Leitsatz (amtlich)

Wird ein Zeitraum, für den bereits auf Grund einer Lohnsteuer- Außenprüfung ein Haftungsbescheid ergangen ist, erneut geprüft, so können in einem weiteren Haftungsbescheid bislang im Prüfungszeitraum nicht festgestellte Sachverhalte mit steuerlicher Auswirkung erfaßt werden (Anschluß an BFH-Urteil vom 30.August 1988 VI R 21/85, BFHE 155, 68, BStBl II 1989, 193).

 

Orientierungssatz

1. Im Anwendungsbereich des § 173 Abs. 2 AO 1977 kommt es nicht auf den Inhalt der Prüfungsanordnung, sondern auf den Regelungsbereich des zu ändernden Steuerbescheids an. Bei der Einkommensteuer als Veranlagungssteuer betrifft der Regelungsbereich eines Steuerbescheids zwar das gesamte Kalenderjahr, so daß aus diesem Grunde dort eine Berichtigung wegen übersehener lohnsteuerpflichtiger Vorteile grundsätzlich ausgeschlossen ist. Bei Lohnsteuer-Nachforderungsbescheiden und Lohnsteuer-Haftungsbescheiden gilt dies wegen ihrer Sachverhaltsbezogenheit nicht (vgl. BFH-Rechtsprechung).

2. Der Anordnung einer Außenprüfung für einen bereits geprüften Zeitraum steht in der Regel weder der Grundsatz von Treu und Glauben noch der auf dem Rechtsstaatsprinzip beruhende Vertrauensgrundsatz entgegen. Daraus folgt, daß insoweit grundsätzlich auch die steuerliche Auswertung einer derartigen Prüfung zulässig ist. Etwas anderes könnte gelten, wenn Haftungsbescheiden, die aufgrund früheren Lohnsteuer-Prüfungen ergangen sind, die konkludente Zusage des FA zu entnehmen wäre, daß es hinsichtlich des Prüfungszeitraums wegen anderer Sachverhalte keinen weiteren Haftungsbescheid gegen den Arbeitgeber erlassen werde (Festhaltung an BFH-Urteil vom 30.8.1988 VI R 21/85).

 

Normenkette

AO 1977 § 130 Abs. 2, § 173 Abs. 2

 

Tatbestand

Bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Jahre 1976 eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Prüfungszeitraum 1.Januar 1972 bis 30.April 1976 durch. Dabei wurden auch die Anstellungsverträge der Arbeitnehmer geprüft, ohne daß der Prüfer daraus Anhaltspunkte für eine private Benutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge durch Arbeitnehmer oder eine betriebliche Erstattung der Kosten für in Privaträumen der Arbeitnehmer stehende Fernsprechanschlüsse entnahm. Der auf Grund der Prüfung erlassene Haftungsbescheid vom 28.Oktober 1976 enthielt deshalb auch keine derartigen Tatbestände.

In der Zeit vom 30.Mai bis 12.Juni 1979 prüfte das FA die Klägerin erneut; Prüfungszeitraum war diesmal der 1.Mai 1976 bis 31.Mai 1979. In seinem Bericht vom 26.Juli 1979 stellte der Prüfer lohnsteuerrelevante PKW- und Telefonnutzungen durch Arbeitnehmer fest. Da die Arbeitnehmer A, B und C die ihnen dienstlich zur Verfügung stehenden PKW der Arbeitgeberin auch für private Fahrten benutzen durften, stellte der Prüfer monatliche geldwerte Vorteile von 434,50 DM für A (6/76 bis 5/79), 77 DM für B (5/76 bis 5/79) und 21 DM für C (ab 8/78) fest. Ferner ermittelte der Prüfer einen A zugewendeten geldwerten Vorteil aus dessen Telefonnutzung, da ihm von der Klägerin die Telefonkosten einschließlich der Grundgebühren für den in seiner Privatwohnung stehenden Anschluß in voller Höhe erstattet worden waren. Der Prüfer stellte den geldwerten Vorteil auf monatlich 35 DM fest; danach war für die Jahre 1976 bis 1978 Lohnsteuer von 526 DM und für 1979 von 104 DM nachzuerheben. Unter anderem wegen der vorgenannten Feststellungen erließ das FA unter dem 13.September 1979 einen weiteren Haftungsbescheid gegen die Klägerin.

Schließlich führte die Großbetriebsprüfungsstelle in der Zeit vom 27.November 1978 bis 25.September 1979 eine Außenprüfung bei der Klägerin für die Zeit vom 1.Januar 1973 bis 31.Mai 1979 durch. Dabei stellte der Prüfer u.a. fest, daß B und A durch Gestellung privater Kraftfahrzeuge und Telefonanschlüsse lohnsteuerlich bislang nicht erfaßte geldwerte Vorteile erhalten hätten, und zwar B in Höhe von 66 DM (1973), 192 DM (1974), 192 DM (1975) und 80 DM (bis 31.Mai 1976) und A 0 DM (1973), 3 796,80 DM (1974), 5 042,80 DM (1975) und 2 347 DM (bis 31.Mai 1976). Das FA ermittelte für den Zeitraum vom 1.Januar 1974 bis zum 31.Mai 1976 darauf entfallende Lohn- und Lohnkirchensteuerbeträge sowie Ergänzungsabgabe und erließ gegenüber der Klägerin den Haftungsbescheid vom 20.November 1979. Im Haftungsbescheid ist vermerkt, die Beträge seien in der Schlußbesprechung anerkannt worden und der Arbeitgeber werde die Steuern übernehmen.

Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage, mit der sie u.a. einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben rügte.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:

Der angefochtene Haftungsbescheid sei wegen der durch ihn bewirkten Haftungserweiterung insoweit als Rücknahme der vorausgegangenen Haftungsbescheide zu werten. Die dafür notwendigen Voraussetzungen des § 130 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) lägen aber nicht vor.

Der Bescheid sei schon fehlerhaft, soweit er im Mai 1976 von B empfangene Vorteile in Höhe von 80 DM erfasse, obwohl hierfür im Haftungsbescheid vom 13.September 1979 bereits 77 DM angerechnet worden seien. Im übrigen sei er fehlerhaft, weil er unter Verstoß gegen § 130 Abs.2 AO 1977 die in den vorausgegangenen Haftungsbescheiden enthaltene Feststellung, die Klägerin für die im angefochtenen Bescheid erfaßten Vorteile nicht in Anspruch zu nehmen, nachträglich zurückgenommen habe. Denn der jetzt erfaßte Zeitraum (1.Januar 1973 bis 31.Mai 1976) falle insgesamt in die bereits durch die Bescheide vom 28.Oktober 1976 (1.Januar 1972 bis 30.April 1976) und vom 13.September 1979 (1.Mai 1976 bis 31.Mai 1979) erfaßten Zeiträume. Zwar sei bei nach § 173 Abs.2 AO 1977 änderbaren Lohnsteuer-Nachforderungsbescheiden nach herrschender Meinung die Änderung nur hinsichtlich eines solchen Sachverhalts unzulässig, der bereits vom Nachforderungsbescheid erfaßt sei. Da jedoch der Zweck des § 173 Abs.2 AO 1977 darin bestehe, das Vertrauen des Steuerpflichtigen auf die abschließende Sachverhaltsermittlung durch eine Außenprüfung zu schützen, werde bereits dort das Änderungsverbot auch auf den Fall ausgedehnt, daß ein Sachverhalt steuerlich verwertet werde, der schon im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung hätte erkannt werden können, weil er sich im Prüfungszeitraum ereignet hatte und dem Prüfer auch zugänglich war (Hinweis auf Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 173 AO 1977 Tz.36). Dasselbe müsse für Haftungsbescheide gelten, weil § 130 Abs.2 AO 1977 den sinngemäßen Vertrauensschutz in der vorgenannten Vorschrift gewährleiste. Mit einer Lohnsteuer-Außenprüfung solle in der Regel eine umfassende Ermittlung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Besteuerung des Arbeitslohns maßgebend seien, erreicht werden; nach Abschluß der Prüfung solle deshalb der Steuerpflichtige von weiteren Nachforderungen verschont werden. Dem würde es widersprechen, wenn durch eine enge Auslegung dieser Vorschrift eine erneute Haftungsinanspruchnahme ermöglicht würde. Unbeachtlich sei deshalb, ob der Sachverhalt bei den vorausgegangenen Prüfungen tatsächlich feststellbar gewesen sei, die Tatsachen sich also aus den Anstellungsverträgen ergeben hätten. Entscheidend sei, daß in den Prüfungsanordnungen ausdrücklich darauf hingewiesen werde, daß der Prüfer alle Verhältnisse festzustellen habe, die für die Steuerpflicht und die Bemessung der Steuer wesentlich seien. Dadurch werde zusammen mit dem angegebenen Prüfungszeitraum zum Ausdruck gebracht, daß die auf Grund dieser Prüfungsanordnung ergehenden Haftungsbescheide die lohnsteuerlichen Sachverhalte in dem Prüfungszeitraum vollständig berücksichtigten. Die Haftungsbescheide träfen insoweit eine negative Feststellung dergestalt, daß für weitere Vorteile keine Nachversteuerung durchzuführen sei.

Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung des § 130 Abs.2 AO 1977. Es trägt im wesentlichen vor:

Zu Unrecht gehe das FG davon aus, daß die vorausgegangenen beiden Haftungsbescheide zurückgenommen worden seien. Der erste Bescheid sei für die Zeit vom 1.Januar 1972 bis 30.April 1976 ergangen, der zweite habe die Ergebnisse der Lohnsteuer-Außenprüfung für die Zeit vom 1.Mai 1976 bis zum 31.Mai 1979 ausgewertet. Diese beiden Haftungsbescheide stellten also voneinander unabhängige Verwaltungsakte dar. Zu Unrecht stütze sich das FG für seine Auffassung, daß beide Haftungsbescheide durch den angefochtenen Bescheid teilweise zurückgenommen worden seien, auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.Januar 1985 VII R 112/81 (BFHE 143, 203, BStBl II 1985, 562), nach dem die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes vorliege, wenn das FA nach Rücknahme eines Haftungsbescheids für denselben Sachverhalt einen erneuten Haftungsbescheid erlasse. Im vorliegenden Streitfall handele es sich nicht um denselben Sachverhalt. Denn bei beiden vorangegangenen Prüfungen sei die Frage eines geldwerten Vorteils wegen der fraglichen PKW- oder Telefonnutzung für die Zeit vom 1.Januar 1972 bis 30.April 1976 nicht geprüft oder erörtert worden. Infolgedessen beträfen die beiden daraufhin ergangenen Bescheide auch nicht diesen Sachverhalt.

Auch der Grundsatz von Treu und Glauben habe dem Erlaß des streitigen Haftungsbescheides nicht entgegengestanden. Der Umstand, daß ein Prüfer bestimmte Vorgänge nicht beanstandet habe, rechtfertige kein Vertrauen auf die Richtigkeit; denn die Finanzbehörde könne für die Zukunft ihre Ansicht ändern. Dasselbe gelte für die Lohnsteuer-Außenprüfung, so daß der Arbeitgeber sich nicht darauf berufen könne, der Vorprüfer habe bestimmte Vorgänge nicht beanstandet. Ferner sei aus den beiden Vorberichten nicht ersichtlich, daß das FA eine Lohnsteuerpflicht nicht bejaht habe oder aus anderen Gründen auf die Steuer habe verzichten wollen.

Lediglich soweit das FA einen geldwerten Vorteil in Höhe von 80 DM für den Arbeitnehmer B für Mai 1976 erfaßt habe, sei die Klage berechtigt gewesen.

Das FA beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben, die Haftungsschuld auf 11 884 DM festzusetzen und die Anfechtungsklage im übrigen als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie meint, allein entscheidend sei die Frage, ob § 130 Abs.2 AO 1977 bei unmittelbarer oder entsprechender Anwendung dem Erlaß des streitigen Haftungsbescheids entgegengestanden habe. Die ersten beiden Haftungsbescheide hätten zum Ausdruck gebracht, daß alle lohnsteuerrechtlich relevanten Zeiträume zwischen dem 1.Januar 1972 und dem 31.Mai 1979 geprüft worden seien und die Lohnsteuer auf vorher nicht erfaßte Beträge jeder Art nachgefordert sei. Es sei auch kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, warum ein durch Haftungsbescheid in Anspruch genommener Steuerpflichtiger weniger schutzwürdig sein solle als einer, gegen den ein Steuerbescheid nach einer allgemeinen Außenprüfung ergangen sei. Der Rechtsgedanke des § 130 Abs.2 AO 1977 verlange einen Schutz des Steuerpflichtigen, wie ihn die Vorinstanz zutreffend bejaht habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist ganz überwiegend begründet. Denn der angefochtene Haftungsbescheid ist nur insoweit rechtswidrig, als das FA geldwerte Vorteile für den Monat Mai 1976 in Höhe von 80 DM betreffend den Arbeitnehmer B erfaßt hat.

1. Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, daß mit dem Erlaß des angefochtenen Haftungsbescheids eine Teilrücknahme der beiden vorangegangenen Bescheide verbunden sei. Auf § 130 Abs.2 AO 1977 hat sich die Vorinstanz deshalb zu Unrecht berufen.

Wie auch das FG nicht verkannt hat, beeinträchtigt der angefochtene Haftungsbescheid die vorausgegangenen Bescheide nicht in ihrem Bestand; sie gelten vielmehr unverändert fort.

Auch eine entsprechende Anwendung des § 130 Abs.2 AO 1977 oder des für Steuerbescheide geltenden § 173 Abs.2 AO 1977 kommt nicht in Betracht. Denn das würde voraussetzen, daß die früheren Lohnsteuer-Haftungsbescheide eine die gesamte frühere Prüfungsdauer abschließende Regelung enthielten. Das ist nicht der Fall.

Wie der Senat im Urteil vom 30.August 1988 VI R 21/85 (BFHE 155, 68, BStBl II 1989, 193) --teilweise unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 4.Juli 1986 VI R 182/80 (BFHE 147, 323, BStBl II 1986, 921)-- ausgeführt hat, sind Lohnsteuer-Nachforderungsbescheide und Lohnsteuer-Haftungsbescheide sachverhaltsbezogen. Denn die zu verschiedenen Zeiten und aufgrund verschiedener Tatumstände entstandenen Steuer- bzw. Haftungsschulden führen zu verschiedenen Nachforderungs- bzw. Haftungsfällen, die lediglich aus praktischen Gründen in einem --mehrere Sachverhalte betreffenden-- Sammelbescheid zusammengefaßt werden. Wie der Senat im Urteil in BFHE 155, 68, BStBl II 1989, 193 weiter ausgeführt hat, ist es auch nach Ergehen eines Lohnsteuer-Nachforderungsbescheides, in dem für einen bestimmten Zeitraum die Lohnsteuer für mehrere Arbeitnehmer pauschaliert und vom Arbeitgeber nachgefordert worden ist, nicht ausgeschlossen, für denselben Zeitraum einen weiteren Lohnsteuer-Nachforderungs- und -Pauschalierungsbescheid zu erlassen, der andere Arbeitnehmer betrifft.

Nichts anderes kann gelten, wenn der neu festgestellte Sachverhalt zwar dieselben Arbeitnehmer wie ein vorhergehender Lohnsteuer-Nachforderungs- oder -Haftungsbescheid betrifft, aber einen anderen Zeitraum. So war es hier hinsichtlich des zweiten Haftungsbescheids vom 13.September 1979. Denn dieser betraf (abgesehen vom Monat Mai 1976) hinsichtlich des streitigen Sachverhalts nicht denselben Zeitraum wie der angefochtene dritte Bescheid vom 20.November 1979. Aber auch der Regelungsbereich des ersten Haftungsbescheids vom 28.Oktober 1976 ist von demjenigen des angefochtenen Bescheids nicht betroffen. Denn Sachverhalte der jetzt erfaßten Art, also Vorteile aus der privaten Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge oder der Erstattung von Kosten privater Telefonanschlüsse, waren bei der ersten Prüfung überhaupt nicht festgestellt worden. Derartige Vorteile hat der damalige Bescheid vom 28.Oktober 1976 deshalb nicht betroffen. Die Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn der Prüfer derartige Vorteile festgestellt, das FA aber gleichwohl von ihrer steuerlichen Erfassung abgesehen hätte, kann deshalb offenbleiben.

Den vorstehenden Erwägungen steht nicht entgegen, daß sich die Prüfungsaufträge für die früheren Lohnsteuerprüfungen auf bestimmte Zeiträume bezogen und der Prüfer nach dem Inhalt der Prüfungsanordnungen alle lohnsteuerlich relevanten Sachverhalte festzustellen hatte. Entgegen der Auffassung des FG kommt es im Anwendungsbereich des § 173 Abs.2 AO 1977 nicht auf den Inhalt der Prüfungsanordnung, sondern auf den Regelungsbereich des zu ändernden Steuerbescheids an. Bei der Einkommensteuer als Veranlagungssteuer betrifft der Regelungsbereich eines Steuerbescheids zwar das gesamte Kalenderjahr, so daß aus diesem Grunde dort eine Berichtigung wegen übersehener lohnsteuerpflichtiger Vorteile grundsätzlich ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 13.Januar 1989 VI R 153/85, BFHE 156, 99, BStBl II 1989, 447). Bei Lohnsteuer-Nachforderungs- und Lohnsteuer-Haftungsbescheiden gilt dies wegen ihrer oben dargelegten Sachverhaltsbezogenheit jedoch nicht. Die insoweit entgegenstehende Ansicht von Tipke/Kruse (a.a.O., § 173 AO 1977 Tz.36 Abs.3), auf die sich das FG bezogen hat, hat der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 155, 68, BStBl II 1989, 193 abgelehnt.

Auch der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet keine andere Entscheidung. Wie der VII.Senat des BFH in seinem Urteil vom 24.Januar 1989 VII R 35/86 (BFHE 156, 14, BStBl II 1989, 440) unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BFH ausgeführt hat, steht der Anordnung einer Außenprüfung für einen bereits geprüften Zeitraum in der Regel weder der Grundsatz von Treu und Glauben noch der auf dem Rechtsstaatsprinzip beruhende Vertrauensgrundsatz entgegen. Aus dieser Rechtsauffassung, die der erkennende Senat teilt, folgt zugleich, daß insoweit grundsätzlich auch die steuerliche Auswertung einer derartigen Prüfung zulässig ist. Etwas anderes könnte im vorliegenden Zusammenhang gelten, wenn den Haftungsbescheiden, die aufgrund der früheren Lohnsteuer-Prüfungen ergangen sind, die konkludente Zusage des FA zu entnehmen gewesen wäre, daß es hinsichtlich des Prüfungszeitraums wegen anderer Sachverhalte keinen weiteren Haftungsbescheid gegen den Arbeitgeber erlassen werde. Wegen der Sachverhaltsbezogenheit von Lohnsteuer-Haftungs- (und Lohnsteuer-Nachforderungs-)bescheiden hat der Senat eine derartige Auslegung in seinem Urteil in BFHE 155, 68, BStBl II 1989, 193 ausdrücklich abgelehnt. Hieran hält der Senat fest.

Schließlich war es auch nicht ermessensmißbräuchlich, daß das FA den angefochtenen Haftungsbescheid gegen die Klägerin erlassen hat, statt die nachträglich festgestellten Steuerforderungen gegen die Arbeitnehmer geltend zu machen. Denn die Klägerin hatte sich als Arbeitgeberin bereit erklärt, die Steuern für die Arbeitnehmer B und A zu übernehmen, wenn ihre Einwendungen gegen den Haftungsbescheid keinen Erfolg haben sollten.

2. Eine doppelte Erfassung eines lohnsteuerpflichtigen Sachverhalts liegt allerdings hinsichtlich der dem Arbeitnehmer B im Mai 1976 gewährten Vorteile vor. Denn hierfür war im Nachforderungsbescheid vom 13.September 1979 bereits ein steuerpflichtiger Vorteil von 77 DM nachversteuert worden. Nach der Darstellung, die das FG in seinen Entscheidungsgründen gegeben hat und der sich das FA insoweit ausdrücklich angeschlossen hat, ist für dieselben Vorteile im angefochtenen Bescheid ein Betrag von 80 DM angesetzt worden. Um den hierauf entfallenden Steuerbetrag von 56 DM ist die Haftungsschuld herabzusetzen.

Der angefochtene Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.Februar 1980 ist deshalb abzuändern und die Lohnsteuer-Haftungsschuld auf 11 884 DM festzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62693

BFH/NV 1989, 41

BStBl II 1989, 909

BFHE 157, 377

BFHE 1990, 377

BB 1989, 2242-2243 (LT)

DB 1989, 2153-2154 (LT)

HFR 1990, 3 (LT)

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