Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen einer Dipl.-Psychologin für eine Psychoanalyse als Fortbildungskosten - Ermessensspielraum bei objektivem Zusammenhang von Aufwendungen mit dem Beruf

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen einer angestellten Dipl.-Psychologin für eine Psychoanalyse können als Fortbildungskosten abziehbare Werbungskosten sein, wenn die damit gewonnene Selbsterfahrung für ihre berufliche Tätigkeit erforderlich ist.

 

Orientierungssatz

Hängen Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammen, hat der Steuerpflichtigen einen Ermessensspielraum, welche Aufwendungen er tätigen will (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.1980 VI R 193/77).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen einer Dipl.-Psychologin für die Durchführung einer Psychoanalyse als Fortbildungskosten abziehbar oder teilweise dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen und damit nicht berücksichtigungsfähig sind.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Dipl.-Psychologin mit einer therapeutischen Zusatzausbildung. Im Streitjahr war sie an einer Landesklinik nichtselbständig beschäftigt.

Sie arbeitete auf einer Station, die nach dem Prinzip der "therapeutischen Gemeinschaft" aufgebaut ist. Darin leben Menschen mit verschiedenen Lebensproblemen für eine gewisse Zeit mit einem Team von Therapeuten zusammen. Im Rahmen unterschiedlicher psycho- und milieutherapeutischer Aktivitäten sollen die Patienten einen persönlichen Entwicklungsprozeß mit dem Ziel durchmachen, die eigenen Verhaltensweisen zu verstehen und damit umgehen zu lernen. Für den Bereich der Psychotherapie kam der Klägerin die Hauptverantwortung zu. Sie war auch für die Fortbildung der ärztlichen Kollegen und des Pflegepersonals auf diesem Gebiet zuständig. Für diese Aufgaben ist neben der theoretischen Fortbildung zusätzlich eine persönliche Selbsterfahrung erforderlich.

Die Klägerin nahm im Streitjahr an psychoanalytischen und psychotherapeutischen Fortbildungen teil. Unter anderem unterzog sie sich einer Psychoanalyse von wöchentlich drei Einzelsitzungen, die insgesamt auf 400 bis 500 Stunden ausgelegt war.

Die Kosten für die Psychoanalyse machte die Klägerin als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte ihre Berücksichtigung ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Die streitigen Aufwendungen der Klägerin seien beruflich veranlaßt gewesen, da sie objektiv im Zusammenhang mit dem Beruf gestanden hätten und subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt worden seien.

Ein Abzug der Aufwendungen scheide zwar aus, wenn die berufliche Veranlassung von Motiven der privaten Lebensführung überlagert würde, es sei denn, die private Mitveranlassung sei von ganz untergeordneter Bedeutung. Des weiteren gehörten Kosten für eine Psychoanalyse grundsätzlich zu den Aufwendungen, die den beruflichen Bereich des Steuerpflichtigen in gleicher Weise zu berühren geeignet seien wie den privaten. Im Bereich persönlichkeitsbildender Veranstaltungen könne eine berufliche Veranlassung aber nicht allein deshalb generell verneint werden, weil von den dabei gewonnenen Erkenntnissen auch im privaten Lebensbereich profitiert werde. Die Tätigkeit der Klägerin habe eine besondere Qualifikation auf diesem Gebiet erforderlich gemacht. Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände seien keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß mit der Psychoanalyse private Zwecke verfolgt wurden. Dieser Aspekt sei daher nur von untergeordneter Bedeutung.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 12 Nr.1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es liege in der Natur der Einzelanalyse, daß sie nur die Persönlichkeit der Teilnehmenden betreffe. Bei einer Analysefolge vom Umfang wie im Streitfall könne daher nicht von untergeordneten privaten Interessen gesprochen werden. Die Verursachung einer derartigen Analyse sei ausschließlich durch die Klägerin selbst zu beurteilen, eine Nachprüfbarkeit durch Dritte sei ausgeschlossen. In diesen Fällen greife das Abzugsverbot des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG ein.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Die Aufwendungen müssen objektiv durch die beruflichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen veranlaßt sein und subjektiv zur Förderung seines Berufs getätigt werden (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213).

Allerdings besteht nach § 12 Nr.1 Satz 2 EStG ein Abzugsverbot für solche Aufwendungen, die der Lebensführung des Steuerpflichtigen dienen, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Nach ständiger Rechtsprechung sind deshalb Aufwendungen, die sowohl der Lebensführung dienen als auch den Beruf fördern, nur abziehbar, wenn die berufliche Verursachung bei weitem überwiegt, private Gesichtspunkte also nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen (vgl. den BFH-Beschluß in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213, und zuletzt das BFH-Urteil vom 19.Oktober 1989 VI R 155/88, BFHE 158, 532, BStBl II 1990, 134).

Diese Voraussetzungen liegen auch vor, wenn Aufwendungen zwar ihrem Anschein nach mit der privaten Lebensführung zusammenhängen, aber dennoch ausschließlich oder ganz überwiegend beruflich veranlaßt sind (vgl. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., 1992, § 12 EStG, Anm.3). Das ist der Fall, wenn sich private Anwendungsmöglichkeiten zwangsläufig und untrennbar aus den im beruflichen Interesse gewonnenen Erkenntnissen und Fertigkeiten ergeben. Es ist wie im Streitfall regelmäßig unvermeidlich, daß bei einer psychologisch orientierten Unterrichtung und Übung zugleich persönliche Aspekte eine Rolle spielen. Vergleichbares gilt für andere Berufsgruppen. Auch ein Arzt, Rechtsanwalt, Sportlehrer, Reisebegleiter, Dolmetscher oder Künstler wird für den beruflichen Bereich gewonnene Erkenntnisse stets im persönlichen Bereich anwenden können. Solche Erkenntnisse können sich auch im Bereich persönlicher Erfahrungen und Entwicklungen bewegen, die für die Ausübung des Berufs erforderlich sind. In diesen Fällen liegt eine berufliche Veranlassung der Aufwendungen vor, nicht dagegen handelt es sich um Aufwendungen der privaten Lebensführung, die die berufliche Tätigkeit lediglich fördern. Jedenfalls ist in diesen Fällen die private gegenüber der beruflichen Veranlassung von untergeordneter Bedeutung.

2. Die Vorentscheidung hat diese Grundsätze zugrunde gelegt.

Nach den Feststellungen des FG brachte die Tätigkeit der Klägerin ein erhöhtes Bedürfnis nach psychoanalytischer Unterweisung mit sich. Die Klägerin ist aufgrund der methodisch angeleiteten Beobachtung eigener psychischer Prozesse in die Lage versetzt worden, selbst effektiver zu therapieren und ihren Patienten bessere Hilfestellung zu geben. Bei einer Würdigung der Gesamtumstände hat das FG dem Aspekt, daß mit der Psychoanalyse auch private Zwecke verfolgt wurden, nur untergeordnete Bedeutung beigemessen. Zu diesen Feststellungen, die auf tatsächlichem Gebiet liegen, gelangte es aufgrund eigener Sachaufklärung und fehlerfreier Würdigung des Sachverhalts; damit sind diese Feststellungen für den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das gilt auch dann, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich sind (vgl. zuletzt BFH- Urteil vom 31.Juli 1991 VIII R 23/89, BFHE 165, 398, BStBl II 1992, 375, Abs.4).

Auf die Höhe der Aufwendungen hat das FG zu Recht nicht abgestellt. Wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht, hat der Steuerpflichtige einen Ermessensspielraum, welche Aufwendungen er tätigen will (BFH-Urteil vom 28.November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368). Die Aufwendungen stehen zudem nicht in einem evidenten Mißverhältnis zu den Einnahmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64301

BFH/NV 1992, 75

BStBl II 1992, 1036

BFHE 168, 567

BFHE 1993, 567

BB 1992, 2137 (L)

DB 1993, 22 (L)

DStR 1992, 1473 (KT)

DStZ 1992, 764 (KT)

HFR 1993, 10 (LT)

StE 1992, 562 (K)

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