Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsaufgabe: Überführung der letzten wesentlichen Betriebsgrundlage ins Privatvermögen

 

Leitsatz (NV)

Bleibt nach Verwertungshandlungen im Zuge einer Betriebsaufgabe lediglich eine wesentliche Betriebsgrundlage - z. B. ein Betriebsgrundstück - zurück, die sich nicht veräußern läßt, wird diese notwendiges Privatvermögen, unabhängig davon, ob eine Überführungserklärung abgegeben wird oder nicht. In diesem Zeitpunkt ist die Betriebsaufgabe beendet (im Anschluß an BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 73/87, BFH/NV 1992, 227).

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (die Kläger) in der Einkommensteuersache 1981 sind zusammenveranlagte Eheleute. In der Gewerbesteuermeßbetragssache 1981 ist der Ehemann Kläger und Revisionskläger (der Kläger).

Der Kläger betrieb sei 1973 einen Rohproduktenhandel sowie eine Containergestellung auf dem Grundstück . . . Das Grundstück wurde einschließlich der aufstehenden Baulichkeiten (Lagerhalle, Bürogebäude) bilanziert. Der Kläger verkaufte das bewegliche Anlagevermögen durch Vertrag vom 27. Mai 1981 mit Wirkung zum 1. September 1981 an die . . . GmbH (GmbH); der Kaufpreis betrug 560 000 DM zuzüglich Umsatzsteuer. Der Kläger unterwarf sich einem zweijährigen Wettbewerbsverbot. Er wurde Arbeitnehmer der GmbH.

Das verbliebene Grundstück versuchte der Kläger zu veräußern. Verkaufsverhandlungen, die noch im Jahre 1981 mit der Firma A geführt wurden, zerschlugen sich. Er bemühte sich weiterhin - vergeblich -, das Grundstück zu verkaufen oder zu vermieten. Im August 1982 wurde das Anstellungsverhältnis bei der GmbH aufgelöst. Daraufhin betrieb der Kläger auf dem Grundstück von August 1982 bis Januar 1983 einen Gebrauchtwagenhandel. Ab April 1983 unterhält er auf dem Grundstück wieder einen Handel mit Rohprodukten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ für 1981 gegen die Kläger einen Einkommensteuerbescheid und gegen den Kläger einen Gewerbesteuermeßbescheid, in denen wegen Nichtabgabe von Erklärungen ein (laufender) Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb geschätzt wurde. Im Einspruchsverfahren wurden die Erklärungen nachgereicht, die einen laufenden Gewinn von . . . DM und einen Veräußerungsgewinn von . . . DM auswiesen. In den beigefügten Abschlußunterlagen war der Betrieb als für das gesamte Jahr 1981 fortbestehend behandelt worden (Bilanz zum 31. Dezember 1981, Gewinn- und Verlustrechnung für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 1981). In einer weiteren Anlage war der Veräußerungsgewinn ohne Angabe eines bestimmten Veräußerungszeitpunkts demgemäß aus folgender Gegenüberstellung ermittelt worden: Kaufpreis für das bewegliche Anlagevermögen . . . DM, Entnahme für einen Pkw . . . DM abzüglich der Buchwerte . . . DM.

Bei Erlaß von Änderungsbescheiden folgte das FA zunächst den Erklärungen. Nach einer Betriebsprüfung gelangte es aber zu der Auffassung, daß 1981 kein begünstigter Veräußerungsgewinn angefallen sei, weil das Grundstück nicht veräußert oder entnommen worden sei. Es ergingen erneut Änderungsbescheide. Mit den Einsprüchen machen die Kläger erstmals geltend, die auf den 31. Dezember 1981 erstellte Bilanz sei unrichtig, der Betrieb sei am 31. August 1981 aufgegeben und das Grundstück in das Privatvermögen überführt worden. Die Einsprüche blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen mit folgender Begründung ab: Eine Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) entfalle, weil eine wesentliche Betriebsgrundlage, das Grundstück, nicht mitveräußert worden sei. Auch eine Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) sei zu verneinen. Zwar habe der Kläger den Rohproduktenhandel ,,endgültig eingestellt". Er habe das Grundstück jedoch nicht entnommen.

Die Kläger machen mit den Revisionen geltend: Das Grundstück sei keine wesentliche Betriebsgrundlage gewesen. Die GmbH habe es nicht erwerben wollen, sondern lediglich auf die Transportmittel, die Kundenbeziehungen und das Wettbewerbsverbot Wert gelegt. Zumindest hätten die von der GmbH übernommenen Wirtschaftsgüter einen lebensfähigen Teilbetrieb gebildet. Das zurückbehaltene Grundstück sei ein weiterer Teilbetrieb ,,Grundstücksverwaltung" gewesen. Die Fortführung des Grundstücks in den Abschlüssen sei vor dem Hintergrund zu sehen, daß er, der Kläger, sich schon 1982 mit der GmbH überworfen habe und entlassen worden sei. Dies sei für ihn Anlaß gewesen, alsbald den Gebrauchtwagenhandel und etwas später wieder einen Rohproduktenhandel aufzunehmen. Wegen der zeitlichen Nähe dieser Ereignisse sei die Entnahme des Grundstücks und dessen vorheriger Übergang in das notwendige Privatvermögen bis zur Eröffnung des Gebrauchtwagenhandels nicht zum Ausdruck gekommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen, die der Senat zur gemeinsamen Entscheidung verbindet (§ 121 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 73 Abs. 1 FGO), führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Das FG hat zu Recht eine Veräußerung des gesamten Gewerbebetriebs verneint. Auch das Revisionsvorbringen, es sei eine Teilbetriebsveräußerung anzunehmen, dringt nicht durch.

Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG gehören zu den tarifbegünstigten Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs erzielt werden.

Die Veräußerung eines Betriebs (Teilbetriebs) setzt voraus, daß sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebs (Teilbetriebs) auf den Erwerber übergehen. Wird auch nur eine wesentliche Betriebsgrundlage zurückbehalten, ist § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht anwendbar (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. April 1979 IV R 119/76, BFHE 128, 54, BStBl II 1979, 557; vom 28. März 1985 IV R 88/81, BFHE 143, 559, BStBl II 1985, 508). Die Darlegungen des FG, das zurückbehaltene Grundstück sei eine wesentliche Betriebsgrundlage gewesen, sind nicht zu beanstanden. Der Umstand, daß der Rohproduktenhandel auch auf einem anderen Grundstück hätte betrieben werden können, ist ohne Bedeutung (BFH-Urteil vom 20. Juni 1989 VIII R 396/83, BFH/NV 1989, 634). Entscheidend ist vielmehr, daß der Rohproduktenhandel auf ein Grundstück angewiesen war. Unerheblich ist, daß die GmbH auf den Ankauf des Grundstücks verzichtete. Die Wesentlichkeit von Betriebsgrundlagen beurteilt sich aus der Sicht des vom Kläger eingestellten Betriebs. Es braucht danach nicht entschieden zu werden, ob mit dem FG und der von ihm angezogenen BFH-Rechtsprechung auch darauf abzustellen ist, daß bei Vorliegen erheblicher stiller Reserven eine wesentliche Betriebsgrundlage anzunehmen ist.

Das zurückbehaltene Grundstück bildete keinen Teilbetrieb ,,Grundstücksverwaltung". Es war vielmehr ein Betriebsteil des Rohproduktenhandels und diente dessen Zwecken (Lagerhalle, Bürogebäude, Sammelstelle usw.). Es wurde ausschließlich im Interesse des Betriebs ,,verwaltet".

2. Entgegen der Auffassung des FG liegt jedoch eine Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) vor.

a) Der Kläger wollte nach der unbeanstandet gebliebenen Feststellung des FG seinen Rohproduktenhandel 1981 endgültig einstellen (aufgeben). Den Aufgabeentschluß hat das FG hergeleitet aus der Veräußerung des beweglichen Anlagevermögens, der Aufnahme der Angestelltentätigkeit bei der GmbH und den Bemühungen des Klägers, das Betriebsgrundstück zu veräußern oder zu vermieten. Die unrichtige Darstellung des Vorgangs in der Buchführung des Klägers steht dieser möglichen Würdigung nicht entgegen.

b) Eine Betriebsaufgabe setzt allerdings voraus, daß alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang veräußert oder in das Privatvermögen überführt werden (BFH-Urteile vom 3. Oktober 1989 VIII R 142/84, BFHE 159, 428, BStBl II 1990, 420; vom 2. Februar 1990 III R 173/86, BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497).

Das FG hat eine Überführung des Grundstücks in das Privatvermögen unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 31. Januar 1985 IV R 130/82 (BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395) mit der Begründung verneint, es fehle eine klare und eindeutige ,,Entnahmehandlung"; das Grundstück sei weiterhin in der Buchführung ausgewiesen worden und auch nicht notwendigerweise Privatvermögen geworden, weil es nach der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit zunächst ungenutzt geblieben, also ,,neutral" verwendet worden sei. Das FG hat übersehen, daß die von ihm angezogene BFH-Rechtsprechung (Urteile in BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395; ferner vom 9. August 1989 X R 20/86, BFHE 158, 316, BStBl II 1990, 128) Entnahmen betrifft. Die Überführung von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen im Zuge einer Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG) kann nicht in jeder Beziehung mit einer Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) gleichgesetzt werden.

Die Entnahme bezieht sich auf einen bestehenden Gewerbebetrieb, aus dem ein einzelnes Wirtschaftsgut für private Zwecke herausgelöst werden soll. Ist das Wirtschaftsgut kein notwendiges Betriebsvermögen, ist eine unmißverständliche Entscheidung des Steuerpflichtigen erforderlich, um das Wirtschaftsgut dem Privatvermögen zuzuführen.

Hiervon unterscheidet sich die Überführung von Wirtschaftsgütern eines aufzugebenden Betriebs in das Privatvermögen dadurch, daß der Steuerpflichtige bereits für den Gesamtbetrieb den Willen bekundet hat, die gewerbliche Tätigkeit endgültig einzustellen, und schon damit begonnen hat, die Absicht ins Werk zu setzen - sei es durch Einstellung der werbenden Tätigkeit, durch die Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen oder auf andere Weise -. Die Frage, ob notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen vorlag, tritt in den Hintergrund. Beide Vermögensteile stehen zur Disposition. Die Betriebsaufgabe ist beendet, wenn die letzte wesentliche Betriebsgrundlage veräußert oder in das Privatvermögen überführt worden ist (Dötsch, Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei der Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe, 1987, S. 31).

c) Verwertungshandlungen im Rahmen einer Betriebsaufgabe sind vor allem Veräußerungen von Wirtschaftsgütern an einen oder mehrere Erwerber. Wirtschaftsgüter, die nicht veräußert werden, können während des Abwicklungszeitraums jederzeit in das Privatvermögen überführt werden. Die hierfür erforderliche Erklärung muß allerdings - wie bei einer Entnahmehandlung - eindeutig und klar sein. Andererseits ist sie unbeachtlich, solange noch eine Veräußerung in Betracht zu ziehen ist. § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG gestattet einen Ansatz von Wirtschaftsgütern des aufgegebenen Betriebs mit dem gemeinen Wert nur, wenn die Wirtschaftsgüter nicht veräußert werden oder Veräußerungsversuche erfolglos bleiben. Damit soll möglichen Gestaltungen vorgebeugt werden, Wirtschaftsgüter zu vermeintlichen gemeinen Werten in das Privatvermögen zu überführen, die bei einer nachfolgenden Veräußerung überschritten werden.

Verbleibt allerdings nur noch eine wesentliche Betriebsgrundlage, die nicht veräußert werden kann oder soll, wird diese notwendig Privatvermögen, unabhängig davon, ob eine Überführungserklärung abgegeben wird oder nicht. Demgemäß hat die Rechtsprechung für ein zurückbehaltenes Betriebsgrundstück, das weder veräußert noch (durch Erklärung) in das Privatvermögen überführt wird, angenommen, es werde notwendig Privatvermögen (BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 73/87, BFH/NV 1992, 227; s. schon BFH-Urteile vom 26. September 1961 I 5/61 U, BFHE 73, 689, BStBl III 1961, 517; vom 12. April 1967 VI R 240/66, BFHE 88, 417, BStBl III 1967, 420; vom 17. Februar 1971 I R 170/69, BFHE 102, 44, BStBl II 1971, 484). Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß die Betriebsaufgabe ein einheitlicher Vorgang ist, der zügig und innerhalb einer angemessenen Zeit abzuwickeln ist. Dieser Vorgang soll nicht durch den Rückbehalt der letzten wesentlichen Betriebsgrundlage verzögert werden.

Der Senat braucht nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, ob für den Rückbehalt unwesentlicher Betriebsgrundlagen anderes gilt (Dötsch, a. a. O., S. 40 ff.). Nicht berührt wird auch die Rechtsprechung, die zurückbehaltene (gewisse und ungewisse) Verbindlichkeiten als fortzuführendes (negatives) Betriebsvermögen ansieht (insbesondere BFH-Urteil vom 28. Februar 1990 I R 205/85, BFHE 159, 523, BStBl II 1990, 537).

d) Im Streitfall blieb nach der Veräußerung des beweglichen Anlagevermögens das Betriebsgrundstück . . . als einzige wesentliche Betriebsgrundlage des Rohproduktenhandels zurück. Eine Erklärung des Klägers, er wolle das Grundstück in das Privatvermögen überführen, ist nicht festzustellen. Eine solche Erklärung wäre auch unerheblich gewesen, solange noch erfolgversprechende Verkaufsverhandlungen schwebten. Der Abwicklungszeitraum endete jedoch, als sich die Verkaufsverhandlungen mit der Firma A, die auf dem Gelände einen Supermarkt errichten wollte, noch im Jahre 1981 zerschlugen. Die späteren vom FG nicht näher bezeichneten Verkaufsbemühungen können nicht als erfolgversprechend angesehen werden.

3. Die Vorentscheidungen, die einen Aufgabegewinn verneint haben, sind aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und daher an das FG zurückzuverweisen.

Das FG wird in der Einkommensteuersache 1981 einen Aufgabegewinn zu ermitteln haben. In den Aufgabegewinn ist der gemeine Wert des Grundstücks im Zeitpunkt des Scheiterns der Verkaufsverhandlungen mit der Firma A einzubeziehen. Der Aufgabegewinn ist gemäß §§ 16, 34 EStG tarifbegünstigt zu versteuern. Sollte sich danach eine höhere Einkommensteuerschuld als im angegriffenen Bescheid ergeben, steht einer höheren Festsetzung das Verböserungsverbot nicht entgegen. Der Antrag der Kläger schließt eine solche Steuererhöhung ein.

Der Gewerbeertrag ist um den Gewinnteil zu ermäßigen, der nunmehr als Teil des Aufgabegewinns anzusetzen ist (insbesondere aus der Veräußerung des Anlagevermögens). Ein Aufgabegewinn unterliegt nicht der Gewerbesteuer (BFH-Urteil vom 23. November 1988 X R 1/86, BFHE 155, 521, 523, BStBl II 1989, 376, mit Nachweisen).

Für beide Bescheide ist zu prüfen, ob der auszuscheidende (laufende) Gewinnteil zur Bildung einer Gewerbesteuerrückstellung geführt hat. Diese ist ggf. zu berichtigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64051

BFH/NV 1992, 659

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