Entscheidungsstichwort (Thema)

(Erbbauzinsen: keine Anschaffungskosten des Grund und Bodens, Abzug als Vorkosten, keine dauernde Last - Erschließungskosten des Erbbauberechtigten - Entstehen von Aufwendungen i.S. von § 10e Abs.6 EStG)

 

Leitsatz (amtlich)

Erbbauzinsen sind nicht als Anschaffungskosten des Grund und Bodens nach § 10e Abs.1 EStG begünstigt. Sie sind als Vorkosten nach § 10e Abs.6 EStG abziehbar, soweit sie wirtschaftlich den Zeitraum vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken betreffen.

 

Orientierungssatz

1. Vom Erbbauberechtigten übernommene Erschließungskosten für das Erbbaugrundstück sind jedenfalls dann, wenn dieser das Erbbaurecht nicht vom Grundstückseigentümer, sondern von einem erbbauberechtigten Wohnungsunternehmen erwirbt, Anschaffungskosten des Erbbaurechts und als solche nicht nach § 10e EStG begünstigt. Sie sind nach § 10e Abs.6 EStG als Vorkosten abziehbar, soweit sie --verteilt auf die Laufzeit des Erbbaurechts-- auf den Zeitraum vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entfallen. Gleiches gilt für die übrigen Anschaffungskosten des Erbbaurechts (Grunderwerbsteuer, Notarkosten).

2. Erbbauzinsen können nicht als dauernde Last abgezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.1990 X R 43/89).

3. Aufwendungen sind i.S. von § 10e Abs.6 EStG entstanden, wenn sie wirtschaftlich auf den Zeitraum vor Bezug der Wohnung entfallen (vgl. BFH-Urteil vom 8.8.1994 X R 30/92).

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 10e Abs. 1, 6

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben durch notariellen Kaufvertrag vom 22. August 1988 von einer Wohnungsbaugesellschaft je zur Hälfte einen Miteigentumsanteil an dem Erbbaurecht, verbunden mit dem Sondererbbaurecht an der Wohnung Nr.4 eines von der Wohnungsbaugesellschaft noch zu errichtenden Reiheneinfamilienhauses. Eigentümer des Grundstücks war die Gemeinde.

Das Erbbaurecht läuft bis zum 31. Dezember 2059. Die Kläger hatten den Erbbauzins jährlich zum 1. Januar eines jeden Jahres im voraus zu zahlen, erstmals zum 1. des folgenden Monats nach Bezugsfertigkeit. Der Kaufpreis betrug lt. Vertrag 209 686 DM. Hierin waren 14 000 DM für die Erschließung des Grundstücks enthalten.

Das Gebäude wurde den Klägern am 30. Juni 1989 übergeben und am 24. Juli 1989 von ihnen bezogen.

In der Einkommensteuererklärung 1989 begehrten die Kläger einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1987. Dabei behandelten sie den Kaufpreis einschließlich der Erschließungskosten und die volle Grunderwerbsteuer als Anschaffungskosten des Gebäudes und den Kapitalwert der Erbbauzinsen als Anschaffungskosten für den Grund und Boden.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte für den Abzugsbetrag nur die Anschaffungskosten des Gebäudes ohne Erschließungskosten und die Grunderwerbsteuer lediglich anteilig, soweit sie auf das Gebäude entfiel (218 729 DM x 5 v.H. = 10 937 DM). Der Einspruch der Kläger war erfolglos.

Mit der Klage beantragten die Kläger, die kapitalisierten Erbbauzinsen (40 139 DM) sowie die Erschließungskosten (14 000 DM) als Anschaffungskosten für den Grund und Boden zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG einzubeziehen, hilfsweise, die jährlich zu zahlenden Erbbauzinsen als dauernde Last zu berücksichtigen.

Das Finanzgericht (FG) gab dem Hauptantrag statt. Es führte aus: Der Subventionscharakter des § 10e Abs.1 EStG rechtfertige es, die Aufwendungen für ein Erbbaurecht den Anschaffungskosten für den Grund und Boden gleichzustellen. Der Erbbauberechtigte erlange zwar weder zivilrechtliches noch wirtschaftliches Eigentum am Grund und Boden; er sei aber --wenn er die Erbbauzinszahlung in einem einmaligen Betrag erbringe-- in einer dem Grundstückskäufer vergleichbaren Situation. Der Erbbauberechtigte sei daher nicht weniger förderungsbedürftig als der Grundstückskäufer. Es sei somit angemessen, die in einem Betrag zu entrichtende "Erbbauzinszahlung" wie Anschaffungskosten für den Grund und Boden zu behandeln. Bei jährlich zu zahlenden Erbbauzinsen sei ein "fiktiver kapitalisierter Erbbauzinsbetrag" zugrunde zu legen. Denn bei jährlicher Zahlung sei der Erbbauberechtigte einem Erwerber von Grund und Boden vergleichbar, der den Kaufpreis in Raten zahle oder das Grundstück "auf Leibrentenbasis" erwerbe. Da Erbbauzinsen trotz ihres rechtlichen Charakters als Nutzungsentgelt im Rahmen des § 10e EStG wie Anschaffungskosten für den Grund und Boden zu behandeln seien, teilten auch die Erschließungskosten als zusätzliches Nutzungsentgelt das rechtliche Schicksal der Erbbauzinsen und seien deshalb ebenfalls wie Anschaffungskosten für den Grund und Boden zu behandeln.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e Abs.1 EStG.

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Weder die Erbbauzinsen noch die Erschließungskosten für das Erbbaugrundstück noch andere einmalige Aufwendungen für den Erwerb des Erbbaurechts dürfen in die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG einbezogen werden.

§ 10e Abs.1 EStG begünstigt die Anschaffungs- und Herstellungskosten einer Wohnung im eigenen Haus oder einer eigenen Eigentumswohnung "zuzüglich der Hälfte der Anschaffungskosten für den dazugehörenden Grund und Boden".

a) Laufend zu zahlende Erbbauzinsen sind nach der Entscheidung des Senats vom 8. Juni 1994 X R 51/91, BFHE 175, 76, BStBl II 1994, 779) bereits begrifflich keine Anschaffungskosten.

Die Beurteilung des Erbbaurechtsverhältnisses als entgeltliches Dauernutzungsverhältnis gilt auch im Bereich der Wohnungsbauförderung nach § 10e EStG. Da die jährlich zu erbringenden Erbbauzinszahlungen Entgelt für die fortwährende Duldung der Grundstücksnutzung durch den Eigentümer sind, können sie weder Anschaffungskosten für den zum Haus oder zur Wohnung gehörenden Grund und Boden noch --den Anschaffungskosten des Grund und Bodens ggf. gleichzustellende (s.u. 1 c)-- Anschaffungskosten für ein Erbbaurecht sein.

b) Die von den Klägern als Teil des Kaufpreises gezahlten Erschließungskosten für das Grundstück sowie die einmaligen Aufwendungen für den Erwerb des Erbbaurechts (anteilige Grunderwerbsteuer und anteilige Notarkosten), sind Anschaffungskosten für das Erbbaurecht, soweit sie auf das Erbbaurecht und nicht auf das Gebäude entfallen. Nach der Beschlußempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BTDrucks 10/5208, S.40) sollte die Förderung der Anschaffungskosten des Grund und Bodens auch die Anschaffungskosten für ein Erbbaurecht umfassen. Im Gesetzeswortlaut kommt diese Auffassung aber nicht zum Ausdruck. Anschaffungskosten für den zur eigengenutzten Wohnung gehörenden Grund und Boden sind nur Aufwendungen zur Erlangung des Grundstückseigentums. Aufwendungen für den Erwerb eines --wenn auch verdinglichten-- Nutzungsrechts sind nicht begünstigt.

c) Aufwendungen für den Erwerb eines Erbbaurechts können auch nicht im Wege der Analogie den Anschaffungskosten für den Grund und Boden gleichgestellt werden. Eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes, die zu einer Analogie zugunsten der Kläger berechtigen würde, liegt nicht vor (BFH-Urteil in BFHE 175, 76, BStBl II 1994, 779).

2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

a) Die Aufwendungen für das Erbbaurecht (Erbbauzinsen, Erschließungskosten, andere einmalige Aufwendungen) sind --wie oben ausgeführt-- weder Anschaffungskosten der Wohnung noch Anschaffungskosten des Grund und Bodens und daher nicht nach § 10e Abs.1 EStG begünstigt. Die Erbbauzinsen können auch nicht --wie von den Klägern vor dem FG hilfsweise beantragt-- als dauernde Last abgezogen werden (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1990 X R 43/89, BFHE 162, 425, BStBl II 1991, 175).

b) Da die Aufwendungen unmittelbar mit der Anschaffung der Wohnung zusammenhängen, sind sie aber grundsätzlich nach § 10e Abs.6 EStG begünstigt. Vom Abzug als Vorkosten ausgeschlossen sind nur die --zur Bemessungsgrundlage des Abzugsbetrags nach § 10e Abs.1 EStG gehörenden-- Anschaffungskosten für die Wohnung im eigenen Haus, für die eigene Eigentumswohnung und für den dazugehörenden Grund und Boden.

Abziehbar sind die Aufwendungen für das Erbbaurecht, soweit sie vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstanden sind und soweit sie im Fall der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abgezogen werden könnten.

c) Aufwendungen sind i.S. von § 10e Abs.6 EStG entstanden, wenn sie wirtschaftlich auf den Zeitraum vor Bezug der Wohnung entfallen (BFH-Urteil vom 8. Juni 1994 X R 30/92, BFHE 174, 541). Erbbauzinsen sind daher nur insoweit als Vorkosten abziehbar, als sie die Nutzung des Grundstücks bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken abgelten.

d) Vom Erbbauberechtigten übernommene Erschließungskosten für das Erbbaugrundstück sind jedenfalls dann, wenn dieser --wie im Streitfall-- das Erbbaurecht nicht vom Grundstückseigentümer, sondern von einem erbbauberechtigten Wohnungsunternehmen erwirbt, Anschaffungskosten des Erbbaurechts (BFH-Urteile vom 23. November 1993 IX R 84/92, BFHE 173, 61, BStBl II 1994, 292; IX R 142/89, BFH/NV 1994, 314, und vom 27. Juli 1994 X R 97/92, BFHE ..., ...). Anschaffungskosten für ein Erbbaurecht dürfen aber --weil es sich bei dem Erbbaurecht um ein abnutzbares Wirtschaftsgut handelt-- nicht sofort, sondern nur verteilt auf dessen Laufzeit als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden --§ 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 EStG-- (BFH-Urteile vom 31. Januar 1964 VI 252/62 U, BFHE 78, 487, BStBl III 1964, 187; vom 22. Februar 1967 VI 295/65, BFHE 88, 285, BStBl III 1967, 417; in BFHE 173, 61, BStBl II 1994, 292, und in BFH/NV 1994, 314; Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 16. Dezember 1991, BStBl I 1991, 1011). Im Rahmen des Vorkostenabzugs nach § 10e Abs.6 EStG müssen die Erschließungskosten daher ebenfalls auf die Laufzeit des Erbbaurechts verteilt werden und dürfen nur insoweit abgezogen werden, als sie auf die Zeit vor Bezug der Wohnung entfallen.

e) Gleiches gilt für die übrigen --im Streitfall angefallenen-- Anschaffungskosten des Erbbaurechts (anteilige Grunderwerbsteuer sowie anteilige Notarkosten).

f) Da das finanzgerichtliche Urteil weder Feststellungen zur Höhe des für 1989 geschuldeten und gezahlten Erbbauzinses noch zum Beginn des Erbbaurechts enthält, kann der Senat die auf die Zeit vor Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entfallenden Erbbauzinsen und einmaligen Aufwendungen für das Erbbaurecht nicht ermitteln. Die Sache wird daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, daß zu den Anschaffungskosten des Erbbaurechts auch die von den Klägern im Einspruchsverfahren geltend gemachten, aber im Klageantrag nicht mehr erwähnten Aufwendungen für die anteilige Grunderwerbsteuer sowie die anteiligen Notargebühren gehören. Ferner sind die auf das Gebäude entfallenden, nach § 10e Abs.1 EStG begünstigten Notargebühren offensichtlich --weil zur Zeit der Abgabe der Einkommensteuererklärung noch nicht bekannt-- nicht in der Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag enthalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65210

BFH/NV 1994, 78

BStBl II 1995, 109

BFHE 175, 120

BFHE 1995, 120

BB 1994, 2137

BB 1995, 491

BB 1995, 491-493 (LT)

DB 1994, 2220 (L)

DStR 1994, 1647 (KT)

DStZ 1994, 745-746 (KT)

HFR 1995, 16-17 (LT)

StE 1994, 626-627 (K)

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