Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die gesetzliche Vermutung, daß ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter in Vermögensverfall geraten ist, wenn er in das vom Konkursgericht oder Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, ist widerlegbar.

2. Der Widerruf der Bestellung als Steuerberater (Steuerbevollmächtigter) kann nicht aufrechterhalten werden, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine Rechtspflicht zur sofortigen Wiederbestellung besteht.

 

Orientierungssatz

Vor der Wiederbestellung ist u.a. zu prüfen, ob der zu bestellende Steuerberater in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse liegen vor, wenn der Bewerber über regelmäßige Einkünfte verfügt und die Ausgaben die Einnahmen nicht übersteigen. Dabei sind Schulden für sich allein gesehen unschädlich, wenn der Schuldendienst gesichert ist und sie nach Art und Höhe in Ansehung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Bewerbers in einem überschaubaren Zeitraum getilgt werden können.

 

Normenkette

StBerG § 46 Abs. 2 Nrn. 6, 5, § 48 Abs. 2, § 37 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 22.09.1993; Aktenzeichen 13 K 65/92)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Jahr 1989 als Steuerberater bestellt. Nach einer Mitteilung des Amtsgerichts an das beklagte und revisionsbeklagte Finanzministerium (FinMin) wurde gegen den Kläger im Jahre 1991 in zwei Fällen Haft zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung angeordnet. Das FinMin teilte daraufhin dem Kläger mit, daß beabsichtigt sei, die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen und gab ihm Gelegenheit, innerhalb eines Monats zu der beabsichtigten Maßnahme Stellung zu nehmen. Mit Bescheid vom 10. Januar 1992 widerrief das FinMin die Bestellung des Klägers als Steuerberater wegen Vermögensverfalls, nachdem eine Stellungnahme des Klägers ausgeblieben war.

Die Klage des Klägers gegen den Widerrufsbescheid blieb erfolglos, obwohl die Eintragungen der Haftanordnung im Schuldnerverzeichnis (§ 915 der Zivilprozeßordnung --ZPO--), die zu dem Widerruf der Bestellung geführt haben, kurz vor der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) gelöscht worden sind. Das Urteil des FG ist mit den wesentlichen Entscheidungsgründen in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 44 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen (§§ 96, 76 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und materiellen Rechts.

Er macht geltend, das FG gehe zwar zutreffend davon aus, daß die Aufrechterhaltung einer Widerrufsverfügung gegen Treu und Glauben verstoße, wenn dem Antrag auf Wiederbestellung sofort stattgegeben werden müßte. Es meine aber zu Unrecht, die Voraussetzungen für seine Wiederbestellung zum Steuerberater lägen nicht vor, da er noch nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse als Voraussetzung der Wiederbestellung zum Steuerberater könnten auch dann vorliegen, wenn der Kläger Schulden habe. Erforderlich sei lediglich, daß er seinen Verpflichtungen, die aus den Schulden resultierten, nachkommen könne. Dies habe das FG nicht geprüft, sondern allein auf seine Verbindlichkeiten nach der Vermögensaufstellung zum 31. August 1993 abgestellt. Feststellungen des FG zu der entscheidungserheblichen Frage, ob die Einnahmen des Klägers im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung seine Ausgaben voraussichtlich deckten, fehlten in dem Urteil gänzlich, obwohl sie dem klägerischen Vorbringen in ausreichendem Umfang zu entnehmen gewesen seien. Die Revision verweist hierzu unter Geltendmachung der Verfahrensrüge gemäß § 96 FGO auf eine Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben, wie sie sich im einzelnen aus den Schriftsätzen des Klägers im finanzgerichtlichen Verfahren ergeben sollen.

Die Anfechtungsklage sei auch deshalb begründet, weil die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 6 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) schon im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung nicht mehr vorgelegen hätten. Das FG habe verkannt, daß die Vermutung des Vermögensverfalls bei Eintragung in das Schuldnerverzeichnis widerlegbar sei. Der Vermögensverfall werde nach der Gesetzesfassung nicht unwiderleglich vermutet und auch nicht fingiert. Ein Steuerberater, der zwar noch im Schuldnerverzeichnis eingetragen sei, der sich aber tatsächlich nicht in Vermögensverfall befinde, stelle auch für die Auftraggeberinteressen nicht mehr die vom Gesetzgeber vorausgesetzte potentielle (abstrakte) Gefahr dar, weil der vom Gesetzgeber angenommene Anlaß für eine mögliche Gefährdung der Auftraggeberinteressen gerade nicht mehr bestehe. Dies habe das FG ebenfalls verkannt.

Infolge seines unzutreffenden rechtlichen Ausgangspunktes habe das FG nicht geprüft, ob sich der Kläger zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung in Vermögensverfall befunden habe. Bei Erlaß des Widerrufsbescheids vom 10. Januar 1992 sei dies indes nicht mehr der Fall gewesen, wie die vom Kläger eingereichten zeitnahen Vermögensaufstellungen zum 31. Dezember 1991 und zum 15. März 1992 zeigten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG in der für den Streitfall geltenden Fassung (jetzt § 46 Abs. 2 Nr. 5 StBerG aufgrund des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24. Juni 1994, BGBl I, 1387) ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird nach Halbsatz 2 der Vorschrift vermutet, wenn der Steuerberater in das vom Konkursgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis (§ 107 Abs. 2 der Konkursordnung --KO--, § 915 ZPO) eingetragen ist. Im übrigen liegt ein Vermögensverfall vor, wenn der Schuldner (hier: Steuerberater) in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (Urteil des Senats vom 3. November 1992 VII R 95/91, BFH/NV 1993, 624, 625 m.w.N.; Beschluß des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 25. März 1991 AnwZ (B) 80/90, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1991, 2083, zu der gleichlautenden Widerrufsvorschrift in § 14 Abs. 2 Nr. 8 der Bundesrechtsanwaltsordnung --BRAO--; ebenso: Späth in Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 46 StBerG Kommentar, B 622.1).

Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß im finanzgerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren gegen die Widerrufsverfügung einerseits zu prüfen ist, ob diese nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung rechtmäßig ergangen ist, zum anderen aber das Gericht auch eine im Zeitpunkt seiner Entscheidung bestehende veränderte Sachlage berücksichtigen muß, wenn sich aus dieser eine Rechtspflicht zur sofortigen Wiederbestellung ergibt. Denn die Aufrechterhaltung einer Widerrufsverfügung durch die beklagte Behörde würde gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sie den Widerruf noch in einem Zeitpunkt verteidigte, in dem sie einem Antrag auf Wiederbestellung stattgeben müßte (Senatsurteil vom 1. Juli 1981 VII R 84/80, BFHE 134, 79, BStBl II 1981, 740; BGH-Beschluß in NJW 1991, 2083, 2084).

2. a) Im Zeitpunkt des Ergehens des Widerrufsbescheids vom 10. Januar 1992 konnte das FinMin --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- aufgrund des ihm bekanntgewordenen Sachverhalts davon ausgehen, daß es zum Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG verpflichtet sei. Denn durch die Mitteilung des Amtsgerichts, daß der Kläger dort in zwei Fällen in das gemäß § 915 ZPO geführte Schuldnerverzeichnis eingetragen sei, ist die gesetzliche Vermutung begründet worden, daß er in Vermögensverfall geraten war. Die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis waren im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltungsbehörde noch nicht gelöscht worden. Für die gesetzliche Ausnahme von der Widerrufspflicht, daß die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind, bestanden für das FinMin keine Anhaltspunkte, da der Kläger vorangegangene Aufforderungen zur Stellungnahme unbeantwortet gelassen hatte.

Der Kläger hat aber im Klageverfahren, wie sich aus dem Urteil des FG ergibt, u.a. vorgetragen, aus den Haftanordnungen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, die zur Eintragung in das Schuldnerverzeichnis geführt haben, könne nicht der Schluß gezogen werden, daß er in Vermögensverfall geraten sei. Weder zum Zeitpunkt des Zugangs des Widerrufsbescheids noch zu einem danach liegenden Zeitpunkt habe eine Überschuldung vorgelegen, wie er unter Vorlage einer Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva zum 31. Dezember 1991 und zum 15. März 1992 näher ausgeführt hat. Das FG hat dazu ausgeführt, dieses Vorbringen sei bei Fortbestand der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ohne Bedeutung. Die in § 46 Abs. 2 Nr. 6 Halbsatz 2 StBerG aufgestellte gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls könne nicht dadurch widerlegt werden, daß der betroffene Steuerberater seine Vermögensverhältnisse positiv darstelle. Die gesetzliche Vermutung wirke vielmehr so lange, wie die Eintragungen in den Schuldnerverzeichnissen bestehen. Nach der Gesetzesfassung könne nicht die Vermutung des Vermögensverfalls, sondern nur die aufgrund des Vermögensverfalls von dem Gesetzgeber angenommene Gefährdung der Auftraggeberinteressen widerlegt werden.

b) Der Senat vermag der Auffassung des FG, wonach die Vermutung des Vermögensverfalls nach § 46 Abs. 2 Nr. 6 Halbsatz 2 StBerG nicht widerlegbar sein soll, nicht zu folgen. Stellt das Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung auf, so ist nach § 155 FGO i.V.m. § 292 ZPO der Beweis des Gegenteils zulässig, sofern nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Die Möglichkeit der Widerlegung muß demnach auch für die an die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis gemäß § 915 ZPO, § 107 KO geknüpfte gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nach § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG bestehen, da das Gesetz hier weder die Unwiderlegbarkeit der Vermutung bestimmt (so z.B. für die Zerrüttungsvermutung in § 1566 des Bürgerlichen Gesetzbuches) noch eine Fiktion aufstellt (ebenso Stöcker, Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1994, 234, 235, 236). Auch der BGH hat für die gleichlautende Widerrufsvorschrift in § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO entschieden, daß der betroffene Rechtsanwalt die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls widerlegen kann, wozu allerdings die auch im Streitfall vorliegende spätere Löschung der Eintragung im Schuldnerverzeichnis und die Tilgung der Schulden, die zu dieser Eintragung geführt haben, allein nicht ausreicht (BGH in NJW 1991, 2083, 2084).

Da das FG die Widerlegbarkeit der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls nach § 46 Abs. 2 Nr. 6 Halbsatz 2 StBerG verkannt hat, ist es dem darauf gerichteten Vorbringen des Klägers nicht nachgegangen. Es hat nicht darüber entschieden, ob der Kläger trotz seiner Eintragung im Schuldnerverzeichnis im Zeitpunkt des Ergehens des Widerrufsbescheids nicht in Vermögensverfall geraten war und deshalb der Widerrufsbescheid nicht hätte erlassen werden dürfen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben; zur Nachholung entsprechender Feststellungen und zur Entscheidung über die Frage des Vermögensverfalls ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.

c) Das FG wird bei seiner Entscheidung von der oben (s. 1.) dargelegten Definition des Vermögensverfalls auszugehen haben, wobei insbesondere zu prüfen sein wird, ob der Kläger trotz seiner erheblichen Schulden im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids am 10. Januar 1992 (aufgrund seiner Einnahmen) in der Lage war, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Der Senat kann hierüber auf der Grundlage der Feststellungen der Vorinstanz nicht selbst entscheiden, da das FG auch eine tatsächliche Würdigung der Angaben des Klägers in den zeitnahen Vermögensaufstellungen zum 31. Dezember 1991 und zum 15. März 1992 nicht vorgenommen hat. Das FG hat sich --von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend-- im Rahmen der Prüfung, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung (22. September 1993) der Widerrufsbescheid trotz der inzwischen erfolgten Löschung der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis aufrechtzuerhalten war, weil der Kläger noch immer nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebte, lediglich mit der seinem Entscheidungszeitpunkt zeitnahen Vermögensaufstellung zum 31. August 1993 befaßt, aus der sich nach dem Vorbringen des FinMin eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Klägers ergeben soll. Aus der tatsächlichen Würdigung der Angaben in der Vermögensaufstellung zum 31. August 1993, insbesondere zum Aktivvermögen des Klägers, dessen Wertansätze das FG im wesentlichen für unzutreffend hält, kann der Senat aber keine für die Revisionsentscheidung verwertbaren Tatsachenfeststellungen hinsichtlich der Vermögensverhältnisse und der Zahlungsfähigkeit des Klägers zu dem etwa 20 Monate früher liegenden Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung entnehmen. Ob die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls im Zeitpunkt des Ergehens des Widerrufsbescheids durch die Angaben des Klägers widerlegt wird, wird deshalb das FG als Tatsacheninstanz festzustellen und in tatsächlicher Hinsicht zu würdigen haben. Ggf. wird es den Kläger zur Ergänzung seiner Angaben über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung sowie seiner damaligen Vorstellungen über die Tilgung der Verbindlichkeiten auffordern müssen (vgl. BGH in NJW 1991, 2083). Der Kläger erhält im Rahmen der gerichtlichen Prüfung, ob er Anfang Januar 1992 außerstande war, seinen Verpflichtungen nachzukommen, erneut Gelegenheit, seine Einwendungen gegen die Bewertung bzw. die (Nicht-)Berücksichtigung seines Aktivvermögens durch das FG in dem finanzgerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Es kann deshalb dahinstehen, ob die insoweit erhobenen Verfahrensrügen (Nichtberücksichtigung des gesamten Verfahrensstoffes entgegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zulässig und begründet wären.

3. Für den Fall, daß die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 6 Halbsatz 2 StBerG) vom Kläger nicht widerlegt werden kann, der Widerrufsbescheid im Zeitpunkt seines Ergehens also rechtmäßig war, ist das FG im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Löschung der zum Widerruf führenden Eintragungen des Klägers im Schuldnerverzeichnis zutreffend davon ausgegangen, daß der Widerruf der Bestellung dennoch nicht aufrechterhalten werden kann, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine Rechtspflicht zur sofortigen Wiederbestellung bestünde (vgl. oben 1. mit Hinweis auf die dort zitierte Rechtsprechung). Eine Wiederbestellung des Klägers als Steuerberater käme aber dann nicht in Betracht, wenn der Vermögensverfall (vgl. die Definition unter 1.) noch andauert. Es muß vielmehr zweifelsfrei feststehen, daß sich die Vermögensverhältnisse nachhaltig gebessert haben (BGH in NJW 1991, 2083, 2084). Dies folgt --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- auch aus § 48 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1, § 37 Abs. 1 Nr. 2 StBerG, wonach vor der Wiederbestellung u.a. zu prüfen ist, ob der zu bestellende Steuerberater in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse liegen vor, wenn der Bewerber über regelmäßige Einkünfte verfügt und die Ausgaben die Einkünfte nicht übersteigen. Dabei sind Schulden für sich allein gesehen unschädlich, wenn der Schuldendienst gesichert ist und sie nach Art und Höhe in Ansehung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Bewerbers in einem überschaubaren Zeitraum getilgt werden können (vgl. Meggendorfer in Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 37 StBerG Kommentar, B.406, B.407; Gehre, Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 37 Rdnr.7).

Das FG hat für den Zeitpunkt seiner Entscheidung (22. September 1993) unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze angenommen, daß der Kläger nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe und deshalb die Voraussetzungen für seine Bestellung als Steuerberater nicht vorlägen. Dabei ist es von den Angaben in der Vermögensaufstellung zum 31. August 1993 ausgegangen, wobei es das ausgewiesene Aktivvermögen als zum Teil überbewertet bzw. als nicht berücksichtigungsfähig angesehen hat. Es kann dahinstehen, ob der Kläger hinsichtlich dieser tatrichterlichen Beurteilung und hinsichtlich seines weiteren Vorbringens, daß das FG die vom ihm vorgelegte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben und damit die Möglichkeit zur Erbringung des Schuldendienstes und zur absehbaren Tilgung der Schulden nicht berücksichtigt habe, zulässige und begründete Verfahrensrügen i.S. des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO erhoben hat. Denn die Frage, ob der Widerrufsbescheid --falls er im Zeitpunkt seines Ergehens rechtmäßig war-- trotz zwischenzeitlicher Löschung der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis aufrechtzuerhalten ist, weil der Kläger noch immer nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, kann nunmehr nach Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG aus den Gründen zu 2. nicht mehr nach dem Zeitpunkt der ursprünglichen finanzgerichtlichen Entscheidung beurteilt werden. Das FG wird, wenn es die Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls als gescheitert ansieht, für den Zeitpunkt seiner erneuten Entscheidung zu prüfen haben, ob der Widerrufsbescheid deshalb aufrechtzuerhalten ist, weil eine Wiederbestellung des Klägers mangels geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse nicht in Betracht kommt. Die Vermögensverhältnisse des Klägers sowie seine Fähigkeit zur Erbringung des Schuldendienstes und zur Tilgung der Verbindlichkeiten in einem überschaubaren Zeitraum können dann aber nicht auf der Grundlage der Vermögensaufstellung zum 31. August 1993 und des bisherigen tatsächlichen Vorbringens des Klägers beurteilt werden, da diese Angaben schon jetzt etwa zwei Jahre zurückliegen. Das FG wird seine Entscheidung auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse im Entscheidungszeitpunkt zu treffen haben, zu denen der Kläger uneingeschränkt berechtigt und verpflichtet ist, neue Unterlagen vorzulegen und neue Tatsachen vorzutragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65597

BFH/NV 1996, 4

BStBl II 1995, 909

BFHE 178, 504

BFHE 1996, 504

BB 1995, 2518 (L)

DB 1995, 2510 (L)

DStZ 1996, 93-94 (KT)

HFR 1996, 91-92 (L)

StE 1996, 68-71 (KT)

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