Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung des Nutzungswerts eines Einfamilienhauses bei Grundstücksgemeinschaft - Kein Werbungskostenabzug für Reparaturen während Selbstnutzung

 

Leitsatz (NV)

1. Wird das einer Grundstücksgemeinschaft gehörende Einfamilienhaus allein von einem Miteigentümer im Einvernehmen mit den anderen Beteiligten ohne Ausgleichszahlung bewohnt, so ist nur ihm dessen Nutzungswert gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG zuzurechnen.

2. Die Pauschalierung des Nutzungswerts gemäß § 21a EStG schließt den Abzug von Werbungskosten wegen während der Selbstnutzung vorgenommener Reparaturen auch dann aus, wenn das Haus anschließend fremdvermietet wird.

 

Normenkette

EStG 1979 § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, § 21 Abs. 2, § 21a

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zu 1 bis 3 sind Miteigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks; der Miteigentumsanteil des Klägers zu 1 beträgt 1/4, der der Kläger zu 2 und 3 je 1/8. Bis zum 31. August 1982 wurde das Haus allein vom Kläger zu 1 bewohnt, der anschließend in ein Altenheim umgezogen ist. Ab 1. September 1982 wurde das Haus fremdvermietet. Zuvor war in der Zeit vom 23. bis 31. August 1982 auf Verlangen der Mieter in die Zentralheizungsanlage ein neuer Kessel mit Warmwasserbereitung eingebaut worden. Die Rechnung des Reparaturunternehmens vom 2. September 1982 über 12 312,16 DM hat der Kläger zu 1 im September 1982 bezahlt.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1982 machte der Kläger zu 1 die Hälfte der Reparaturaufwendungen gemäß § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) führte eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte für die Kläger durch und versagte insoweit den Werbungskostenabzug unter Bezugnahme auf die Regelung des § 21a des Einkommensteuergesetzes (EStG), weil die Reparatur zur Zeit der Selbstnutzung des Hauses ausgeführt worden sei.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren von den Klägern erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Das FG führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 14 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus: Die geltend gemachten Aufwendungen seien Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Denn sie seien in einem engen finalen (nicht nur kausalen) Zusammenhang mit der Vermietung erbracht worden. Dem stehe die Regelung des § 21a EStG nicht entgegen, weil die Aufwendungen nicht im Interesse der Selbstnutzung des Hauses getätigt worden seien. Denn der Kläger zu 1 habe den neuen Heizungskessel selbst nicht mehr benutzen können. Hinzu komme, daß die Reparatur nach dem Ende der Eigennutzung bezahlt worden sei.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§§ 21 Abs. 2, 21a EStG). Das FG sei von der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen, nach der während des Zeitraums der Selbstnutzung eines Einfamilienhauses ausgeführte Reparaturaufwendungen durch den Ansatz des pauschalierten Nutzungswerts abgegolten seien (Hinweis auf die BFH-Urteile vom 17. Januar 1964 VI 108/62 U, BFHE 79, 13, BStBl III 1964, 238; vom 24. Januar 1969 VI R 173/67, BStBl II 1969, 312, und vom 3. Juni 1975 VIII R 156/71, BFHE 116, 32, BStBl II 1975, 696). Dabei komme es auf den Zeitpunkt der Bezahlung der Reparaturkosten nicht an.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur der Aufhebung Vorentscheidung und Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil das FG die strittigen Werbungskosten zu Unrecht zum Abzug zugelassen hat.

Nach § 21 Abs. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus (Alternative 1) oder der Nutzungswert einer dem Steuerpflichtigen ganz oder teilweise unentgeltlich überlassenen Wohnung (Alternative 2). Bei der Erfassung des Nutzungswerts eines mehreren Miteigentümern gehörenden Hausgrundstücks ist grundsätzlich an die ideellen Miteigentumsanteile als ,,eigene" Anteile anzuknüpfen, weil ,,eigen" im Sinne der Vorschrift jede Form von Eigentum erfaßt (BFH-Urteile vom 5. Dezember 1978 VIII R 29/76, BFHE 127, 319, BStBl II 1979, 476, und vom 1. Februar 1983 VIII R 184/79, BFHE 138, 60, BStBl II 1984, 128).

Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Einfamilienhaus von einem Alleineigentümer oder von der Gesamtheit der Miteigentümer bewohnt wird. Nutzt nur einer der Miteigentümer das Einfamilienhaus, kommt die Zurechnung des Nutzungswerts lediglich an ihn gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG in Betracht. Denn das gesetzliche Gebrauchsrecht nach § 743 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) deckt auch den Alleingebrauch durch einen Miteigentümer, solange nicht die anderen Miteigentümer den ihnen gebührenden Mitgebrauch in Anspruch nehmen (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 29. Juni 1966 V ZR 163/63, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1966, 1707; Schmidt in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 743 Anm. 11). Dementsprechend ist im vorliegenden Fall eine Nutzung des Einfamilienhauses durch den Kläger zu 1 i. S. des § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG gegeben, weil er es im offensichtlichen Einvernehmen mit den Klägern zu 2 und 3 allein und ohne Ausgleichszahlung bewohnt hat.

Der Nutzungswert eines eigengenutzten Einfamilienhauses ist entsprechend der Pauschalierungsregelung des § 21a EStG zu ermitteln.

Diese Vorschrift hat das FG rechtsfehlerhaft angewendet. Aus § 21a Abs. 3 EStG ergibt sich, daß im Rahmen der Pauschalierung des Nutzungswerts des Einfamilienhauses nur erhöhte Absetzungen und bestimmte Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind. Ein sofortiger Abzug von Erhaltungsaufwand ist, wie der erkennende Senat mehrfach, zuletzt im Urteil vom 12. Februar 1985 IX R 43/82 (BFHE 143, 132, BStBl II 1985, 422 mit weiteren Nachweisen) entschieden hat, nur ausnahmsweise, und zwar dann möglich, wenn das Einfamilienhaus wegen der Reparatur geräumt werden muß. Das war hier unstreitig nicht der Fall.

Der Senat ist bereits in BFHE 142, 132, BStBl II 1985, 422 mit der bisherigen BFH-Rechtsprechung davon ausgegangen, daß es für die Abziehbarkeit von Reparaturaufwendungen an einem selbstgenutzten Einfamilienhaus entscheidend darauf ankommt, ob die Reparatur während der Selbstnutzung ausgeführt wurde oder nicht. Er hält an dieser Auffassung fest, die auch im Schrifttum überwiegend vertreten wird (vgl. Blümich, Einkommensteuergesetz/Körperschaftssteuergesetzt/Gewerbesteuergesetz, 13. Aufl., § 21a EStG Anm. 70, 74; Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Einkommensteuergesetz, § 21a Anm. 53; Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 21a Anm. 103; Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 21a Rdnr. 93; a. A. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 21a EStG Anm. 133 bis 134; zweifelnd Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 21a Anm. 5 a und e). Die davon abweichende Ansicht des FG, es müsse - wie bei allen Werbungskosten - auch hier auf den Zeitpunkt des Abflusses der Aufwendungen und deren Ziel abgestellt werden, läßt sich nicht mit dem Sinn und Zweck der Pauschalierung des Nutzungswerts nach § 21a EStG vereinbaren. Wäre der Zeitpunkt der Zahlung maßgebend (Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O.), hinge die Anwendbarkeit der Pauschalierung im Grunde vom Willen und der Gestaltung des Steuerpflichtigen ab (so schon Urteil in BFHE 79, 13, BStBl III 1964, 238 - zur Einfamilienhausverordnung -), obwohl die Regelung des § 21a EStG zwingend ist (Senats-Urteil vom 23. Oktober 1984 IX R 45/81, BFHE 142, 143, BStBl II 1985, 53). Die Beurteilung des Aufwands nach seiner Zweckbestimmung bietet ebenfalls keine hinreichende Abgrenzungsmöglichkeit, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Reparatur sowohl durch die bisherige Selbstnutzung des Einfamilienhauses als auch durch dessen künftige Vermietung veranlaßt ist.

Auch eine Aufteilung der Aufwendungen auf den Zeitraum der Selbstnutzung und auf den der Vermietung im Wege der Schätzung scheidet mangels hinreichender Grundlagen aus. Der Senat bleibt deshalb bei der Lösung, allein den Zeitpunkt der Reparatur als maßgeblich zu erachten.

Die Sache ist spruchreif. Da die strittigen Reparaturaufwendungen für das selbstgenutzte Einfamilienhaus nicht als Werbungskosten abziehbar sind, war die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416287

BFH/NV 1990, 25

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