Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung laufender Gewinn und Aufgabegewinn bei gewerblichem Grundstückshandel

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Betriebsaufgabe wird nicht deshalb ausgeschlossen, weil bei einem gewerblichen Grundstückshandel die zum Umlaufvermögen gehörenden Eigentumswohnungen das wesentliche Betriebsvermögen ausmachen.

2. Gewinne aus betriebsgewöhnlichen Geschäftsvorfällen, die auf der im wesentlichen unveränderten Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit beruhen, sind im Regelfall nicht tarifbegünstigt. Die Veräußerung der Eigentumswohnungen an verschiedene Erwerber gehört zu den für einen gewerblichen Grundstückshandel typischen Geschäftsvorfällen. Die Veräußerung der Wirtschaftsgüter ist insoweit nicht im Rahmen der Betriebsaufgabe erfolgt, sondern noch im Rahmen des laufenden Betriebs, wenn auch gleichzeitig mit der Betriebsaufgabe.

 

Normenkette

AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, § 183 Abs. 1 S. 5; EStG § 16 Abs. 3; FGO §§ 62, 118 Abs. 2; ZPO § 81; AO § 122 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren seit 1977 hälftige Miteigentümer einer Bauparzelle. Mitte 1979 stellten sie darauf ein Wohngebäude mit sechs Wohnungen fertig. Die Wohnungen im Erdgeschoß und im 1. Obergeschoß vermieteten sie. Für die beiden Wohnungen im Dachgeschoß fanden sie trotz Einschaltens zweier Makler keine Mieter. Anfang 1980 beschlossen sie wegen wachsender Finanzierungsschwierigkeiten und steigender Zinssätze die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) aufzulösen.

Am 14. Januar 1980 gaben sie für die Wohnungen Teilungserklärungen ab. Mit notariell beurkundetem Auseinandersetzungsvertrag vom 12. Februar 1980 übernahmen sie im Wege der Realteilung je eine Wohnung im Erdgeschoß. Die übrigen vier Wohnungen veräußerten sie im Zeitraum zwischen März und September 1980.

Einen im Schätzungswege erlassenen Feststellungsbescheid für 1980 vom 26. August 1982 gab der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) dem Berater und jetzigen Prozeßbevollmächtigten der Kläger mit einfachem Brief bekannt. Hiergegen erhob der Prozeßbevollmächtigte mit Prozeßvollmacht beider Kläger vom 31. August 1982 Sprungklage. Die dem FA am 29. September 1982 zugestellte Klage wurde mangels Zustimmung des FA als Einspruch fortgeführt. Das FA erließ unter dem Vorbehalt der Nachprüfung am 20. Oktober 1982 einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten, dem Prozeßbevollmächtigten bekanntgegebenen Feststellungsbescheid, in welchem es den Gewinn aus der Veräußerung der vier Wohnungen von 440280 DM auf 471080 DM erhöhte. Der Einspruch war insoweit erfolgreich, als das FA den gewerblichen Gewinn auf 303863 DM - ohne Ansatz einer Gewerbesteuer-Rückstellung - ermäßigte.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt und setzte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 299243 DM herab, wovon 3925 DM als laufender Gewinn und 295318 DM als Betriebsaufgabegewinn zu versteuern seien. Im übrigen wies es die Klage ab.

Der Beschwerde des FA half das FG ab und ließ die Revision mit Beschluß vom 26. November 1990 zu.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Es führt aus, das FG rechne zu Unrecht auch die Erlöse aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens zum steuerbegünstigten Aufgabegewinn.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nur teilweise begründet. Der aus der Veräußerung der vier Eigentumswohnungen im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe entstandene Gewinn ist als laufender und nicht ausnahmsweise als Teil eines tarifbegünstigten Aufgabegewinns zu beurteilen. Jedoch sind - vom Rechtsstandpunkt des FG zu Recht nicht berücksichtigte - weitere betrieblich veranlaßte Aufwendungen (Steuerberatungs- und Prozeßkosten bezüglich der Gewerbesteuer, Gewerbesteuer-Rückstellung und Zinsen für die Aussetzung der Gewerbesteuer) gewinnmindernd abzuziehen. Eine Saldierung mit bislang nicht festgestellten Gewinnen aus der Entnahme der beiden Erdgeschoß-Wohnungen ist nicht zulässig.

1. Zutreffend ist das FG von der wirksamen Bekanngabe des den Gegenstand der Anfechtungsklage bildenden geänderten Feststellungsbescheides vom 20. Oktober 1982 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. April 1985 ausgegangen. Das FA hat zwar insoweit keine Rügen erhoben. Die Wirksamkeit der angefochtenen Bescheide ist indessen Grundvoraussetzung, um in die sachliche Prüfung der einzelnen Feststellungen dieser Bescheide einzutreten (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 31/84, BFHE 146, 196, BStBl II 1986, 474).

a) Die dem Prozeßbevollmächtigten am 31. August 1982 erteilte Prozeßvollmacht ermächtigt auch zur Entgegennahme von Steuerbescheiden, die - wie hier - den Verfahrensgegenstand betrafen (vgl. Beschluß des BFH vom 14. Dezember 1989 III R 49/89, BFH/NV 1991, 288, m.umf.N.; Urteil vom 10. Mai 1989 I R 159/85, BFH/NV 1990, 635).

b) Wird ein Feststellungsbescheid - wie hier - an einen von allen Feststellungsbeteiligten umfassend Bevollmächtigten bekanntgegeben, so bedarf es keines Hinweises gemäß § 183 Abs. 1 Satz 5 AO 1977 (vgl. BFH-Urteil vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 121 sub Ziff.6).

2. Der aus der Veräußerung der vier Eigentumswohnungen entstandene Gewinn ist vom FA zu Recht als laufender Gewinn und nicht - ausnahmsweise - als Teil eines tarifbegünstigten Betriebsaufgabegewinns festgestellt worden.

a) Zutreffend hat das FG die Voraussetzungen einer Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 EStG bejaht. Eine solche liegt vor, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang einzeln an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen oder insgesamt in das Privatvermögen in einem einheitlichen Vorgang übergeführt werden und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (vgl. Urteil des BFH vom 18. Dezember 1990 VIII R 17/85, BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512 Ziff.2 der Gründe; Urteil vom 7. April 1989 III R 9/87, BFHE 157, 355, BStBl II 1989, 874; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 16 Anm. 36 und 37; enger wohl Urteil des BFH vom 20. August 1986 I R 148/83, BFH/NV 1987, 646 sub Ziff.4). Eine Betriebsaufgabe wird nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Umlaufvermögen - wie bei einem gewerblichen Grundstückshandel - das wesentliche Betriebsvermögen ausmacht (vgl.Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Anm. E 66).

Ob überhaupt ein Gewerbebetrieb vorlag, kann der erkennende Senat nicht mehr nachprüfen. Die Qualifizierung der Einkunftsart als gewerbliche Einkünfte stellt im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung eine eigenständige, eines rechtlich selbständigen Schicksals fähige Feststellung dar (vgl. BFH-Urteil vom 29. September 1977 VIII R 67/76, BFHE 123, 315, BStBl II 1978, 44), die mangels eines auch insoweit eingelegten Rechtsmittels bestandskräftig geworden ist (vgl. Urteil des BFH vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFH 152, 414, BStBl II 1988, 544; Beschluß des Großen Senats vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87, BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327 sub C. II. 3.).

b) Die nach Beginn der Betriebsaufgabe anfallenden Gewinne aus der Veräußerung sind nicht bereits wegen des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Veräußerung und Betriebsaufgabe tarifbegünstigt zu versteuern. Vielmehr gehören sie nur dann zu dem nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG begünstigten Aufgabegewinn, wenn sich die Veräußerung im Rahmen der Aufgabe des Betriebs vollzieht. In der Regel gehören zum Aufgabegewinn nur die aus der Auflösung der stillen Reserven des Anlagevermögens resultierende Gewinne. Indessen sind Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens nicht schlechthin von der Einbeziehung in den Aufgabegewinn ausgeschlossen (vgl. Urteile vom 7. April 1989 III R 9/87, BFHE 157, 355, BStBl II 1989, 874; vom 29. November 1988 VIII R 316/82, BFHE 156, 408, BStBl II 1989, 602, zugleich zur Kritik im Schrifttum; vom 1. Dezember 1988 IV R 140/86, BFHE 155, 341, BStBl II 1989, 368; vom 30. April 1987 IV R 72-73/84, BFH/NV 1988, 28; vom 3. März 1988 IV R 212/85, BFH/NV 1988, 558; vom 2. Juli 1981 IV R 136/79, BFHE 134, 23, BStBl II 1981, 798; vom 19. Mai 1971 I R 46/70, BFHE 102, 380, BStBl II 1971, 688; zustimmend Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 16 Anm. 54b, § 15 Anm. 12f.; Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Anm. E 60 bis 66; Hörger in Littmann/Bitz/Meincke, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 16 Anm. 128; kritisch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 16 EStG Anm. 262 und 438).

Gewinne aus betriebsgewöhnlichen Geschäftsvorfällen, die auf der im wesentlichen unveränderten Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit beruhen, sind im Regelfall nicht tarifbegünstigt. Die Veräußerung der Wirtschaftsgüter ist insoweit nicht im Rahmen der Betriebsaufgabe erfolgt, sondern noch im Rahmen des laufenden Betriebs, wenn auch ggf. gleichzeitig mit der Betriebsaufgabe.

c) Bei Anwendung dieser Maßstäbe gehörte die Veräußerung der vier Eigentumswohnungen an verschiedene Erwerber zu den für einen gewerblichen Grundstückshandel typischen Geschäftsvorgängen. Bei einem gewerblichen Grundstückshandel sind die zur Bebauung und anschließenden Veräußerung bestimmten Grundstücke Umlaufvermögen (Urteile des BFH vom 23. Januar 1991 X R 105-107/88, BFHE 163, 382, BStBl II 1991, 519; vom 18. April 1991 IV R 6/90, BFHE 164, 381, BStBl II 1991, 584, m.umf.N.; vom 20. August 1986 I R 148/83, BFH/NV 1987, 646, m.w.N.).

Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) liegen keine Umstände vor, die ausnahmsweise die Zuordnung der Veräußerungsgewinne zu einem begünstigten Aufgabegewinn erlaubten. Solche Ausnahmefälle hat der BFH dann angenommen, wenn Umlaufvermögen an nicht zum üblichen Abnehmerkreis gehörende Käufer, sondern an Dritte derselben Handelsstufe veräußert worden ist, weil insoweit nicht die normale laufende Geschäftstätigkeit fortgesetzt wird (vgl. BFH-Urteile vom 2. Juli 1981 IV R 136/79, BFHE 134, 23, BStBl II 1981, 798; vom 1. Dezember 1988 IV R 140/86, BFHE 155, 341, BStBl II 1989, 368). Auch bei anderen atypischen Sachverhalten ist ausnahmsweise ein Aufgabegewinn bejaht worden (vgl. Urteile des BFH vom 28. Januar 1988 IV R 2/85, BFH/NV 1989, 580; vom 21. November 1989 VIII R 19/85, BFH/NV 1990, 625).

Das FG begründet die Annahme eines begünstigten Aufgabegewinns allein damit, die Ausführung des Entschlusses, vier Eigentumswohnungen mit Gewinn zu veräußern, um zwei finanziell halten zu können, habe notwendigerweise zur Auflösung der sich insoweit gewerblich betätigenden Grundstücksgemeinschaft geführt. Damit stellt es zu Unrecht entscheidend auf das Zeitmoment ab und zeigt keinen eine im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung eine Ausnahme rechtfertigenden Sachverhalt auf. Das FG nimmt in zeitlicher Hinsicht überdies zu Unrecht an, der gewerbliche Grundstückshandel habe erst mit der Veräußerung der vier Wohnungen begonnen. Der Beginn ist vielmehr spätestens mit der Errichtung der Wohnungen anzusetzen (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1987 III R 275/83, BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293 sub Ziff.2 und 6).

3. Die Vorentscheidung stimmt mit den aufgezeigten Grundsätzen nicht überein und war deshalb aufzuheben.

a) Die Höhe des Gewinns ist zwischen den Beteiligten zwar inzwischen unbestritten und wird vom FA mit seinem Revisionsbegehren nicht angegriffen. Die Zuordnung der Veräußerungsgewinne zu den laufenden Gewinnen erfordert jedoch nunmehr, Aufwendungen gewinnmindernd zu berücksichtigen, die das FG von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend nicht zum Abzug zugelassen hatte, die die Kläger jedoch im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemacht haben. Die zusätzlichen laufenden Gewinne unterliegen der Gewerbesteuer, die durch Bildung einer Rückstellung für dieses Wirtschaftsjahr gewinnmindernd zu berücksichtigen ist (BFH-Urteil vom 23. April 1991 VIII R 61/87, BFHE 164, 422, BStBl II 1991, 752). Außerdem sind weitere betrieblich veranlaßte Aufwendungen (Steuerberatungs- und Prozeßkosten bezüglich der Gewerbesteuer sowie Zinsen für die Aussetzung der Gewerbesteuer) abzusetzen.

b) Die vom FA erstmals im Revisionsverfahren begehrte Saldierung gemäß § 177 Abs. 1 AO 1977 mit bislang weder im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für 1980 (vgl. BFH-Urteile vom 9. Dezember 1955 IV 442/54 U, BFHE 62, 180, BStBl III 1956, 67; vom 29. Mai 1956 I 299/55 U, BFHE 62, 504, BStBl III 1956, 188) noch vom FG festgestellten Gewinnen aus einer möglichen Entnahme der beiden Erdgeschoß-Wohnungen, ist unzulässig. Der neue Tatsachenvortrag ist in der Revisionsinstanz nicht zu berücksichtigen (Urteil des BFH vom 19. Mai 1987 VIII R 327/83, BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848).

Da der erkennende Senat weder den Betrag, der als Gewerbesteuer zurückzustellen ist, noch die sonstigen gewinnmindernden Aufwendungen ermitteln kann, war die Vorentscheidung aufzuheben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418677

BFH/NV 1993, 225

BFH/NV 1994, 299

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