Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückfluß von Werbungskosten im Rahmen einer Kaufpreiszahlung - Bindung an Tatsachenwürdigung des FG

 

Leitsatz (amtlich)

Erstattet der Erwerber eines Grundstücks dem Veräußerer im Rahmen des Kaufpreises Finanzierungskosten, die der Veräußerer als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen hatte, so kann der Erstattungsbetrag beim Veräußerer zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gehören.

 

Orientierungssatz

1. Die Annahme einer Werbungskostenerstattung hindert nicht, daß das gesamte Entgelt zivilrechtlich Gegenleistung für die Grundstücksübertragung ist und auf einer einheitlichen vertraglichen Grundlage beruht (offengelassen im BFH-Beschluß vom 3.12.1990 IX B 136/89). Der Annahme eines Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten bedarf es hierzu nicht.

2. Der BFH kann als Revisionsgericht nicht seine eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle der Würdigung des FG setzen, wenn diese möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 21.7.1993 IX R 9/89).

 

Normenkette

EStG 1986 § 9 Abs. 1 Nr. 1, §§ 21, 2; FGO § 118 Abs. 2; AO 1977 § 42

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, erwarben im Jahre 1980 von der Stadt S ein Grundstück, das sie mit einer Doppelhaushälfte bebauten und anschließend zum Teil selbst bewohnten, teilweise vermieteten. Nach Bezug des Hauses im Juli 1982 wurden erhebliche Bodenverunreinigungen bekannt. Die Stadt beschloß, die verseuchten Grundstücke zu sanieren. Zu diesem Zweck führte sie mit den betroffenen Eigentümern Verhandlungen über den Ankauf von deren Grundstücken. Zudem erließ sie "Richtlinien über die Ermittlung von Entschädigungen beim Erwerb von Hausbesitzungen im Bereich des Sanierungsgebietes (Richtlinien A)". Erstattungsfähig waren hiernach u.a. die Finanzierungskosten des Gebäudes, die bis zu dessen Bezugsfertigkeit angefallen waren. Das Grundstück der Kläger lag im Sanierungsgebiet. Die Stadt bot nach Aufforderung der Kläger den Ankauf an. Diese wiesen u.a. Finanzierungskosten von 13 701,93 DM nach. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1981 hatten die Kläger Finanzierungskosten (Schuldzinsen) von 6 708 DM, bei der Veranlagung 1982 von 12 683 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen. Sie einigten sich mit der Stadt wie folgt über die Höhe der zu erstattenden Aufwendungen:

Herstellungskosten 460 000,00 DM

Grundstückskaufpreis 13 581,00 DM

Außenanlagen 3 419,50 DM

Finanzierung (Disagio und Bauzinsen) 13 701,93 DM

Notar- und Gerichtskosten 601,86 DM

Einbauküche 14 290,00 DM

Summe 505 594,29 DM

Durch Vertrag vom Mai 1986 veräußerten die Kläger das Grundstück an die Stadt. Die Zusammensetzung des Kaufpreises von

505 594,29 DM geht aus dem Vertrag, durch den nach seinem

Inhalt (§ 17) zugleich die Entschädigungsansprüche der Kläger

abgegolten werden sollten, nicht hervor. Der Beklagte und

Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfaßte bei der

Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr (1986) den der

Erstattung der Finanzierungskosten entsprechenden Teil des

Entgelts als Einnahme bei den Einkünften aus Vermietung und

Verpachtung.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch

erhobene Klage ab. Nach seiner Ansicht führt die Erstattung

von Werbungskosten zu Einnahmen im Jahre des Rückflusses.

Gegen die Entscheidung des FG richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie Verletzung des § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rügen.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1986 dahingehend zu ändern, daß die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um den Betrag von 13 701 DM gemindert werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht einen Teil des im Vertrag vom Mai 1986 vereinbarten Entgelts als Werbungskostenerstattung behandelt und als Einnahme bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erfaßt.

1. Das FG ist zutreffend von dem Grundsatz ausgegangen, daß Beträge, die Werbungskosten ersetzen, im Jahre des Zuflusses steuerpflichtige Einnahmen bei der Einkunftsart sind, bei der die Aufwendungen vorher als Werbungskosten abgezogen worden waren (Senatsurteile vom 23. März 1993 IX R 67/88, BFHE 171, 183, BStBl II 1993, 748; vom 23. November 1993 IX R 101/92, BFHE 173, 103, BStBl II 1994, 348). Unerheblich ist, daß nicht der Darlehensgläubiger, sondern ein Dritter die Werbungskosten erstattet (vgl. Senatsurteile vom 1. Dezember 1992 IX R 189/85, BFHE 170, 111, BStBl II 1994, 11, sowie IX R 333/87, BFHE 170, 113, BStBl II 1994, 12).

2. Die Aufteilung des Entgelts durch das FG hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

a) Daß das gesamte Entgelt zivilrechtlich Gegenleistung für die Grundstücksübertragung war und auf einer einheitlichen vertraglichen Grundlage beruhte, hindert die Annahme einer Werbungskostenerstattung nicht (offengelassen im Senatsbeschluß vom 3. Dezember 1990 IX B 136/89, BFH/NV 1991, 316). Der Annahme eines Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 der Abgabenordnung --AO 1977--) bedarf es hierzu nicht. Die Parteien eines Vertrages können zwar einen Sachverhalt vertraglich gestalten, nicht aber die steuerrechtlichen Folgen bestimmen, die das Steuergesetz an die vorgegebene Gestaltung knüpft.

b) Die von der Stadt S zu erbringenden Entschädigungsleistungen haben nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ihren Niederschlag in der Höhe des vereinbarten Entgeltes gefunden.

Es entsprach dem Willen der Vertragsparteien, wie er sich aus dem Inhalt des Vertrages vom Mai 1986 ergibt, wonach auch die Entschädigungsansprüche der Kläger abgegolten werden sollten. Diese tatsächliche Würdigung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist für den Senat gemäß § 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend. Der Bundesfinanzhof kann als Revisionsgericht nicht seine eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle der Würdigung des FG setzen, wenn diese möglich ist (Senatsurteil vom 21. Juli 1993 IX R 9/89, BFHE 172, 498, BStBl II 1994, 231).

3. Das angefochtene Urteil entspricht den vorstehenden Rechtsgrundsätzen. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65129

BFH/NV 1995, 19

BStBl II 1995, 118

BFHE 175, 546

BFHE 1995, 546

BB 1995, 84 (L)

DB 1995, 188 (LT)

DStR 1995, 370 (KT)

HFR 1995, 134 (KT)

StE 1995, 4 (K)

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