Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerb einer Eigentumswohnung mit gleichzeitigem Abschluß eines Werkvertrags über Umbauarbeiten und Modernisierungsarbeiten als einheitliche Baumaßnahme - Zurückverweisung durch BFH: keine Wiedereröffnung der ursprünglichen mündlichen Verhandlung des FG, Anwaltskosten des nur aufgrund falscher Sachbehandlung des FG erforderlichen Revisionsverfahrens im ersten Rechtsgang - Auswirkungen einer überlangen gerichtlichen Verfahrensdauer auf die Rechtmäßigkeit steuerlicher Verwaltungsakte - Beweiswürdigung des FG nach überlanger Verfahrensdauer

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen für Umbauarbeiten und Modernisierungsarbeiten an einer Eigentumswohnung gehören jedenfalls dann zu den Anschaffungskosten, wenn zeitgleich mit dem Abschluß des Kaufvertrags über die Wohnung eine andere Firma des Verkäufers durch gesonderten Werkvertrag mit den Arbeiten beauftragt wird und diese vertragsgemäß in Form einer einheitlichen Baumaßnahme für das gesamte Gebäude durchgeführt werden.

 

Orientierungssatz

1. Nach einer Zurückverweisung durch den BFH ist im zweiten Rechtsgang das ursprüngliche Verfahren vor dem FG fortzusetzen. Eine Wiedereröffnung der ursprünglichen mündlichen Verhandlung nach § 93 Abs.3 Satz 2 FGO kommt im zweiten Rechtsgang nicht in Betracht, weil die erste mündliche Verhandlung durch die Zurückverweisung gegenstandslos geworden ist, das FG nunmehr eine neue mündliche Verhandlung durchzuführen hat und für die Beteiligten die Möglichkeit zu neuem Vorbringen eröffnet ist.

2. Im Streitfall: keine Abweichung vom BFH-Beschluß vom 22.8.1966 GrS 2/66 zum anschaffungsnahen Aufwand.

3. Zwar folgt aus Art.19 Abs.4 GG ein verfassungsrechtlich geschützter Anspruch auf Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Eine überlange Verfahrensdauer führt aber nicht zur Verfassungswidrigkeit und Rechtswidrigkeit des angefochtenen Steuerbescheids und steht einer gerichtlichen Sachentscheidung nicht entgegen. Sofern nicht im Einzelfall ein konkreter wirtschaftlicher Schaden geltend gemacht wird, kommt bei nicht rechtzeitiger Rechtsschutzgewährung als Sanktion in Betracht, daß die sofortige Vollziehbarkeit des angefochtenen Steuerbescheids bis zur Entscheidung aufgehalten wird. Ferner kann eine überlange Verfahrensdauer die tatsächlichen Grundlagen einer Ermessensentscheidung so verändern, daß der ablehnende Verwaltungsakt nicht aufrechterhalten bleiben kann.

4. Ist nach überlanger Verfahrensdauer aufgrund von Versäumnissen des Gerichts die Sachaufklärung erschwert, darf dies im Rahmen der Beweiswürdigung nicht dem Steuerpflichtigen angelastet werden.

5. Wird im ersten Rechtsgang die Revision allein durch die gesetzwidrige Verfahrensweise des FG erforderlich, unterliegt der Kläger aber letztlich im zweiten Rechtsgang in der Sache bei FG und BFH, so besteht für das Begehren des Klägers, die ihm entstandenen Anwaltskosten --zumindest für das erste Revisionsverfahren-- der Staatskasse aufzuerlegen, keine Rechtsgrundlage (im Streitfall: keine entsprechende Anwendung der §§ 135 Abs.4, 139 Abs.4 FGO).

 

Normenkette

EStDV § 82a; FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2, § 135 Abs. 2, 4, § 139 Abs. 4, § 69 Abs. 3, § 76 Abs. 1, § 93 Abs. 3 S. 2, § 96 Abs. 1 S. 1; GG Art. 19 Abs. 4; HGB § 255 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Rechtsnachfolger der Eheleute A. Diese hatten 1983 zum Kaufpreis von 230 000 DM eine Eigentumswohnung in einem um die Jahrhundertwende errichteten Altbau erworben und zugleich mit dem Kaufvertrag auch einen Werkvertrag mit einer anderen Firma des Verkäufers, eines Bauunternehmers, über umfangreiche Umbau- und Modernisierungsarbeiten abgeschlossen. Nach Beendigung der Arbeiten waren die Eheleute A in die Eigentumswohnung eingezogen. Im Veranlagungsverfahren für die Streitjahre (1983 und 1984) beantragten sie, bei der Ermittlung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die Umbau- und Modernisierungsaufwendungen (insgesamt 295 042 DM) als Herstellungskosten gemäß § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Höhe von 10 v. H abzuziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte hingegen Erwerb, Umbau und Modernisierung als einheitlichen Anschaffungsvorgang und sämtliche Aufwendungen als Anschaffungskosten, die er nur in Form von erhöhten Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) bis zum Höchstbetrag von 10 000 DM berücksichtigte.

Das Finanzgericht (FG) wies, nachdem eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden hatte, mehr als eineinhalb Jahre später durch Gerichtsbescheid des Einzelrichters die Klage ab. Mit Urteil vom 8. März 1994 IX R 58/93 (BFHE 174, 107, BStBl II 1994, 571) hob der erkennende Senat den Gerichtsbescheid wegen Verstoßes gegen § 119 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf und verwies die Sache an das FG zurück.

Der zuständige Senat des FG gab nunmehr dem bereits im ersten Rechtsgang gestellten und im zweiten Rechtsgang wiederholten Antrag des Klägers auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit statt. Sodann entschied das FG in der Senatsbesetzung ohne den Vorsitzenden Richter nach mündlicher Verhandlung durch Urteil. Es berücksichtigte die durch das Steueränderungsgesetz 1991 erhöhten Kinderfreibeträge und wies die Klage im übrigen ab. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens im ersten Rechtsgang legte es zu 92 v.H. dem Kläger auf. Gerichtskosten für das Revisionsverfahren wurden nach § 8 Abs.1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) nicht erhoben.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Das FG habe --entgegen dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 174, 107, BStBl II 1994, 571-- nicht durch Beschluß des Senats die mündliche Verhandlung wiedereröffnet (§ 93 Abs.3 Satz 2 FGO), sondern ein Richter des Senats des FG habe den Termin zur mündlichen Verhandlung nach § 91 Abs.1 FGO bestimmt. Dieser Verfahrensfehler bedeute zugleich einen Verstoß gegen Art.101 Abs.2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG).

Die Vorentscheidung verstoße außerdem gegen Art.103 Abs.1 GG, weil das FG das Klagevorbringen zur überlangen Verfahrensdauer nicht verarbeitet, sondern sich lediglich auf den Beschluß des BFH vom 13. September 1991 IV B 105/90 (BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148) bezogen habe. Der BFH habe sich aber mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht auseinandergesetzt, nach der von Verfassungs wegen eine überlange Verfahrensdauer zur Verwirkung des Steueranspruchs führen könne, jedenfalls im Hinblick auf Art.19 Abs.4 GG nicht ohne Konsequenzen bleiben dürfe. Im Streitfall seien die angegriffenen Steuerbescheide aufgrund der verfassungsrechtlichen Verwirkung des Steueranspruchs antragsgemäß abzuändern.

Materiell-rechtlich verstoße die Vorentscheidung gegen die vom Großen Senat des BFH im Beschluß vom 22. August 1966 GrS 2/66 (BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672) aufgestellten Rechtsgrundsätze, nach denen die strittigen Modernisierungsaufwendungen als Herstellungskosten zu beurteilen seien. Zu Unrecht habe sich das FG auf die BFH-Urteile vom 12. Februar 1985 IX R 114/83 (BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690), und vom 14. November 1989 IX R 197/84 (BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299) gestützt. Im Fall des Urteils in BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690 sei nicht die Unterscheidung von Herstellungs- und Anschaffungskosten, sondern die Beurteilung von Aufwendungen als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen strittig gewesen. Das Urteil in BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299 betreffe ein Bauherrenmodell; ein solches liege im Streitfall nicht vor. Wenn die Rechtsprechung nunmehr von den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672 abweichen wolle, müsse dem Kläger in entsprechender Anwendung des § 176 Abs.1 Nr.3 der Abgabenordnung (AO 1977) Vertrauensschutz gewährt werden.

Die Kostenentscheidung des FG sei willkürlich, weil dem Kläger auch die Kosten des erfolgreichen Revisionsverfahrens im ersten Rechtsgang --mit Ausnahme der Gerichtskosten-- auferlegt worden seien, obwohl es nur durch willkürliches richterliches Verhalten zur Einlegung der Revision gekommen sei. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers seien nach § 139 Abs.4 FGO der Staatskasse aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung der geänderten Steuerbescheide vom 19. und 26. Februar 1996 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung jeweils weitere Werbungskosten von 29 504 DM zu berücksichtigen und die Einkommensteuer unter entsprechender Verringerung der Absetzungen gemäß § 7b EStG herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA geänderte Steuerbescheide vom 19. und 26. Februar 1996 erlassen, die auf Antrag des Klägers gemäß §§ 68, 121, 123 Satz 2 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO). Die Vorentscheidung enthält keinen Rechtsfehler, insbesondere auch keinen Verstoß gegen Grundrechte.

1. Das FG hat im zweiten Rechtsgang den Termin zur mündlichen Verhandlung verfahrensrechtlich zutreffend gemäß § 91 Abs.1 Satz 1 FGO bestimmt. Nachdem der BFH im ersten Rechtsgang die Entscheidung des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen hatte, war im zweiten Rechtsgang das ursprüngliche Verfahren vor dem FG fortzusetzen (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1980 V R 142/75, BFHE 131, 440, BStBl II 1981, 71). Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung durch Beschluß des Senats (§ 93 Abs.3 Satz 2 FGO), kam --entgegen der Auffassung der Revision-- im zweiten Rechtsgang nicht in Betracht, weil schon aufgrund der Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG das Ergebnis der ersten mündlichen Verhandlung gegenstandslos geworden war, das FG eine neue mündliche Verhandlung durchzuführen hatte und für die Beteiligten die Möglichkeit zu neuem Vorbringen eröffnet war (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl. 1993, § 126 Anm.14, m.w.N.).

Etwas anderes folgt nicht aus dem im ersten Rechtsgang ergangenen BFH-Urteil, nach dem das FG im Streitfall anstelle einer Sachentscheidung allenfalls in der Besetzung der mündlichen Verhandlung die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hätte beschließen können (BFHE 174, 107, 111, BStBl II 1994, 571). Diese Ausführungen betrafen die verfahrensrechtliche Lage nach Schluß der mündlichen Verhandlung, aber vor einer Entscheidung des FG im ersten Rechtsgang.

2. Zu Recht hat das FG die Aufwendungen für die zugleich mit dem Abschluß des Kaufvertrages vereinbarten Umbau- und Modernisierungsarbeiten als Anschaffungskosten beurteilt, für die erhöhte Absetzungen nach § 82a EStDV nicht in Betracht kommen.

a) Nach der Vorschrift des § 255 des Handelsgesetzbuches (HGB), deren Begriffsbestimmungen auch für das Steuerrecht, und zwar auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, gelten (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, 476, BStBl II 1990, 830 unter C. III. 1.c dd; Senatsurteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454, 456, BStBl II 1996, 632) sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Zur Gegenleistung für den Erwerb können auch Aufwendungen zählen, die neben dem nach dem Kaufvertrag geschuldeten Kaufpreis aufgrund eines gesonderten Vertrages geleistet werden.

So hat der Senat Aufwendungen für die beim Erwerb einer Eigentumswohnung gesondert vereinbarte Instandsetzung der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile als Anschaffungskosten beurteilt, weil es sich um einen einheitlichen, auf die Anschaffung einer renovierten Eigentumswohnung in einem renovierten Gebäude gerichteten Vorgang handelte (Urteil vom 30. Juli 1991 IX R 43/89, BFHE 165, 245, BStBl II 1991, 918). Entscheidend für die Annahme eines wirtschaftlich einheitlichen Rechtsgeschäfts waren in jenem Fall der gleichzeitige Abschluß des Kaufvertrages und des gesonderten Vertrages über die Instandsetzungsarbeiten sowie der bautechnische Zusammenhang dieser Arbeiten, die sinnvoll nur im Rahmen einer einheitlich geplanten Baumaßnahme für das gesamte Gebäude durchgeführt werden konnten (Urteil in BFHE 165, 245, 248, BStBl II 1991, 918).

Diese Grundsätze gelten erst recht für den Streitfall, in dem der zugleich mit dem Kaufvertrag abgeschlossene Werkvertrag über die Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten nicht nur das Gemeinschaftseigentum, sondern auch das Sondereigentum betraf. Auch im Streitfall waren sämtliche Arbeiten nur in Form einer einheitlich geplanten Baumaßnahme für das gesamte Gebäude durchzuführen. Nach den Feststellungen des FG waren nach dem Werkvertrag insbesondere Umbauarbeiten, Spengler- und Dachdeckerarbeiten, der Einbau einer neuen Heizungsanlage, die vollständige Erneuerung der Bäder, sämtlicher Türen, Fenster und Rolläden sowie die Überprüfung und Modernisierung der gesamten Elektroanlage vorgesehen.

b) Mit dieser Rechtsauffassung weicht der Senat nicht vom Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672 ab. Nach diesem Beschluß sind Aufwendungen, die nach dem Erwerb eines Gebäudes gemacht werden, unter bestimmten Voraussetzungen als Herstellungskosten zu beurteilen (sog. anschaffungsnaher Herstellungsaufwand; vgl. auch Senatsurteil in BFHE 177, 454, 458, BStBl II 1996, 632 unter I. 3. a). Dies gilt jedoch nicht für Aufwendungen, die aufgrund der schon beim Erwerb getroffenen Vereinbarungen zur Gegenleistung für die Übergabe eines renovierten Gebäudes (oder einer renovierten Eigentumswohnung) gehören und mithin Anschaffungskosten bilden (Senatsurteil in BFHE 165, 245, 249, BStBl II 1991, 918). Da keine Änderung der Rechtsprechung gegeben ist, kann der Kläger auch nicht gemäß § 176 Abs.1 Nr.3 AO 1977 Vertrauensschutz beanspruchen.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Steueranspruch im Streitfall nicht wegen überlanger Verfahrensdauer verwirkt.

a) Zwar folgt aus Art. 19 Abs. 4 GG ein verfassungsrechtlich geschützter Anspruch auf Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, wie das BVerfG wiederholt entschieden hat (vgl. die Nachweise im Beschluß des BFH in BFHE 165, 469, 473, BStBl II 1992, 148; neuerdings Beschlüsse des BVerfG --2. Kammer des Zweiten Senats-- vom 14. Juli 1994 2 BvR 1072/94, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1995, 530 --für das Steuerstrafverfahren--; sowie der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. April 1992 1 BvR 406/89, HFR 1993, 37 --zum finanzgerichtlichen Verfahren--). Gleichwohl kann offenbleiben, ob im Streitfall die Verfahrensdauer die verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen überschritten hat. Eine überlange Verfahrensdauer führt nämlich nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nicht zur Verfassungs- und Rechtswidrigkeit des angefochtenen Steuerbescheids und steht einer gerichtlichen Sachentscheidung nicht entgegen (Beschlüsse des BFH in BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148; ferner vom 20. Mai 1994 XI B 63/93, BFH/NV 1994, 605; vom 10. Januar 1995 IV B 108/94, BFH/NV 1995, 803; BFH-Urteile vom 5. Dezember 1995 VIII R 10/91, BFHE 179, 119, BStBl II 1996, 281; vom 13. Dezember 1995 XI R 43-45/89, BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232; vom 12. Dezember 1995 VIII R 59/92, BFHE 179, 335, BStBl II 1996, 219; vom 21. März 1996 XI R 82/94, BFHE 180, 316, BStBl II 1996, 518; die vom XI. Senat im Beschluß vom 3. Dezember 1993 XI S 12/93, BFH/NV 1994, 494, bei summarischer Prüfung im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung geäußerten Zweifel sind danach überholt). Gegen diese Rechtsprechung gerichtete Verfassungsbeschwerden hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Februar 1994 2 BvR 74-75/ 92 --Juris--, und vom 22. August 1994 2 BvR 1454/94 --nicht veröffentlicht--).

b) Danach läßt im finanzgerichtlichen Verfahren eine überlange Verfahrensdauer den gesetzlichen Steueranspruch grundsätzlich unberührt und führt nur ausnahmsweise zu anderweitigen Rechtsfolgen, um die durch die verfassungswidrige Überlänge des Verfahrens für den Steuerpflichtigen entstandenen Nachteile auszugleichen. Sofern nicht im Einzelfall ein konkreter wirtschaftlicher Schaden geltend gemacht wird (vgl. auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 1993, Bd.III, S.1388 m.w.N.; Kirchhof, Deutsche Steuerzeitung --DStZ-- 1989, 55, 59) kommt bei nicht rechtzeitiger Rechtsschutzgewährung als Sanktion in Betracht, daß die sofortige Vollziehbarkeit des angefochtenen Steuerbescheids bis zur Entscheidung aufgehalten wird (BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 V R 105/84, BFHE 163, 313, BStBl II 1991, 498; Beschluß vom 19. Februar 1996 I B 86/95, BFH/NV 1996, 725; Kirchhof, a.a.O.). Ferner kann eine überlange Verfahrensdauer die tatsächlichen Grundlagen einer Ermessensentscheidung so verändern, daß der ablehnende Verwaltungsakt nicht aufrechterhalten bleiben kann (Beschluß des BFH vom 14. Oktober 1993 X B 52/93, BFH/NV 1994, 562). Ist nach überlanger Verfahrensdauer aufgrund von Versäumnissen des Gerichts die Sachaufklärung erschwert, darf dies im Rahmen der Beweiswürdigung nicht den Steuerpflichtigen angelastet werden (Gräber/von Groll, a.a.O., vor § 76 Anm.7a.E.).

Im Streitfall ist keiner der vorgenannten Ausnahmefälle gegeben. Weder ist dem Kläger durch die Verfahrensdauer ein zusätzlicher wirtschaftlicher Schaden entstanden noch ist eine Ermessensentscheidung oder die gerichtliche Tatsachenfeststellung im Streit.

4. Auch die Kostenentscheidung des FG ist zutreffend. Das FG hat dem Umstand, daß im ersten Rechtsgang die Revision allein durch die gesetzwidrige Verfahrensweise des FG erforderlich geworden war, durch Anwendung des § 8 Abs.1 GKG Rechnung getragen. Für das weitergehende Begehren des Klägers, die ihm entstandenen Anwaltskosten der Staatskasse aufzuerlegen, gibt es keine Rechtsgrundlage. Die Vorschrift des § 139 Abs.4 FGO betrifft allein die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Sie ist auf die außergerichtlichen Kosten des Klägers, der zudem in der Sache letztlich unterlegen ist, nicht --auch nicht entsprechend-- anwendbar. Die vom Kläger verlangte Kostenerstattung läßt sich auch nicht auf eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 135 Abs.4 FGO stützen, nach der die Kosten eines erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens der Staatskasse auferlegt werden können. Der Grundgedanke dieser Regelung, daß das Wiederaufnahmeverfahren als gebührenrechtlich selbständiges Verfahren zusätzliche Kosten verursacht, die nicht stets dem in der Hauptsache Unterliegenden auferlegt werden sollen, weil dieser den Wiederaufnahmegrund in der Regel nicht zu vertreten hat (Gräber/Ruban, a.a.O., § 135 Anm.9), ist auf die Kosten der Revision im ersten Rechtsgang nicht übertragbar; denn die Kosten eingelegter Rechtsmittel hat grundsätzlich der in der Sache letztlich unterliegende Beteiligte zu tragen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 135 Anm.6).

Eine andere kostenrechtliche Beurteilung ist auch nicht aufgrund der Dauer des Verfahrens geboten. Durch die Verfahrensdauer sind keine zusätzlichen Prozeßkosten entstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65816

BFH/NV 1997, 175

BStBl II 1997, 348

BFHE 182, 178

BFHE 1997, 178

BB 1997, 671 (Leitsatz)

DB 1997, 757-758 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1997, 489-491 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 279 (Leitsatz)

HFR 1997, 386-387 (Leitsatz)

StE 1997, 187 (Kurzwiedergabe)

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