Leitsatz (amtlich)

Leistungsempfänger ist grundsätzlich derjenige, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist. Um Nachteile bei der Geltendmachung des Vorsteuerabzugsanspruchs --z.B. bei Auseinanderfallen von Leistungsempfänger und Rechnungsadressat-- zu vermeiden, muß insbesondere bei Leistungsvergabe durch Ehegatten klar vereinbart und durchgeführt werden, ob einer der Ehegatten oder die Ehegattengemeinschaft Leistungsempfänger ist.

 

Normenkette

UStG 1967 § 15 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1973 § 15 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

I. Im Jahr 1975 erwarben die (im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden) Kläger und Revisionskläger (Kläger) zum Miteigentum je zur Hälfte ein Grundstück, auf dem in den Streitjahren 1976 und 1977 ein im September 1977 bezugsfertiges Wohnhaus mit Praxisräumen erstellt wurde. Anschließend vermieteten die Kläger in Grundstücksgemeinschaft die neu errichteten Zahnarztpraxisräume zu einem monatlichen Mietpreis von 750 DM an den Kläger zu 1 (im folgenden: Ehemann).

In der Umsatzsteuererklärung 1976 machten die Kläger Vorsteuerbeträge in Höhe von 4 066,36 DM geltend, die auf den mit 32 v.H. des Bauvorhabens veranschlagten Praxisanteil entfielen (nach Maßgabe der Flächenverhältnisse). Im Zusammenhang mit dieser Steuererklärung erfolgte noch kein ausdrücklicher Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung (§ 4 Nr.12 a des Umsatzsteuergesetzes --UStG 1967--).

In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das dritte und vierte Kalendervierteljahr 1977 machten die Kläger ebenfalls anteilige Vorsteuerbeträge aus der Baumaßnahme geltend. Unter Berücksichtigung der Steuer auf die als steuerpflichtig erklärten Mietentgelte errechneten sie jeweils negative Umsatzsteuerbeträge.

Eine Umsatzsteuerprüfung bei der Grundstücksgemeinschaft der Kläger ergab, daß von den in den Jahren 1976 und 1977 ausgestellten Rechnungen lediglich 19 an die Eheleute gerichtet waren. Davon betrafen zwei Rechnungen den Erwerb des Grundstücks. Der Rest von insgesamt über 150 Rechnungen war an den Ehemann allein gerichtet. Der Architekt hatte den Bauantrag im Namen des Ehemanns gestellt, dieser selbst hatte als Bauherr den Antrag unterzeichnet. Die Korrespondenz mit dem Landratsamt hatte der Ehemann ausschließlich im eigenen Namen geführt. Die Vergabe der Aufträge an die Handwerker (z.B. der Werkvertrag über die Erd-, Beton-, Stahlbeton-, Maurer- und Kanalisationsarbeiten mit einer Vertragssumme von 190 000 DM an eine Firma X) war im Namen des Ehemanns erteilt worden. Eine zusätzliche Umsatzsteuernachschau bei Auftragnehmern ergab, daß vier der Firmen, deren Rechnungen auf die Eheleute lauteten, die Rechnungsdurchschriften nur auf den Ehemann ausgestellt hatten (u.a. X). Bei einigen Originalrechnungen, die auf den Namen beider Kläger lauteten, war neben dem Namen des Ehemannes --nach dem Schriftbild nicht gleichzeitig mit der Abfassung der Rechnung-- der Zusatz "und Ehefrau ..." angebracht. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat daraufhin die Auffassung, Leistungsempfänger der Bauleistungen seien nicht die Kläger in Grundstücksgemeinschaft, sondern nur der Ehemann gewesen. Die Kläger als Gemeinschaft seien nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Das FA setzte demgemäß die Umsatzsteuer 1976 und die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für das dritte und vierte Kalendervierteljahr 1977 auf 0 DM fest. Es zog die Kläger auch nicht mit den Mieteinnahmen zur Umsatzsteuer heran. Weil es von der Erstellung des Gebäudes für den Ehemann und nicht für die Kläger ausging, hielt es die mit Abgabe der Umsatzsteuererklärung 1976 gewählte Doppeloption (§ 19 Abs.4, § 9, § 4 Nr.12 Buchst.a UStG 1967) zur Besteuerung der Mietumsätze für nicht sinnvoll. Es unterstellte daher, daß die Kläger bei Versagung des Vorsteuerabzugs auf die Option verzichteten und ließ die Umsätze steuerfrei.

Nach erfolglosem Einspruch beantragten die Kläger, unter Aufhebung der angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide und des Umsatzsteuerbescheids 1976 die Umsatzsteuer 1976 mit ./. 4 066,65 DM und die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen III und IV 1977 mit ./. 6 134,29 DM und ./. 1 397,33 DM festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 15 UStG 1967 --insbesondere Abweichung von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.Februar 1976 V R 132/73 (BFHE 118, 104, BStBl II 1976, 309), und vom 13.Juli 1977 I R 217/75 (BFHE 123, 32, BStBl II 1978, 6)--. Sie halten zwar die Erwägungen des FG für zutreffend, der Leistungsempfänger bestimme sich nach dem Willen beider am Leistungsaustausch beteiligter Vertragsparteien, weil die Leistung, jedenfalls wenn der Umsatz auf einem bürgerlich- rechtlichen Vertrag beruhe, die Erfüllung des Verpflichtungsgeschäfts sei. Darüber hinaus meinen die Kläger aber, das FG lasse außer acht, daß sie vor oder während des Hausbaus keine Vereinbarungen darüber getroffen hätten, der Ehemann dürfe die für seine Praxis vorgesehenen Räume auf eigene Rechnung und im Rahmen des sich aus seinem Grundstücksmiteigentumsanteil ergebenden Gebrauchsrechts am Grundstück errichten. Daraus folge (umgekehrt zum Urteil in BFHE 118, 104, BStBl II 1976, 309), daß die bauausführenden Unternehmer zivil- und umsatzsteuerrechtlich an die Grundstücksgemeinschaft geleistet hätten. Schließlich könne die Frage nach dem Leistungsempfänger nicht allein danach beantwortet werden, welcher der Eheleute mit Baubehörde und Handwerkern verhandelt habe und infolgedessen im Bauschein oder auf Rechnungen als Adressat angegeben sei (siehe BFH-Urteil vom 24.Oktober 1974 V R 29/74, BFHE 114, 512, BStBl II 1975, 396). Wie ihr, der Kläger, Vortrag vor dem FG nach dem Tatbestand des Urteils ergebe, hätten sie beide mit dem Architekten und den bauausführenden Unternehmern verhandelt. Überdies sei auch zivilrechtlich zu berücksichtigen, daß das Haus überwiegend Wohnzwecken der Familie und nur zum kleinen Teil der Praxis des Ehemannes dienen sollte. Das sei auch für die Handwerker erkennbar gewesen. Daraus ergebe sich unabhängig von der Beachtung äußerer Formalitäten, daß die Handwerker aus der Sicht der Eheleute an sie beide hätten leisten sollen und daß andererseits die Handwerker an beide Eheleute --als Grundstückseigentümer-- hätten leisten wollen.

Die Kläger beantragen, das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuern wie vor dem FG beantragt festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Kläger ist unbegründet.

Zum Vorsteuerabzug berechtigt ist ein Unternehmer nach § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967 bezüglich der ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellten Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

Nach den Feststellungen des FG waren nicht die Kläger, sondern war der Ehemann Empfänger der Bauleistungen zur Gebäudeerrichtung, so daß ihnen schon aus diesem Grunde der geltend gemachte Vorsteuerabzug nicht zustand.

Die Feststellung des FG und seine rechtlichen Erwägungen zur Bestimmung des Leistungsempfängers halten der Revision stand.

Übereinstimmend mit der Rechtsprechung des BFH ging das FG davon aus, daß Leistungsempfänger i.S. des § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967 grundsätzlich derjenige ist, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (vgl. Urteile in BFHE 118, 104, BStBl II 1976, 309, und vom 11.Dezember 1986 V R 57/76, BFHE 148, 361, BStBl II 1987, 233, mit Nachweisen). Die Verwaltung hat sich dieser Rechtsprechung im wesentlichen angeschlossen (siehe Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 23.Juli 1986, BStBl I 1986, 432 unter B; vgl. dazu auch Reiß, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1987, 122 unter 2.). Dabei kann es sich um Vereinbarungen ausdrücklicher oder schlüssiger Art handeln.

Inwieweit auf die Eigentumsverhältnisse am Grundstück als Indiz für die Bestimmung des Leistungsempfängers der Bauleistungen abzustellen ist, wenn keine besonderen Vereinbarungen zur Auftragsvergabe durch die Ehegattengemeinschaft oder einen der Ehegatten erkennbar sind, kann hier offenbleiben. Erwägungen dazu finden sich in dem BFH-Urteil vom 3.November 1983 V R 56/75 (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1984, 61). Dieses Urteil betraf den Vorsteuerabzugsanspruch einer Familienkommanditgesellschaft, wobei die Baurechnungen aber auf den Grundstückseigentümer --einen Mitgesellschafter-- ausgestellt waren. Zu dieser Gestaltung wies der BFH darauf hin, der Vortrag, derartige Rechnungsgestaltungen seien branchenübliche Fehladressierungen, reiche nicht aus; erforderlich seien vielmehr substantiiertes Vorbringen und entsprechende Sachverhaltsermittlung, um die Frage der Auftragsvergabe zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall besteht aufgrund der Feststellungen des FG für den Senat keine tatsächliche Unsicherheit über die Person des Leistungsempfängers. Das FG hat festgestellt, daß die Auftragsvergabe zum Teil durch den beauftragten Architekten im Namen des Ehemannes und zum Teil durch diesen selbst (im eigenen Namen) erfolgte, und daß keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dieser sei für die Grundstücksgemeinschaft aufgetreten. Das FG hat seine Feststellungen aus der Korrespondenz des Ehemannes mit der Baubehörde und mit den Baufirmen sowie aus den Baurechnungen hergeleitet. Diese den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) über die Auftragsvergabe rechtfertigen die rechtliche Beurteilung des FG, daß die Kläger als Grundstücksgemeinschaft nicht als Auftraggeber und damit nicht als Empfänger der Bauleistungen i.S. des § 15 Abs.1 UStG 1967 in Frage kommen.

Aufgrund seiner Feststellungen und Würdigung hat das FG folgerichtig die Frage verneint, ob durch die nachträgliche Erweiterung einiger Originalrechnungen auf beide Eheleute und die Vorlage dieser Rechnungen Beweismittel für die Auftragsvergabe durch die Kläger als Gemeinschaft gegeben seien. Haben die Leistungspartner --wie hier-- bei Auftragsvergabe bzw. Leistungsvereinbarung den Leistungsempfänger klar und deutlich angegeben, so kann daran allein durch nachträgliche Angabe eines anderen Leistungsempfängers in Rechnungen nichts geändert werden. Der Senat braucht somit auch nicht darauf einzugehen, ob die nachträglichen Ergänzungen der --ursprünglich nur auf den Ehemann lautenden-- Rechnungen (ohne gleichzeitige Ergänzung der Rechnungsdurchschrift bei dem leistenden Unternehmen) korrekte Abrechnungsergänzungen sind (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 28.April 1983 V R 139/79, BFHE 138, 267, BStBl II 1983, 525).

Soweit die Kläger meinen, unabhängig von der Beachtung äußerer Formalitäten sei davon auszugehen, ihr Grundstücksmiteigentum führe zivilrechtlich und umsatzsteuerrechtlich dazu, sie auch als Leistungsempfänger der Bauleistungen anzusehen, kann ihnen nicht gefolgt werden. Wenn bei Grundstückserwerb, Gebäudeerrichtung und Gebäudenutzung Ehegatten- oder andere Angehörigengemeinschaften (als selbständige Umsatzsteuersubjekte) und einzelne Gemeinschafter vor-, zwischen- oder nachgeschaltet werden, um bestimmte umsatzsteuerrechtliche Folgen dieser Gestaltungen zu erreichen, so setzt dies eine klare Vereinbarung und deren erkennbare Durchführung voraus. Das gilt für das Umsatzsteuerrecht ebenso wie für andere Steuerrechtsgebiete (vgl. zur Einkommensteuer BFH-Urteil vom 17.Juli 1984 VIII R 69/84, BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48, mit Nachweisen). Diese "Einschränkung" ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12.März 1985 1 BvR 571/81 u.a., BStBl II 1985, 475, unter C.III.).

Umsatzsteuerrechtlich ergibt sich zudem eine gewisse Formstrenge bei der Beurteilung von Leistungsbeziehungen auch daraus, daß der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nur mit Hilfe einer --auf ihn erkennbar ausgestellten-- Abrechnung mit Steuerausweis erfolgen kann. Diese Vorsteuerabzugsvoraussetzung entspricht auf der Seite des leistenden Unternehmers dessen Berechtigung, seinem Leistungsempfänger gegenüber mit gesondertem Steuerausweis auf das Entgelt abzurechnen (§ 14 Abs.1 UStG 1967). Die umsatzsteuerrechtlich bedeutsame Art der Abrechnung ist Nebenfolge des dem Leistungsaustausch zugrunde liegenden Schuldverhältnisses (vgl. BFH-Urteil vom 4.März 1982 V R 107/79, BFHE 135, 118, BStBl II 1982, 309, und Beschluß vom 13.September 1984 V B 10/84, BFHE 142, 164, BStBl II 1985, 21; mit Anmerkung von Weiß in UR 1985, 36). Die wechselseitige Ergänzung der beiden Voraussetzungen setzt somit eine klare Erfüllung vereinbarter Leistungsbeziehungen voraus (vgl. z.B. Krieg, Die Information 1987, Heft 11, Bl.IV, ferner Heft 10, Bl.VIII).

Ob das FA die von den Klägern in den Voranmeldungen als steuerpflichtig erklärten Vermietungsumsätze zutreffend als steuerfrei behandelt hat, ist nicht entscheidungserheblich; eine Verböserung der angefochtenen Steuerfestsetzungen (bei Annahme der Steuerpflicht) ist im gerichtlichen Verfahren nicht zulässig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61576

BStBl II 1988, 158

BFHE 151, 479

BFHE 1988, 479

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