Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufgabeerklärung bei Betriebsverpachtung

 

Leitsatz (NV)

Bei Betriebsverpachtung ist eine förmliche Aufgabeerklärung nicht erforderlich. Die Äußerung des Steuerpflichtigen muß jedoch erkennbar von dem Bewußtsein getragen sein, daß es als Folge dieser Erklärung zur Versteuerung der stillen Reserven kommt.

 

Normenkette

EStG §§ 14, 16

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümer von Grundstücken, die früher landwirtschaftlich genutzt wurden. Nach den Angaben der Kläger wurden die Flächen zuletzt in den 60er Jahren durch die Miterbin B bzw. durch einen Pächter, den Ehemann der Klägerin zu 2, bewirtschaftet.

Nach dem Verkauf eines Grundstücks an die Stadt X meldete die Miterbin B den Betrieb mit der verbliebenen Fläche von 4 ha bei der Landwirtschaftskammer ... und der Alterskasse der ... ab. In der Folgezeit entfiel die Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge an die Alterskasse und der Betrieb erhielt keine Gasölbeihilfe mehr. Mit Wirkung vom 1. November 1969 wurden die verbliebenen Flächen an den Landwirt Y verpachtet. Im Jahre 1972 versuchte die Erbengemeinschaft einen Teil der Flächen zu veräußern; der Käufer trat jedoch vom Vertrag zurück. Nach einer dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) erteilten Auskunft vom 17. Juli 1981 erzielte die Erbengemeinschaft Pachteinkünfte von 640 DM jährlich.

Für die Streitjahre 1980 bis 1984 gaben die Kläger bzw. die von ihnen beerbten Miterben Feststellungserklärungen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab. Das FA nahm demgegenüber Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft an, folgte aber hinsichtlich der Höhe der Einkünfte den abgegebenen Steuererklärungen.

Der Einspruch hatte nur teilweise Erfolg: Das FA teilte die von den Klägern erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf das vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr der Land- und Forstwirte auf; dies führte für die Streitjahre 1980 bis 1982 zu einer Verböserung, im übrigen zu geringen Gewinnminderungen.

Der dagegen auf Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) zum größten Teil statt, nachdem es durch Vernehmung der Zeugen F und K (dem damaligen Sachbearbeiter der Bewertungsstelle des FA) Beweis erhoben hatte. Zur Begründung führte das FG im wesentlichen aus, der landwirtschaftliche Betrieb sei erst im Streitjahr 1980 aufgegeben worden. Bis zur Verpachtung im Jahre 1969 hätten die Miterben als Eigentümer der bewirtschafteten Flächen einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, der der Größe nach ausreichend gewesen sei. Die Betriebsaufgabe sei erst am 30. Mai 1980 durch die verstorbene Miterbin Frau B erklärt worden. Dies ergebe sich aus einem Aktenvermerk der Bewertungsstelle des FA über ein Telefonat mit Frau B. Zur Höhe der Einkünfte habe das Gericht nicht Stellung nehmen müssen, weil die Kläger ihr Begehren auf die Feststellung einer anderen Einkunftsart beschränkt hätten.

Mit seiner dagegen gerichteten, vom Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 14, 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Kläger als Erbengemeinschaft einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb übernommen und bewirtschaftet haben.

Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das FG entgegen dem Klagevortrag, den die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt haben, eine Betriebsaufgabe im Jahr 1969 verneint hat. Die dazu getroffenen Tatsachenfeststellungen, insbesondere das Ergebnis der Zeugenvernehmungen, sind mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Bis zur Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen war eine Aufgabe auch nicht deshalb anzunehmen, weil der Betrieb bis auf eine verbleibende Fläche von etwa 4 ha verkleinert wurde und damit nach Auffassung der Kläger die Erwerbsgrundlage entfallen ist. Wie der Senat entschieden hat, verlieren landwirtschaftlich genutzte Grundstücke ohne ausdrückliche Entnahmehandlung oder einen entsprechenden Rechtsvorgang ihre Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen auch dann nicht, wenn eine ertragreiche Bewirtschaftung nicht mehr möglich ist, weil der Betrieb ständig verkleinert wurde (Urteil vom 12. November 1992 IV R 41/91, BFHE 170, 311, BStBl II 1993, 430).

b) Auch die Nutzungsüberlassung des Betriebs hat nicht zu einer Betriebsaufgabe geführt. Ob in diesem Fall mangels klarer und eindeutiger Vereinbarungen mit dem FG davon auszugehen ist, daß die Eigenbewirtschaftung von den Mitgliedern der Erbengemeinschaft als Eigentümer der landwirtschaftlich genutzten Flächen fortgesetzt wurde (Senatsurteile vom 14. August 1986 IV R 264/84, BFHE 147, 443, BStBl II 1987, 20, und vom 2. Februar 1989 IV R 96/87, BFHE 156, 163, BStBl II 1989, 504), oder ob vom Bestehen eines Wirtschaftsüberlassungsvertrags auszugehen ist (zuletzt Senatsurteile vom 18. Februar 1993 IV R 106/92, BFHE 170, 553, BStBl II 1993, 546, und IV R 50/92, BFHE 170, 557, BStBl II 1993, 548), kann dahinstehen. Denn auch bei Annahme eines Wirtschaftsüberlassungsvertrags hätte den überlassenden Eigentümern ein Wahlrecht nach Betriebsverpachtungsgrundsätzen zugestanden (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 5. Februar 1976 IV R 31/74, BFHE 118, 37, BStBl II 1976, 335 a. E.). Nach den Feststellungen des FG haben die Kläger aber die Betriebsaufgabe weder bei der Nutzungsüberlassung an den Ehemann der Klägerin zu 2 noch anläßlich der Verpachtung an den Landwirt Y erklärt.

c) Im Ergebnis zutreffend ist das FG ungeachtet der unbedeutenden Pachteinnahmen auch davon ausgegangen, daß der Betrieb nicht wegen Übergangs zur Liebhaberei aufgegeben wurde. Nach der Rechtsprechung des Senats führt nicht der Fortfall der Gewinnerzielungsabsicht und die damit verbundene Annahme einer Liebhaberei zur Betriebsaufgabe, sondern erst eine darauf gerichtete Handlung oder ein entsprechender Rechtsvorgang (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1981 IV R 138/78, BFHE 134, 339, BStBl II 1982, 381; s. auch BFH in BFHE 170, 311, BStBl II 1993, 430 zu 2. c). Im Streitfall kann es daher dahinstehen, ob der land- und forstwirtschaftliche Betrieb der Kläger als Liebhabereibetrieb zu beurteilen war.

d) Schließlich hat das FG zu Recht auch die Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch einige der Kläger nicht als konkludente Aufgabeerklärung gewertet. Dies hat der erkennende Senat mehrfach entschieden (vgl. Urteile vom 31. Januar 1985 IV R 130/82, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395; vom 15. Oktober 1987 IV R 91/85, BFHE 151, 392, BStBl II 1988, 257; vom 15. April 1993 IV R 12/91, BFH/NV 1994, 87, und Beschlüsse vom 27. Oktober 1988 IV S 11/88, BFH/NV 1990, 416, 418, und vom 1. Februar 1995 IV B 65/94, BFH/NV 1995, 676); daran ist auch im Streitfall festzuhalten.

2. Zu Unrecht hat das FG jedoch aus der durch Aktenvermerk belegten fernmündlichen Rücksprache eines Sachbearbeiters bei Frau B gefolgert, der Betrieb sei zum 30. Mai 1980 aufgegeben worden.

a) Im Streitfall ist das FG davon ausgegangen, daß Frau B als zur Verwaltung ermächtigte Miterbin die Betriebsaufgabe für die Erbengemeinschaft erklärt habe. Insoweit könnte schon fraglich sein, ob die im übrigen nicht weiter belegte Vertretungsbefugnis der B auch die Abgabe einer so weit reichenden Erklärung wie die der Aufgabe eines verpachteten Betriebs umfassen konnte, oder ob es für diesen Fall nicht der ausdrücklichen Erklärung aller Mitglieder der Erbengemeinschaft bedurfte. Die Entscheidung dieser Frage kann indessen dahinstehen, weil der Aktenvermerk des Sachbearbeiters der Bewertungsstelle kein hinreichender Beleg für die vom FG angenommene Betriebsaufgabe zum 30. Mai 1980 ist.

b) Wie der Senat wiederholt entschieden hat, führt auch die Verpachtung einzelner land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen, wie die Verpachtung an den Landwirt Y, nicht zu einer Betriebsaufgabe, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen erhalten bleiben, so daß die Möglichkeit besteht, den Betrieb selbst oder durch die Erben wieder aufzunehmen (Urteile in BFHE 151, 392, BStBl II 1988, 257, und IV R 66/86, BFHE 152, 62, BStBl II 1988, 260; vom 28. November 1991 IV R 58/91, BFHE 167, 19, BStBl II 1992, 521, und Beschluß vom 14. November 1990 IV B 129/90, BFH/NV 1991, 591). Der Senat hat daraus weiter gefolgert, daß die Annahme einer Betriebsaufgabe in Verpachtungsfällen letztlich von den Absichten des Steuerpflichtigen abhängt. Aus Beweisgründen kann die Absicht der Betriebseinstellung indessen nur bei einer entsprechenden unmißverständlichen Erklärung des Steuerpflichtigen angenommen werden (Senatsurteile vom 23. Februar 1989 IV R 63/87, BFH/NV 1990, 219; in BFHE 167, 19, BStBl II 1992, 521, und in BFH/NV 1991, 591).

Diese Erklärung hat das FG in der Mitteilung gesehen, die Frau B anläßlich einer telefonischen Rücksprache des Sachbearbeiters der Bewertungsstelle aktenkundig abgegeben hatte. Wie sich aus dem handschriftlich beschriebenen, in der Einheitswertakte abgehefteten Blatt mit dem entsprechenden Vermerk "R. vom 30. 5. 80 mit Frau B. Kein Betrieb, Flächen an Y verpachtet" ergibt, war der Sachbearbeiter offensichtlich mit der Frage beschäftigt, ob eine Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1979 vorzunehmen sei. Nur darauf kann sich seine Rückfrage bezogen haben und nur so kann sie von der Miterbin Frau B verstanden worden sein, die damit im Grunde nur auf den Tatbestand der Verpachtung hingewiesen hat, der nach den dargelegten Grundsätzen noch nicht zur Aufgabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs geführt hat. Unter diesen Umständen bestand für den Sachbearbeiter der Bewertungsstelle weder eine Veranlassung, der Frage einer Betriebsaufgabe mit den ertragsteuerlichen Konsequenzen der Versteuerung aller stillen Reserven selbst nachzugehen noch der Veranlagungsstelle hiervon Mitteilung zu machen.

Den Klägern ist zwar zuzugeben, daß der Eintritt der Rechtsfolgen der §§ 14, 16 EStG nicht von der Abgabe einer förmlichen, d. h. schriftlichen Aufgabeerklärung abhängig ist. Nach Auffassung des Senats muß eine solche Erklärung jedoch erkennbar von dem Bewußtsein getragen sein, daß es als Folge dieser Erklärung zur Versteuerung der stillen Reserven kommt. Die Kenntnis dieser Rechtsfolge war im Streitjahr 1980 auch bei einem steuerlich nicht beratenen Land- und Forstwirt vorauszusetzen. Jedenfalls konnte und mußte ein solcher Steuerpflichtiger nicht damit rechnen, daß die Beantwortung einer Anfrage des Sachbearbeiters der Bewertungsstelle als Betriebsaufgabeerklärung im einkommensteuerlichen Sinne aufgefaßt würde. Zutreffend hat das FA darauf hingewiesen, daß die Anforderungen an die Eindeutigkeit und Unmißverständlichkeit der Betriebsaufgabeerklärung in Verpachtungsfällen nicht zuletzt dem Schutz des Steuerpflichtigen dient, der daran gebunden ist und sich von dieser Erklärung nur unter den Voraussetzungen des § 119 des Bürgerlichen Gesetzbuches lösen kann (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl. 1994, § 16 Anm. 148).

3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421135

BFH/NV 1996, 398

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