Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgaben im Zusammenhang mit einer tarifbegünstigten Entschädigung; keine Durchbrechung des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Tarifvergünstigung unterliegt eine Entschädigung abzüglich der sachlich unmittelbar mit ihr in Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten.

2. Fallen mit der Entschädigung zusammenhängende Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten in einem der Vereinnahmung der Entschädigung vorausgehenden Besteuerungszeitraum an, mindern sie die regelbesteuerten Einkünfte dieses Zeitraums. Entsprechend mindert sich der dem ermäßigten Tarif unterliegende Betrag in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Entschädigung als Einnahme zu erfassen ist.

 

Normenkette

EStG § 24 Nr. 1, § 34

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.12.2002; Aktenzeichen 18 K 2583/98 F; EFG 2003, 466)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine OHG, über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden und bis jetzt nicht abgeschlossen ist. Früher hatte die Klägerin die Rechtsform einer GmbH & Co. KG, deren Komplementärin neben der GmbH Frau H war. Einziger Kommanditist war Herr P. Mit dem Tod von H im Februar 1993 gingen deren Gesellschaftsanteile auf P über. Die Eröffnung des Konkursverfahrens über die GmbH wurde 1997 mangels Masse abgelehnt.

Die Klägerin war als Vertragshändlerin für zwei Lieferanten tätig gewesen. Zum 31. Dezember 1990 hatten beide Lieferanten die Händlerverträge gekündigt. Daraufhin machte die Klägerin Ausgleichsansprüche analog § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB) geltend. In beiden Fällen rief die Klägerin im Jahr 1993 ein Schiedsgericht an. Die Verfahren endeten jeweils mit einem Vergleich, nämlich vom 19. Dezember 1994 über einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 1 250 000 DM zzgl. Umsatzsteuer und vom 23. Januar 1995 über einen Ausgleichsanspruch von 2 234 150 DM incl. Umsatzsteuer.

In ihrem Jahresabschluss auf den 31. Dezember 1993 erfasste die Klägerin einen Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren an ihren Rechtsanwalt von 25 758 DM als Betriebsausgabe. Außerdem bildete sie eine Rückstellung in Höhe von 500 000 DM für weitere Verfahrenskosten. Im folgenden Wirtschaftsjahr wurde die Rückstellung bis auf einen Restbetrag von 104 994,21 DM aufgelöst. Zugleich erfasste die Klägerin Ausgleichsansprüche von insgesamt 3 484 150 DM als Betriebseinnahme, wobei dieser Betrag den Anspruch aus dem Vergleich vom 23. Januar 1995 durch Einbuchung einer Forderung einschloss.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) folgte den Gewinnfeststellungserklärungen für die Streitjahre (1993 und 1994) zunächst und stellte für das Jahr 1994 den Betrag von 3 484 150 DM als tarifbegünstigte Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes (EStG) fest. Nach einer Außenprüfung schloss sich das FA jedoch der Auffassung des Prüfers an, die im Jahr 1993 gewinnmindernd erfassten Kosten des Schiedsverfahrens von 525 758 DM seien als Betriebsausgaben des Jahres 1994 zu behandeln, weil sie in sachlichem Zusammenhang mit den Entschädigungsleistungen ständen. Dementsprechend erließ das FA geänderte Gewinnfeststellungsbescheide. Als tarifbegünstigte Entschädigung wurde dabei für das Jahr 1994 nur noch ein Betrag von 3 154 345,34 DM festgestellt.

Mit der Klage begehrte die Klägerin, im Jahr 1993 zusätzliche Betriebsausgaben von 525 758 DM zu berücksichtigen und im Jahr 1994 die gesamte Entschädigungsleistung als tarifbegünstigt festzustellen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 466 abgedruckt.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Gewinnfeststellungsbescheide 1993 und 1994 mit der Maßgabe zu ändern, dass Betriebsausgaben von 525 758 DM statt in 1994 in 1993 berücksichtigt und 1994 tarifbegünstigte Entschädigungen in Höhe von 3 484 150 DM festgestellt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

1. Die Klage ist wirksam für die Klägerin erhoben worden; eine Beiladung der GmbH kommt nicht in Betracht.

a) Die Klage ist von P namens der Klägerin erhoben worden. Die Klägerin kann ungeachtet des noch nicht abgeschlossenen Konkursverfahrens ihre Klagebefugnis in Prozessstandschaft für die Gesellschafter wahrnehmen, denn sie hat ihre Klagebefugnis in Bezug auf die Gewinnfeststellung nach § 48 Abs. 1 FGO durch das Konkursverfahren nicht verloren. Die Gewinnfeststellung gehört zu den konkursfreien Angelegenheiten der Personengesellschaft, in denen diese durch die Liquidatoren vertreten wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 21. Juni 1979 IV R 131/74, BFHE 128, 322, BStBl II 1979, 780). Auch hat die Ablehnung der Eröffnung eines Konkursverfahrens über die GmbH nicht nach § 131 Nr. 5 HGB a.F. zu einer Auflösung der Klägerin und damit zum Wegfall der Beteiligtenfähigkeit geführt (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Oktober 1979 II ZR 257/78, BGHZ 75, 178).

b) Die Klägerin ist durch P ordnungsgemäß vertreten worden. Liquidatoren der Klägerin sind ihre Gesellschafter P und die GmbH. Die GmbH wird ihrerseits durch ihren Liquidator vertreten. Dies ist nach § 66 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) der Geschäftsführer, also ebenfalls P. Wie P in der mündlichen Verhandlung vor dem FG klargestellt hat, ist die Klage von ihm als Gesellschafter der Klägerin und als Geschäftsführer der GmbH namens der Klägerin erhoben worden.

c) Die GmbH ist nicht nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen. Denn ihr steht keine eigene Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 FGO zu. Im Übrigen wäre sie auch vom Ausgang des Rechtsstreits unter keinem denkbaren Gesichtspunkt betroffen.

2. Die im Zusammenhang mit den Entschädigungsleistungen entstandenen Betriebsausgaben sind für die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem sie nach allgemeinen Grundsätzen der vom Steuerpflichtigen angewendeten Gewinnermittlung zu erfassen sind. Der Senat kann sich nicht der Auffassung des FG anschließen, dass bei Ermittlung der Einkünfte i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung durchbrochen wird und in sachlichem Zusammenhang mit den Einnahmen in anderen Veranlagungszeiträumen entstandene Betriebsausgaben im Veranlagungszeitraum der Vereinnahmung der Entschädigung berücksichtigt werden.

a) Nach § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89b HGB gewährt worden sind. Diese Einkünfte sind außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG und unterliegen demgemäß dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG.

Die Regelung in §§ 24 Nr. 1, 34 Abs. 2 EStG ist dahin zu verstehen, dass sie nicht die Einnahmen, sondern die Einkünfte erfasst (BFH-Urteile vom 9. April 1970 IV R 262/69, BFHE 98, 434, BStBl II 1970, 421; vom 26. Januar 1984 IV R 236/80, BFHE 140, 273, BStBl II 1984, 347, und vom 29. Januar 1986 III R 186/81, BFH/NV 1986, 400). Der Tarifvergünstigung unterliegen danach die Entschädigungen abzüglich der sachlich unmittelbar mit ihnen in Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten (BFH in BFHE 140, 273, BStBl II 1984, 347). Für die Ermittlung dieser Einkünfte enthalten weder § 24 EStG noch § 34 EStG eine Regelung. Es gelten deshalb insoweit die allgemeinen Grundsätze der Einkünfteermittlung. Dies ergibt sich auch aus der Verweisung im Einleitungssatz des § 24 EStG, der auf die Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 EStG und damit auch auf die Ermittlung dieser Einkünfte nach § 2 Abs. 2 EStG verweist.

In dem Veranlagungszeitraum, in dem die Entschädigung nach allgemeinen Grundsätzen als Einnahme bzw. Betriebseinnahme zu erfassen ist, sind zur Ermittlung der außerordentlichen Einkünfte die im gleichen Veranlagungszeitraum verausgabten Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben von der Entschädigung abzuziehen. In früheren oder nachfolgenden Veranlagungszeiträumen anfallende Ausgaben sind im Jahr ihrer Entstehung abziehbar (gl.A. FG München vom 23. Mai 1985 VI 49/78 F, EFG 1986, 23, aus anderen Gründen aufgehoben durch Senatsurteil vom 5. Oktober 1989 IV R 126/85, BFHE 158, 404, BStBl II 1990, 155; Hildesheim in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 24 Rz. 39; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 24 EStG Anm. 11; Jacobs-Soyka in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 24 EStG Rn. 93; Richter, Die steuerliche Betriebsprüfung ―StBp― 1981, 88, 92; Schiffers in Korn, Einkommensteuergesetz, § 24 Rz. 10; Seithel, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1965, 621, 622; a.A. wohl Stuhrmann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 24 EStG Rz. 30).

b) Die zur Ermittlung von Veräußerungsgewinnen entwickelten Grundsätze können nicht auf Entschädigungen übertragen werden. Nach dem BFH-Urteil vom 6. Oktober 1993 I R 97/92 (BFHE 173, 47, BStBl II 1994, 287) sind Veräußerungskosten auch dann bei der Ermittlung des nach §§ 34, 16 EStG begünstigten Veräußerungsgewinns abzuziehen, wenn sie bereits im Veranlagungszeitraum vor dem Entstehen des Veräußerungsgewinns angefallen sind. Diese Entscheidung beruht auf einer Auslegung des § 16 Abs. 2 EStG, der den Veräußerungsgewinn als den Betrag definiert, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt.

§ 24 Nr. 1 EStG enthält eine solche ausdrückliche Regelung nicht. Allerdings bestimmt sich die Höhe der nach § 24 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG steuerbegünstigten Einkünfte ―wie bereits dargestellt― ebenfalls nach dem Saldo zwischen der Entschädigungsleistung und den damit zusammenhängenden Ausgaben. Die "Entschädigungseinkünfte" stellen sich als besondere Einkünfte dar, deren Bestimmungsgrößen von den anderen Einkünften abzugrenzen sind. Gleichwohl sind die Sachverhaltsgestaltungen, wie sie typischerweise Veräußerungsgewinnen einerseits und Entschädigungen andererseits zugrunde liegen, unterschiedlich. Während Veräußerungskosten regelmäßig in zeitlichem Zusammenhang mit dem Veräußerungserlös anfallen, können sich die Kosten, die zur Erlangung einer Entschädigung aufgewendet werden (z.B. Rechtsanwalts- und Gerichtskosten möglicherweise durch mehrere Instanzen), über viele Jahre erstrecken. Es kann auch sein, dass sie nicht zu Erlösen führen. Umgekehrt kann der Steuerpflichtige auf den Zeitpunkt der Vereinnahmung der Entschädigung ―anders als bei einer Veräußerung― regelmäßig keinen Einfluss nehmen. Daher erscheint es trotz der sachlichen Eingrenzung der steuerbegünstigten Entschädigung auf den Nettobetrag nicht gerechtfertigt, das dem Einkommensteuerrecht allgemein zugrunde liegende Verausgabungsprinzip zu durchbrechen.

3. Die Entschädigung unterliegt der Tarifvergünstigung allerdings in dem Veranlagungszeitraum, in dem sie nach allgemeinen Grundsätzen vereinnahmt wird, nur insoweit, als nicht in früheren Veranlagungszeiträumen mit der Entschädigung zusammenhängende Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten die Einkünfte des Steuerpflichtigen gemindert haben.

§ 24 Nr. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG ist ―wie ausgeführt― dahin auszulegen, dass dem ermäßigten Steuersatz nur die Entschädigungen abzüglich der sachlich unmittelbar mit ihnen in Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten unterliegen (BFH in BFHE 140, 273, BStBl II 1984, 347). Fallen Ausgaben in früheren Veranlagungszeiträumen an, mindern sie dort die dem Regelsteuersatz unterliegenden Einkünfte. Bliebe dies im Jahr der Vereinnahmung der Entschädigung unberücksichtigt, würde mehr als der Nettobetrag der Entschädigungseinkünfte tarifbegünstigt besteuert. Dem Zweck der §§ 24 Nr. 1, 34 EStG entspricht es deshalb, im Veranlagungszeitraum der Vereinnahmung den ermäßigten Tarif auf die Nettoentschädigung des Veranlagungsjahres abzüglich bereits früher berücksichtigter Ausgaben anzuwenden. Der Differenzbetrag unterliegt dann in diesem Zeitpunkt dem Regelsteuersatz, so dass im Ergebnis nur der Nettobetrag der Entschädigung dem ermäßigten Steuersatz unterworfen wird.

Im Streitfall unterliegt danach im Jahr 1994 von den festgestellten Entschädigungseinkünften nur der Betrag dem ermäßigten Steuersatz, der sich aus der im Jahr 1994 vereinnahmten Netto-Entschädigung abzüglich des im Jahr 1993 als Betriebsausgabe zu behandelnden Betrags ergibt. Die übrigen Einkünfte des Jahres 1994 werden tarifbesteuert.

4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und war deshalb an das FG zurückzuverweisen.

Der Senat kann den vom FG getroffenen Feststellungen nicht sicher entnehmen, inwieweit die nach dem Klagebegehren im Jahr 1993 abzuziehenden Betriebsausgaben von 525 758 DM zutreffend ermittelt worden sind. Ein solcher Ansatz setzte voraus, dass die Klägerin zu Recht eine Rückstellung für voraussichtliche Verfahrenskosten in Höhe von 500 000 DM gebildet hat. Dieser Frage wird das FG ebenso nachzugehen haben wie der Frage, welche Höhe die tarifbegünstigten Einkünfte im Jahr 1994 haben. Hierzu müssen einerseits Feststellungen zu den als Betriebsausgabe des Jahres 1994 erfassten, unmittelbar mit den Entschädigungen zusammenhängenden Kosten getroffen werden. Andererseits erscheint ―im Rahmen des Klageantrags― die Frage prüfungswürdig, ob die Ansprüche aus dem Vergleich im Januar 1995 zutreffend als Ertrag des Jahres 1994 behandelt worden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1278258

BFH/NV 2005, 277

BStBl II 2005, 215

BFHE 2005, 424

BFHE 207, 424

BB 2005, 251

BB 2005, 34

DB 2005, 200

DB 2007, 9

DStR 2005, 57

DStRE 2005, 183

DStZ 2005, 5

HFR 2005, 237

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