst davon aus, daß die strittigen Kreditkosten auf von ihrem Ehemann ererbten Verbindlichkeiten beruhen; daß die Klägerin Miteigentümerin des umgebauten Hauses war, wie die Revision geltend macht, läßt auf ihre unmittelbare Beteiligung an der Finanzierung der Umbaumaßnahmen nicht schließen.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH können Aufwendungen aufgrund von Nachlaßverbindlichkeiten nur unter besonderen Umständen außergewöhnliche Belastungen darstellen.

aa) § 33 Abs. 1 EStG gestattet eine Ermäßigung der Einkommensteuer um größere Aufwendungen, als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen, nur dann, wenn die betreffenden Aufwendungen für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sind. Bei Nachlaßverbindlichkeiten, die der Steuerpflichtige als Erbe begleichen muß, fehlt es im allgemeinen schon an diesem Merkmal der Zwangsläufigkeit, das nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG voraussetzt, daß sich der Steuerpflichtige den fraglichen Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Der Steuerpflichtige kann jedoch Aufwendungen für die Begleichung von Nachlaßverbindlichkeiten im allgemeinen ohne weiteres vermeiden, indem er die Erbschaft ausschlägt (§§ 1942, 1953 BGB; BFH-Urteile vom 24. Juli 1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBl II 1987, 715, m. N., und vom 27. März 1958 VI 290/57 U, BFHE 67, 44, BStBl III 1958, 290). Er ist weder rechtlich noch tatsächlich und in der Regel auch nicht aus sittlichen Gründen gezwungen, das Erbe anzutreten.

bb) Selbst wenn der Steuerpflichtige aus sittlichen Gründen gehindert ist, von seinem Recht auf Ausschlagung der Erbschaft Gebrauch zu machen, fehlt es an einer außergewöhnlichen Belastung durch Nachlaßverbindlichkeiten, wenn der Wert des dem Steuerpflichtigen zufallenden Erbes die Verbindlichkeiten übersteigt.

§ 33 EStG dient -- im wesentlichen in Ergänzung zu § 10 und § 32 a Abs. 1 EStG -- dazu, sicherzustellen, daß die Besteuerung erst jenseits des Existenzminimums einsetzt. Die Vorschrift will Fällen Rechnung tragen, in denen das Existenzminimum höher als im Normalfall liegt (vgl. Borggreve in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 33 EStG, Rdnr. 1, m. w. N.). Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen infolge eines Todesfalles erwachsen -- z. B. auch die Kosten der Beerdigung eines Angehörigen (Urteile des Senats vom 19. Oktober 1990 III R 93/87, BFHE 162, 326, BStBl II 1991, 140, und vom 17. Juni 1994 III R 42/93, BFHE 174, 547, BStBl II 1994, 754) --, sind deshalb -- selbst wenn sie an sich die Voraussetzungen der Außergewöhnlichkeit und der Zwangsläufigkeit erfüllen -- von der Rechtsprechung des BFH nur dann als außergewöhnliche Belastungen anerkannt worden, wenn sie von dem Steuerpflichtigen nicht aus dem ihm als Erben zugefallenen Nachlaß bestritten werden können und nicht durch sonstige ihm im Zusammenhang mit dem Tod zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind (vgl. BFH-Urteile vom 23. November 1967 IV R 143/67, BFHE 91, 149, BStBl II 1968, 259, und vom 11. Mai 1979 VI R 37/76, BFHE 128, 64, BStBl II 1979, 558 sowie Urteile des Senats in BFHE 162, 326, BStBl II 1991, 140, und vom 22. Februar 1996 III R 7/94, BStBl 1996 II, 413). Denn werden die dem Steuerpflichtigen erwachsenden Aufwendungen durch eine mit ihnen unmittelbar zusammenhängende Mehrung seiner Leistungsfähigkeit ausgeglichen, fehlt es im Ergebnis an einer Belastung, welche die Gewährung eines steuerlichen Abzugsbetrages nach § 33 EStG rechtfertigen würde.

cc) Dieser Grundsatz gilt entgegen der Auffassung der Revision auch bei vom Ehepartner des Steuerpflichtigen herrührenden Nachlaßverbindlichkeiten und unabhängig davon, ob jenem ein Abzugsbetrag nach § 33 EStG zu gewähren gewesen wäre, ihm also durch die betreffenden Aufwendungen außergewöhnliche Belastungen erwachsen wären, die seine Leistungsfähigkeit gemindert hätten. Er gilt auch bei krankheitsbedingten Aufwendungen. Er gilt schließlich auch dann, wenn ein solcher Abzugsbetrag wegen Zusammenveranlagung des Steuerpflichtigen mit dem Erblasser jenem einen steuerlichen Vorteil gebracht hätte oder er ihm zumindest mittelbar zugute gekommen wäre, weil er mit dem Erblasser in einer ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft zusammenlebte. Denn all dies sind Umstände, die eine Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit des Erben, der die ihm durch den Tod zugewachsenen Verbindlichkeiten aus dem Nachlaß bestreiten kann, nicht bewirken.

dd) Für Aufwendungen, die für den Erblasser außergewöhnliche Belastungen dargestellt hätten, jedoch seinem Erben erwachsen sind und von ihm aus dem Nachlaß bestritten werden können, ist auch bei einer Zusammenveranlagung von Erbe und Erblasser kein Abzugsbetrag nach § 33 EStG zu gewähren. Aus §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 26 b EStG läßt sich nichts anderes herleiten.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG kann eine Zusammenveranlagung durchgeführt werden, wenn ihre Voraussetzungen am Beginn des Veranlagungszeitraums vorliegen. Diese Vorschrift, die in einem inneren Zusammenhang mit § 2 Abs. 7 Satz 1 und 2 EStG steht, will u. a. eine Schonung des Steuerpflichtigen im Todesjahr seines Ehegatten bewirken, indem sie ihm die Vorteile einer Zusammenveranlagung für das ganze Todesjahr ungeschmälert erhält.

Die Zusammenveranlagung hat jedoch nach § 26 b EStG nur zur Folge, daß die Ehegatten nach Ermittlung und Zusammenrechnung ihrer Einkünfte gemeinsam als Steuerpflichtige behandelt werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist. Aus dieser vom Gesetz vorgesehenen Einheit der Ehegatten ist zwar u. a. für den Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen gefolgert worden (vgl. statt aller Söhn in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 Anm. B 122), daß es insoweit gleichgültig ist, wer von beiden Ehegatten den abziehbaren Aufwand schuldet und/oder tatsächlich geleistet hat (BFH- Urteil vom 22. März 1967 VI R 300/66, BFHE 89, 69, BStBl III 1967, 596). Eine dahin gehende Einheitsbetrachtung führt jedoch nicht dazu, daß auch nach dem Tode eines Ehegatten erwachsende Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen bei einer Zusammenveranlagung geltend gemacht werden könnten, obwohl sie an sich für den Überlebenden eine solche Belastung nicht darstellen.

ee) Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt, daß die Klägerin in den beiden Streitjahren infolge der Kreditkosten keine außergewöhnlichen Belastungen zu tragen hatte.

Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin zur Annahme der Erbschaft sittlich verpflichtet war; denn selbst wenn man das bejaht und es deshalb an der Zwangsläufigkeit der von der Klägerin getragenen Kosten nicht fehlt, wäre eine (außergewöhnliche) Belastung der Klägerin nicht gegeben. Das FG hat für den Senat bindend festgestellt, daß die Klägerin die Darlehenszinsen aus dem Nachlaß ihres Ehemannes bestreiten konnte. Dann ist jedoch ihre steuerliche Leistungsfähigkeit infolge des Anfalls des Nachlasses ihres Ehemannes per Saldo nicht gemindert und ein steuerlicher Abzugsbetrag nach § 33 EStG daher nicht zu gewähren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65915

BFH/NV 1996, 807

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