Normenkette

AO 1977 §§ 129, 173 Abs. 1 Nr. 2, § 179 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine GmbH & Co. KG - betreibt eine Dienstleistungsund Import/Export-Agentur.

In der Anlage ESt 1, 2, 3 B der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr 1976 erklärte sie einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 21 527 DM; davon sollte ein Anteil von 2 000 DM auf die Komplementär-GmbH und ein weiterer Anteil von 19 527 DM auf den Kommanditisten entfallen. In Spalte 11 der Anlage waren unter der Bezeichnung "ausländische Einkünfte, die nach DBA steuerfrei sind" 52 684 DM als weitere Einkünfte des Kommanditisten angegeben. Bei der Anfertigung der Feststellungserklärung hatte der Steuerberater und Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mitgewirkt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) übernahm die Angaben aus der Feststellungserklärung unverändert in den Gewinnfeststellungsbescheid 1976. Er setzte die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb auf 21 527 DM fest und nahm hinsichtlich der weiteren Feststellungen auf die von der Klägerin gefertigte Anlage ESt 1, 2, 3 B Bezug.

Der Feststellungsbescheid vom 11. August 1978 wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 1979 beantragte die Klägerin die "Ergänzung" des Gewinnfeststellungsbescheids 1976 "um die in der Anlage zum Steuerbescheid bereits bestätigten ausländischen steuerfreien Einkünfte nach DBA in Höhe von 52 684 DM". Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien um den Betrag von 52 684 DM niedriger festzusetzen, weil die nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfreien Einkünfte zu Unrecht in den festgestellten Gewinn von 21 527 DM einbezogen worden seien. Die Klägerin wies in ihrem Schreiben auf die Möglichkeit einer Berichtigung oder Änderung des Feststellungsbescheids nach §§ 129, 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) hin.

Das FA lehnte den Erlaß eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO 1977 oder eines nach § 129 oder § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 geänderten Feststellungsbescheids ab.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, eine Ergänzung des Feststellungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO 1977 sei nicht möglich, weil der Bescheid nicht unvollständig, sondern unrichtig sei. Auch eine Änderung des fehlerhaften bestandskräftigen Bescheids nach § 129 AO 1977 komme nicht in Betracht, da eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne dieser Vorschrift nicht vorliege. Die Klägerin könne auch nicht eine Änderung des fehlerhaften Feststellungsbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 verlangen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß ein grobes Verschulden des Steuerberaters dem Steuerpflichtigen im Rahmen dieser Vorschrift zuzurechnen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den Verwaltungsakt vom 27. November 1979 aufzuheben und das FA zu verpflichten, einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1976 zu erlassen und den Verlust der Klägerin im Streitjahr auf 31 157 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht eine Verpflichtung des FA zur Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 1976 verneint.

1. Eine Berichtigung des bestandskräftigen Bescheids nach § 129 AO 1977 kommt nicht in Betracht.

Nach dieser Vorschrift können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit berichtigt werden; das gilt auch dann, wenn ein Steuerbescheid bestandskräftig geworden ist.

"Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten" müssen einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich sein, d. h. es muß sich um mechanische Fehler handeln, die ebenso "mechanisch", d. h. ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. August 1975 IV R 150/71, BFHE 119, 201, BStBl II 1976, 764; vom 1. April 1977 VI R 153/76, BFHE 123, 1, BStBl II 1977, 853, und vom 24. Mai 1977 IV R 44/74, BFHE 122, 393, BStBl II 1977, 853). Besteht auch nur die Möglichkeit eines Fehlers in der Tatsachenwürdigung oder Rechtsanwendung, so ist eine Berichtigung nach § 129 AO 1977 nicht zulässig (BFH-Urteil vom 25. Februar 1972 VIII R 141/71, BFHE 105, 234, BStBl II 1972, 550). Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß Fehler in der Steuererklärung - von den Fällen der Selbstveranlagung abgesehen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 26. Juli 1979 V R 108/76, BFHE 128, 334, BStBl II 1980, 18) - für sich allein eine Berichtigung nach § 129 AO 1977 nicht rechtfertigen können. Denn § 129 AO 1977 gilt nach seinem Wortlaut und Sinn nicht für Versehen des Steuerpflichtigen (BFH-Urteile vom 1. Juli 1954 IV 444/53 U, BFHE 59, 146, BStBl III 1954, 265; vom 17. April 1969 V R 21/66, BFHE 95, 484, BStBl II 1969, 474). Nur dann, wenn die Fehlerhaftigkeit der Angaben für das FA als offenbare Unrichtigkeit erkennbar war, das FA also eine offenbare Unrichtigkeit der Steuererklärung als eigene übernommen hat, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO 1977 in Betracht (BFHE 105, 234, BStBl II 1972, 550).

Dieser Fall ist nicht gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger in seiner Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte einen Gewinn aus Gewerbebetrieb erklärt, in den versehentlich steuerfreie Einkünfte einbezogen wurden, ohne daß dieser Fehler aus den beigefügten Gewinnermittlungsunterlagen für das FA ohne weiteres erkennbar ist. In einem solchen Fall ist kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß das FA den Fehler aus dem Bereich des Steuerpflichtigen als eigene offenbare Unrichtigkeit übernommen hat.

Im Streitfall war weder aus der Anlage zur Feststellungserklärung noch aus den Gewinnermittlungsunterlagen 1976 ohne weiteres ersichtlich, daß der erklärte Gewinn aus Gewerbebetrieb unzutreffend ermittelt worden war.

Zwar hatte die Klägerin in der Anlage ESt 1, 2, 3 B neben steuerpflichtigen Einkünften aus Gewerbebetrieb in der Spalte "ausländische Einkünfte, die nach DBA steuerfrei sind", Einkünfte in Höhe von 52 684 DM ausgewiesen. Für das FA war jedoch nicht eindeutig erkennbar, daß dieser Betrag bereits in den steuerpflichtigen Einkünften enthalten war. Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungserklärung mußten sich allerdings aus der Tatsache ergeben, daß die in den Spalten 5 bis 9 der Anlage angegebenen Einkünfte mit dem in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Gewinn übereinstimmten. Denn die Klägerin, die ihren Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte, war verpflichtet, auch die steuerfreien Betriebseinnahmen in der Gewinnermittlung zu erfassen. Das FA hätte deshalb bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflichten bei der Klägerin anfragen müssen, ob die steuerfreien ausländischen Einkünfte in den erklärten Einkünften aus Gewerbebetrieb enthalten waren. Wenn eine solche Nachfrage auch aufgrund der eingereichten Unterlagen geboten war, so genügt dies nicht für die Annahme, die Einbeziehung der steuerfreien Einkünfte in den steuerpflichtigen Gewinn aus Gewerbebetrieb beruhe auf einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne eines mechanischen Versehens (vgl. BFHE 122, 393, BStBl II 1977, 853). Denn es bestand zumindest die Möglichkeit, daß die Klägerin ihre nach DBA steuerfreien Einkünfte nicht in die Bilanz zum 31. Dezember 1976 aufgenommen hatte. Der Umstand, daß in der Gewinn- und Verlustrechnung umsatzsteuerfreie Erlöse in Höhe von 54 124 DM angegeben waren, rechtfertigte nicht ohne weiteres die Schlußfolgerung, daß es sich dabei um die in der Anlage ESt 1, 2, 3 B erklärten ausländischen Einkünfte handelte, "die nach DBA steuerfrei sind".

2. Dem FG ist im Ergebnis auch darin zu folgen, daß die Voraussetzungen für eine Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 1976 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 nicht erfüllt sind. Es sind weder Tatsachen noch Beweismittel nachträglich bekanntgeworden, die zu einer niedrigeren Steuer führen. "Tatsache" i. S. des § 173 AO 1977 ist nur, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Keine Tatsachen im Sinne dieser Vorschrift sind Schlußfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (BFH-Urteile vom 6. September 1962 V 166/59 U, BFHE 75, 623, BStBl III 1962, 494, und vom 13. Oktober 1983 I R 11/79, BFHE 140, 2, BStBl II 1984, 181). Die Erkenntnis, daß die ausländischen steuerfreien Einkünfte der Klägerin nicht in den für das Streitjahr festgestellten Gewinn hätten einbezogen werden dürfen, ist das Ergebnis einer rechtlichen Würdigung und somit keine Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977.

3. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das FA auch nicht zum Erlaß eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO 1977 verpflichtet. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Erlaß eines Ergänzungsbescheids nur dann möglich ist, wenn ein Feststellungsbescheid lückenhaft ist. Es ist nicht zulässig, fehlerhafte Feststellungen in einem Feststellungsbescheid im Rahmen eines Ergänzungsbescheids zu berichtigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 75098

BStBl II 1984, 785

BFHE 1985, 485

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