Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Minderung des Teilwerts aufgrund von Zuschüssen der öffentlichen Hand

 

Leitsatz (NV)

Ausgangspunkt für die sog. Teilwertvermutung sind die nicht um Zuschüsse gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten der bezuschußten Wirtschaftsgüter. Dies gilt auch im Hinblick auf Investitionszuschüsse aus Mitteln des Landesförderungsprogramms Niedersachsens sowie nach Maßgabe des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe ,,Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur".

 

Normenkette

BewG § 109 Abs. 1, § 10

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, fertigt und vertreibt Waren. Sie unterhält in A (Niedersachsen) sowie in B (Hessen) Betriebsstätten.

In den Jahren 1978 bis 1981 erhielt die Klägerin für die Errichtung und Erweiterung ihrer Produktionsstätten Investitionszuschüsse in Höhe von . . . DM. Diese Zuschüsse wurden, soweit sie Erweiterungsinvestitionen in der Betriebsstätte A betrafen, aus Mitteln des Landesförderungsprogramms (LFP) Niedersachsen - Programmteil 1978 - (LFP-Mittel) sowie nach Maßgabe des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe ,,Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" - Programmteil 1980 - (GA-Mittel) gewährt; soweit die Errichtung der Betriebsstätte in B betroffen war, leistete der Hessische Minister für Wirtschaft und Technik einen Investitionszuschuß ebenfalls aus GA-Mitteln.

Die Bewilligung der Zuschüsse, die in Höhe eines bestimmten Vomhundertsatzes der förderungsfähigen Investitionsbeträge gewährt wurden, war an die Bedingung geknüpft, neue Dauerarbeitsplätze zu schaffen. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung der Zuschüsse bestand nicht. Allerdings wurden die Zuschüsse - soweit die Mittel ausreichten - in Anwendung des Gleichheitssatzes jedem Unternehmer in (annähernd) gleicher Höhe bereitgestellt, wenn er bei seinen Investitionen die in den maßgebenden Richtlinien festgelegten Voraussetzungen, Bedingungen und Auflagen erfüllte.

Wegen der Einzelheiten wird bezüglich des LFP Niedersachsen auf die ,,Richtlinien für die Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur des Landes Niedersachsen" vom 13. Juni 1975 (Niedersächsisches Ministerialblatt - Nds. MBl. - 1975, 946) und bezüglich der Förderung aus GA-Mitteln auf das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe ,,Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" vom 6. Oktober 1969 (BGBl I 1969, 1861) und den 9. Rahmenplan nach diesem Gesetz vom 9. Mai 1980 (Nds. Mbl. 1980, 656) verwiesen.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, daß die ihr gewährten Investitionszuschüsse bei der Ermittlung der Teilwerte des beweglichen Anlagevermögens wertmindernd zu berücksichtigen seien und beantragte deshalb im Einspruchsverfahren, die Einheitswerte des Betriebsvermögens

auf den 1. Januar 1978 um . . . DM,

auf den 1. Januar 1979 um . . . DM,

auf den 1. Januar 1980 um . . . DM,

auf den 1. Januar 1981 um . . . DM und

auf den 1. Januar 1982 um . . . DM zu ermäßigen.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Einheitswerte des Beriebsvermögens auf den 1. Januar der Jahre 1978 bis 1982 entsprechend dem Antrag der Klägerin herabgesetzt.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Verletzung von §§ 2 und 95 des Bewertungsgesetzes (BewG) i. V. m. §§ 109, 10, 98 a BewG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Die Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens, zu deren Anschaffung die Klägerin Zuschüsse aus LFP- sowie aus GA-Mitteln erhalten hat, sind bei der Feststellung des Einheitswerts für den gewerblichen Betrieb der Klägerin gemäß § 109 Abs. 1 BewG mit dem Teilwert anzusetzen. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens - dessen Fortführung unterstellt - im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (§ 10 BewG). Dabei wird vermutet, daß dieser Wert den um die Absetzungen für Abnutzung verminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten entspricht (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Mai 1988 III R 151/86, BFHE 153, 566, BStBl II 1989, 269, und vom 30. November 1988 II R 237/83, BFHE 155, 140, BStBl II 1989, 183).

Der erkennende Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 12. April 1989 II R 213/85 (BFHE 156, 507, BStBl II 1989, 545) und II R 121/87 (BFHE 156, 510, BStBl II 1989, 547) ausgesprochen, daß Ausgangspunkt für die sog. Teilwertvermutungen die nicht um Investitionszulagen und -zuschüsse gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten der bezuschußten Wirtschaftsgüter sind. Hieran hält der Senat im Anschluß an die Urteile vom 20. September 1989 II R 96/86 (BFHE 159, 95, BStBl II 1990, 206), vom 17. Januar 1990 II R 64/87 (BFHE 159, 359, BStBl II 1990, 367) und vom 21. Februar 1990 II R 27/87 (BFHE 160, 266, BStBl II 1990, 566) fest.

Der Klägerin ist es nicht gelungen, diese Teilwertvermutungen zu entkräften.

Nach den Urteilen des III. Senats vom 8. Mai 1981 III R 109/76 (BFHE 133, 572, BStBl II 1981, 700) und III R 26/79 (BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702) können zwei Umstände zur generellen Entkräftung der Teilwertvermutung führen:

1. die generelle Beeinflussung des Marktpreises von bestimmten Wirtschaftsgütern, wie dies z. B. nach Meinung des III. Senats hinsichtlich des Marktpreises der inländischen Schiffe der Fall war (vgl. BFHE 133, 572, BStBl II 1981, 700);

2. die starken unternehmenspolitischen Beschränkungen des Zuschußempfängers, wie sie in dem Fall des Blockheizwerkes vorlagen (vgl. BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die an die Klägerin gezahlten Zuschüsse für die Errichtung und Erweiterung ihrer Produktionsstätten sind nicht mit den Zuschüssen vergleichbar, die nach Auffassung des III. Senats in den vorgenannten Fällen den Teilwert gemindert haben.

a) Die Zuschüsse aus GA-Mitteln konnten nach Maßgabe des 9. Rahmenplans nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe ,,Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" für bestimmte, volkswirtschaftlich besonders förderungswürdige Investitionen in genau festgelegten Fördergebieten bzw. Schwerpunktorten in unterschiedlicher Höhe und ohne Rechtsanspruch gewährt werden.

Aus dieser Ausgestaltung des Förderprogramms im 9. Rahmenplan ergibt sich, daß nicht jeder Unternehmer damit rechnen konnte, die Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens werde durch einen Zuschuß in bestimmter Höhe verbilligt. Gefördert wurde die Anschaffung oder Herstellung dieser Wirtschaftsgüter nur insoweit, als die Investition in strukturschwachen Gebieten erfolgte. Deshalb kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht davon ausgegangen werden, daß die Zahlungen aus GA-Mitteln allgemein in das Marktgeschehen eingegriffen und den Marktwert neuer Wirtschaftsgüter negativ beeinflußt hätten.

Die Zuschüsse aus GA-Mitteln sind auch nicht mit solchen Verwendungsauflagen verknüpft, die mit den unternehmenspolitischen Beschränkungen des Zuschußempfängers im Falle des Blockheizwerkes (BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702) verglichen werden könnten. In jenem Fall mußte sich der Zuschußempfänger verpflichten, das Heizwerk mindestens 20 Jahre lang zu 95 v. H. mit Kohle zu betreiben. Eine vergleichbare Einschränkung der unternehmerischen Freiheit der Klägerin ist im Streitfall nicht erkennbar. Zwar war die Klägerin verpflichtet, mit den geförderten gewerblichen Investitionen neue Dauerarbeitsplätze zu schaffen, doch sahen die Richtlinien bei Nichteinhaltung dieser Verpflichtung nur unter bestimmten Voraussetzungen eine mögliche (Teil-)Rückzahlung der Zuschüsse vor. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz wird ein (gedachter) Erwerber der Betriebe der Klägerin die Investitionszuschüsse bei der Kaufpreisbestimmung nicht als Abzugsposten berücksichtigen können. Denn bezuschußte Wirtschaftsgüter haben nicht generell einen nach Maßgabe des Zuschusses verminderten Teilwert (s. BFHE 156, 510, BStBl II 1989, 547).

b) Auch hinsichtlich der Zuschüsse aus LFP-Mitteln ist nicht ersichtlich, daß diese Zuschüsse für Investitionen in bestimmten benachteiligten Gebieten Niedersachsens allgemein die Marktpreise für Investitionsgüter gesenkt hätten.

Die Gewährung der Zuschüsse aus LFP-Mitteln sollte nach den Förderungsrichtlinien vom 13. Juni 1975 die Wirtschaftsstruktur in bestimmten Schwerpunktorten außerhalb der im Rahmenplan für die Gemeinschaftsaufgabe ,,Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ausgewiesenen Fördergebiete durch gezielte Maßnahmen verbessern. Ein Rechtsanspruch auf die Gewährung von Landesmitteln bestand nicht. Die Ausgestaltung des Förderprogramms entspricht der Förderung mit GA-Mitteln. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, daß die Zahlung der Zuschüsse allgemein in das Marktgeschehen eingegriffen und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der bezuschußten Wirtschaftsgüter ermäßigt hat.

Auch sind die Zuschüsse aus LFP-Mitteln nicht mit Verwendungsauflagen verknüpft, die Einfluß auf den Teilwert haben könnten. Daß die Klägerin verpflichtet war, Dauerarbeitsplätze zu schaffen und daß sie bei Nichteinhaltung der Zweckbindung für die Dauer von fünf Jahren zur Rückzahlung der Zuschüsse verpflichtet war, beeinträchtigte die Klägerin nicht in ihrer unternehmenspolitischen Freiheit innerhalb ihres Geschäftszwecks in einem dem Blockheizwerkfall vergleichbaren Ausmaß.

Das angefochtene Urteil, das von einer anderen Auffassung ausgegangen ist, ist danach aufzuheben.

2. Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Sie ist unbegründet. Denn die Klägerin hat sich ausschließlich darauf berufen, daß die Teilwerte der mit Hilfe der Zuschüsse angeschafften Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens nach Maßgabe dieser Zuschüsse zu mindern seien. Anhaltspunkte dafür, daß die Teilwerte aus anderen Gründen niedriger sein könnten, hat die Klägerin weder geltend gemacht noch sind derartige Anhaltspunkte erkennbar. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Urteil, da sich sowohl die Klägerin als auch das FA damit einverstanden erklärt haben. Das FA hat zwar mit Schriftsatz vom 28. Dezember 1987 mitgeteilt, daß ,,entgegen der Einverständniserklärung im Schriftsatz vom 8. Dezember 1987 . . . ein Verzicht auf mündliche Verhandlung zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht für angebracht gehalten" werde. Doch beseitigt diese Erklärung vom 28. Dezember 1987 nicht die als Prozeßhandlung unwiderrufliche Erklärung vom 8. Dezember 1987 (vgl. BFH-Urteile vom 26. Oktober 1970 III R 122/66, BFHE 101, 49, BStBl II 1971, 201, und vom 26. November 1970 IV R 131/69, BFHE 101, 61, BStBl II 1971, 241).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417571

BFH/NV 1992, 369

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