Leitsatz (amtlich)

Ein lediger Soldat, der sich auf zwel Jahre bel der Bundeswehr verpflichtet hat, kann die Aufwendungen für eine Fahrt wöchentlich zu seiner bisherigen Wohnung als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG absetzen, wenn er diese Wohnung als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen während der genannten Zeit belbehält, er nach Beendigung der Tätigkeit bel der Bundeswehr voraussichtlich dorthin wieder zurückkehrt und ihm die Aufgabe der Wohnung deshalb nicht zuzumuten ist.

 

Normenkette

EStG 1975 § 9 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der ledige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte sich als Zeitsoldat auf die Dauer von zwei Jahren bei der Bundeswehr verpflichtet. Als Standort war ihm C zugewiesen. Dort wohnte er im Streitjahr 1975 mit vier weiteren Soldaten in einem Zimmer. Er behielt daneben ein Zimmer von 20 qm, ausgestattet mit eigenen Möbeln, in der Wohnung seiner Eltern in G bei. Er fuhr an den Wochenenden jeweils nach Hause, um dort u. a. weiterhin aktiv am Sportleben teilzunehmen.

Der Kläger machte in seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1975 die Aufwendungen für 12 Heimfahrten mit dem eigenen PKW nach dem 365 km entfernten G als Werbungskosten geltend. Sie wurden jedoch vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) nicht zum Abzug zugelassen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 501 veröffentlichten Urteil u. a. aus:

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könnten Kosten für eine wöchentliche Heimfahrt als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anerkannt werden, wenn ledige Arbeitnehmer während einer verhältnismäßig kurzen Zeit von dem Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen abwesend seien. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall allerdings deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger nicht für verhältnismäßig kurze Dauer in C stationiert gewesen sei. Die Aufwendungen für eine wöchentliche Familienheimfahrt seien aber dennoch nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen. Denn es sei für den Kläger nicht unangemessen gewesen, den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in einem mit eigenen Möbeln eingerichteten Zimmer in der Wohnung seiner Eltern beizubehalten, da er sich nur für zwei Jahre verpflichtet habe und in der Kaserne mit vier Kameraden in einem Zimmer habe leben müssen. Aus diesen Gründen sei ein Umzug an den Ort der Kaserne für ihn unzumutbar gewesen.

Folge man dieser Ansicht nicht, so müßten die vom Kläger geltend gemachten Ausgaben jedenfalls als solche für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zum Abzug zugelassen werden. Das Gericht könne nicht der Ansicht des BFH beitreten, nach der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht anzuerkennen seien, wenn sie -- bei Berücksichtigung der Arbeitszeit -- nicht an einem Tag hin und zurück durchgeführt werden könnten.

Das FA legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Es führte u. a. aus:

Im Streitfall könnten die Grundsätze für die steuerrechtliche Behandlung von Familienheimfahrten nicht analog angewandt werden, da die zweijährige Stationierung des Klägers in C kein vorübergehender Aufenthalt von verhältnismäßig kurzer Dauer sei. Das Zimmer in der Wohnung seiner Eltern könne auch nicht als Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers angesehen werden, weil es sich nicht um eine frei gemietete und nach objektiven Maßstäben angemessene Wohnung gehandelt habe. Dadurch, daß der Kläger sich entschlossen habe, Soldat auf Zeit zu werden, habe er -- jedenfalls während der Arbeitswoche -- die Bundeswehr zum Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gemacht und seinen Standort in der Kaserne als angemessene Wohnung akzeptiert. Die Aufwendungen könnten auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte berücksichtigt werden, da die Kosten im Hinblick auf die große Entfernung als unangemessen anzusehen seien.

Das FA beantragte, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat die geltend gemachten Fahrtkosten im Ergebnis zu Recht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG entsprechend der Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG als Werbungskosten zum Abzug zugelassen.

Bei ledigen Arbeitnehmern, die keinen doppelten Haushalt führen, weil sie nicht mit von ihnen finanziell abhängigen Angehörigen zusammenleben, sind nicht wie bei verheirateten Arbeitnehmern die Kosten für eine Familienheimfahrt wöchentlich nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG als Werbungskosten absetzbar. Der Senat hat jedoch ledige Arbeitnehmer bezüglich solcher Heimfahrten verheirateten Arbeitnehmern, die einen doppelten Haushalt führen, steuerrechtlich gleichgestellt, wenn sie nur vorübergehend einer auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer nachgehen, den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen am bisherigen Wohnort beibehalten, dort ihre Wohnung aufrechterhalten, nach Beendigung der auswärtigen Tätigkeit voraussichtlich wieder an diesen Wohnort zurückkehren und ihnen deshalb die Aufgabe ihrer Wohnung nicht zuzumuten ist (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 3. Dezember 1974 VI R 159/74, BFHE 114, 428, BStBl II 1975, 356, und vom 10. November 1978 VI R 13, 14/76, BFHE 126, 420, BStBl II 1979, 157).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Kläger hat auch während der zweijährigen Verpflichtung bei der Bundeswehr seine Wohnung in Form eines mit eigenen Möbeln ausgestatteten Zimmers in der Wohnung seiner Eltern in G beibehalten. Dort befand sich zu jener Zeit nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG auch der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen. Es kommt für die Annahme eines solchen Lebensmittelpunkts nicht darauf an, ob die Wohnung "frei gemietet" war und ob sie den Lebensverhältnissen des Klägers angemessen war oder nicht. Da der Kläger nach Beendigung seines Dienstes bei der Bundeswehr voraussichtlich dorthin wieder zurückkehren wollte, war ihm ein Umzug an den Ort der Kaserne nicht zuzumuten.

Entgegen der Ansicht des FG handelte es sich bei der von vornherein auf zwei Jahre begrenzten Tätigkeit des Klägers als Soldat auf Zeit an dem ihm zugewiesenen Standort C auch um eine auswärtige Beschäftigung "von verhältnismäßig kurzer Dauer" i. S. der vorgenannten Rechtsprechung. Der Senat ist -- unter teilweiser Abkehr von seiner bisherigen Auffassung -- der Ansicht, daß dieser Zeitraum im Hinblick auf die Frage, ob dem ledigen Arbeitnehmer ein Umzug an den neuen Arbeitsort zuzumuten ist, nicht zu eng bemessen werden darf. Die Frist braucht bei ledigen Arbeitnehmern insbesondere grundsätzlich nicht kürzer zu sein als bei solchen Arbeitnehmern, die einen doppelten Haushalt führen. Bei letzteren ist der BFH im Urteil vom 2. September 1977 VI R 114/76 (BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26) von einer Zeitspanne von zwei Jahren ausgegangen. Das ergab sich dort auf Grund folgender Überlegungen: In Fällen, in denen eine doppelte Haushaltsführung beruflich veranlaßt entstanden ist, spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, daß auch die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung in den ersten zwei Jahren beruflich veranlaßt ist, weil sich ein Steuerpflichtiger grundsätzlich während der ersten zwei Jahre einer doppelten Haushaltsführung ohne besondere Nachweise auf die allgemeine Lebenserfahrung berufen kann, nach der er diese Zeit in der Regel zum Finden einer geeigneten Familienwohnung in der Nähe des Arbeitsplatzes und für den Umzug dorthin benötigt. Eine zweijährige Frist zum Finden einer geeigneten Wohnung und der Durchführung des Umzugs ist auch ledigen Arbeitnehmern zuzubilligen. Steht andererseits fest, daß die auswärtige Tätigkeit nicht länger als zwei Jahre dauern wird, so ist dem Arbeitnehmer ein Umzug nicht zuzumuten mit der Folge, daß auch hier der Abzug von durch die auswärtige Tätigkeit entstandenen Aufwendungen als Werbungskosten in Betracht kommt.

Diese Erwägungen werden nicht dadurch bedeutungslos, daß es nach der Änderung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) vom 21. Mai 1979 (BGBl I 1979, 558) ab dem 1. Januar 1978 nicht mehr darauf ankommt, welche Gründe einen Arbeitnehmer dazu bewogen haben, eine aus beruflichem Anlaß entstandene doppelte Haushaltsführung aufrechtzuerhalten. Abgesehen davon, daß die Neufassung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG für das Streitjahr 1975 noch nicht maßgebend ist, ist durch die Gesetzesänderung nicht die Überlegung des Senats hinfällig geworden, daß Arbeitnehmern in der Regel eine Umzugsfrist von zwei Jahren zuzubilligen ist. Die Änderung beruhte vielmehr vorwiegend auf arbeitsmarktpolitischen Gründen, da der Gesetzgeber befürchtete, das Urteil in BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26 würde die Mobilitätsbereitschaft der Arbeitnehmer beeinträchtigen (vgl. Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 9 Anm. 12 b Abs. 1). Gerade diese Motive des Gesetzgebers haben aber den Senat im Streitfall darin bestärkt, den Zeitraum der "verhältnismäßig kurzen Dauer" i. S. der vorgenannten Rechtsprechung nicht zu eng zu bemessen. Der seit Jahren ständig steigenden Zahl von Arbeitslosen muß die Rechtsprechung insoweit Rechnung tragen, als sie die Bereitschaft von Arbeitnehmern, auswärts -- vielleicht auch nur auf eine beschränkte Zeit -- eine neue Stellung anzunehmen, nicht aus steuerlichen Gründen erschwert.

Da das FG im Streitfall die geltend gemachten Fahrtkosten mit dem eigenen PKW entsprechend der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 i. V. m. Nr. 4 Satz 2 EStG zu Recht nur mit einem Pauschsatz von 0,36 DM je Entfernungs-km angesetzt hat, war die Revision des FA mit der Kostenfolge nach § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74558

BStBl II 1983, 269

BFHE 1982, 474

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