Leitsatz (amtlich)

Der einkommensteuerrechtlichen Anerkennung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses steht nicht entgegen, daß der Arbeitnehmer-Ehegatte, nachdem das Arbeitsentgelt in dessen Verfügungsmacht gelangt ist, dem Arbeitgeber ohne eine Rechtspflicht ein Darlehen gewährt.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, betreibt seit 1970 ein Möbelgeschäft. Gesellschafter waren in den Streitjahren S und R. R ist der Stiefvater der Ehefrau des S. Alleiniger Geschäftsführer war S. Herr und Frau S waren in den Streitjahren im wesentlichen alleinige Arbeitskräfte der Klägerin. Frau S ist als Vollzeitarbeitskraft angestellt.

Am 15. Februar 1970 schlossen die Klägerin und Frau S eine Vereinbarung, derzufolge Frau S der Klägerin "jeweils zeitweilig, aber immer nur vorübergehend und kurzfristig aus ihren monatlichen Gehaltsansprüchen eine darlehensähnliche, gesonderte separierte Überlassung volle oder auch Teilbeträge bis zu einer Höchstfestlegungsdauer von einem Jahr anbietet." Frau S sollte "zu jeder Zeit frei über die angesammelten Beträge verfügen können". Eine Verzinsung sollte grundsätzlich nicht erfolgen, es sei denn, daß die Gesellschafter der Klägerin eine solche bis zur Höhe von 4 v. H. bewilligten. Sicherheiten für das Darlehen sollten nicht gestellt werden.

In den Streitjahren hat Frau S ihr Nettogehalt jeweils zunächst in vollem Umfang der Klägerin als Darlehen zur Verfügung gestellt und von dem Darlehenskonto je nach Bedarf Beträge in unterschiedlicher Höhe abgezogen. Die Gehaltsabrechnungen und die Darlehensgewährungen gingen jeweils so vor sich, daß die Klägerin zum Ende eines Monats eine Gehaltsabrechnung erstellte, in der das Bruttogehalt, die Abzüge und das Nettogehalt ausgewiesen waren. Unter dieser Abrechnung stand: "Abrechnung anerkannt und Betrag richtig erhalten." Die Abrechnungen wurden jeweils von Frau S unterschrieben. Gleichzeitig fertigte die Klägerin einen Kasseneinnahmebeleg, der wörtlich unterschiedlich, inhaltlich aber ähnlich lautete, so z. B. für den 30. September 1975: "Zuführung Angestellten-Darlehen für Monat September 1975 auf Kto. 0711 - Frau S It. Gehaltsabrechnung per 30. 9. 1975 1 611,02 DM. "Aufgrund dieser Unterlagen buchte die Klägerin gleichzeitig einen Kassenausgang und Kasseneingang sowie eine Gehaltszahlung und eine Einzahlung auf Darlehenskonto. Zinsen für das Darlehen wurden nicht gezahlt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ die Gehaltszahlungen an Frau S nicht als Betriebsausgaben der Klägerin zum Abzug zu. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und änderte die angefochtenen Bescheide entsprechend dem Klagebegehren zugunsten der Klägerin ab. In dem Urteil ist im wesentlichen ausgeführt, es liege ein echtes und nicht nur ein vorgetäuschtes Arbeitsverhältnis vor. Die Klägerin und Frau S hätten bei der Gehaltszahlung für eine klare Trennung der Einkommens- und Vermögenssphäre von Frau S und ihrem Ehemann gesorgt. Die Klägerin habe Frau S zu jedem Gehaltszahlungszeitpunkt das Nettogehalt zur Auszahlung angeboten. Frau S habe dieses Angebot angenommen und sogleich mit der Anweisung über ihr Nettogehalt verfügt, es ihrem Darlehenskonto bei der Klägerin gutzuschreiben. Dabei habe es sich nicht nur um einen buchmäßigen Vorgang gehandelt, sondern der unterschiedliche Wortlaut der Einzahlungsanweisung zeige, daß Frau S jedesmal einen neuen Einzahlungsentschluß gefaßt habe. Der Fall stehe daher dem gleich, bei dem dem Arbeitnehmer das Gehalt zunächst in Bargeld ausgezahlt und von ihm anschließend als Darlehen wieder eingezahlt worden sei. Diese Handhabung ermögliche eine klare Trennung der Einkommens- und Vermögenssphären beider Ehegatten.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Weder habe eine eindeutige und leicht nachprüfbare Vereinbarung vorgelegen, noch sei das Arbeitsverhältnis in den Streitjahren tatsächlich vollzogen worden. Insbesondere seien Barbeträge nicht geflossen. Frau S habe nur rechtsförmlich ein Entgelt für ihre Arbeitsleistung erhalten, ohne jedoch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung auf Arbeitslohn nach Belieben darüber verfügen zu können. Auch halte die Vereinbarung vom 15. Februar 1970 einem Drittvergleich nicht stand. Fremde Arbeitnehmer hätten weder auf eine Sicherheit noch auf eine angemessene Verzinsung ihres Gehaltsdarlehens verzichtet.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie macht im wesentlichen geltend, Frau S habe jeweils im Fälligkeitszeitpunkt frei über ihr Gehalt verfügen können. Sie habe deshalb selbst entscheiden können, ob sie es etwa auf ein Bankkonto einzahlen oder anderweitig verwenden wolle. Im Hinblick darauf, daß sich der Betrieb der Klägerin in der Aufbauphase befunden habe, sei es nur folgerichtig gewesen, daß sie die Gelder jeweils kurzfristig dem Unternehmen zur Verfügung gestellt habe, anstatt sie für einen minimalen Zins auf ein Girokonto einzuzahlen. Diese von Frau S gewählte sinnvolle Verwendung ihres Gehalts könne nicht zur Versagung der steuerlichen Anerkennung des Arbeitsverhältnisses führen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG ist ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, daß zwischen der Klägerin und Frau S ein einkommensteuerrechtlich anzuerkennendes Arbeitsverhältnis vorlag und daß die infolge des Arbeitsvertrags erbrachten Leistungen der Klägerin Betriebsausgaben sind (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

1. Die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entwickelten Grundsätze zur Beurteilung von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen sind auch im vorliegenden Falle anzuwenden. Zwar besteht das Arbeitsverhältnis nicht zwischen den Eheleuten S, sondern zwischen Frau S und der Klägerin. Angesichts der beherrschenden Stellung, die Herr S als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin innehat, ist jedoch die Interessenlage derjenigen eines unmittelbaren Arbeitsverhältnisses zwischen Eheleuten vergleichbar (vgl. BFH-Urteile vom 12. April 1979 IV R 14/76, BFHE 128, 207, BStBl II 1979, 622 , m. w. N., und vom 24. März 1983 IV R 76/80, BFHE 139, 144, BStBl II 1983, 770 ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten steuerrechtlich grundsätzlich unter der Voraussetzung anzuerkennen, daß sie ernstlich vereinbart und der Vereinbarung entsprechend tatsächlich durchgeführt werden. Vertragsgestaltung und -durchführung sind also daraufhin zu überprüfen, ob sie auch zwischen Fremden üblich wären (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 8. März 1962 IV 165/60 U, BFHE 74, 584, BStBl III 1962, 217 ; vom 22. März 1972 I R 152/70, BFHE 105, 351, BStBl II 1972, 614 , und vom 23. April 1975 I R 208/72, BFHE 115, 481, BStBl II 1975, 579 , m. w. N.).

Das FG hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß vereinbart worden ist. Der Senat ist an diese Feststellung gebunden, denn Revisionsgründe wurden insoweit nicht vorgebracht (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das Arbeitsverhältnis wurde auch tatsächlich durchgeführt.

Zur tatsächlichen Durchführung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses gehört nicht nur, daß der Ehegatte im Betrieb des anderen Ehegatten tatsächlich mitarbeitet, sondern auch, daß die vereinbarten Entgelte in den Einkommens- und Vermögensbereich des Arbeitnehmer-Ehegatten gelangen, der vom Einkommensund Vermögensbereich der Arbeitgeber-Ehegatten klar und eindeutig getrennt ist (vgl. BFH-Urteile vom 5. Dezember 1963 IV 98/63 S, BFHE 78, 335, BStBl III 1964, 131 ; vom 16. Januar 1974 I R 176/72, BFHE 111, 319, BStBl II 1974, 294 , sowie Urteil in BFHE 139, 144, BStBl II 1983, 770 ).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfalle gegeben. Das FG hat festgestellt, daß die Klägerin der Frau S zu jedem Gehaltszeitpunkt das Nettogehalt zur Auszahlung angeboten und daß Frau S dieses Angebot angenommen hat. Frau S hat danach verfügt, das Gehalt dem Darlehenskonto bei der Klägerin gutzuschreiben, wobei sie jedesmal einen neuen Entschluß gefaßt hat. Aus diesen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), ergibt sich, daß Frau S zu jedem Gehaltszahlungszeitpunkt eine völlig freie Verfügungsmöglichkeit über ihr Nettogehalt hatte. Diese Verfügungsmöglichkeit war nicht durch die Vereinbarung vom 15. Februar 1970 etwa in der Weise eingeschränkt, daß Frau S zwar das Gehalt angeboten erhielt, aber verpflichtet gewesen wäre, von diesem Angebot nur dadurch Gebrauch zu machen, daß sie ihre Gehaltsforderung in eine Darlehensforderung umwandelte. Denn Frau S konnte ausweislich der Vereinbarung vom 15. Februar 1970 jederzeit frei über die angesammelten Gelder verfügen. Konnte sie aber jederzeit ihr Guthaben abrufen, so stand es ihr auch frei, keine neuen Beträge als Darlehen zur Verfügung zu stellen, d. h. sich das Gehalt sofort in bar auszahlen zu lassen. Die vom FG gezogene Folgerung, der vorliegende Fall stehe dem gleich, bei dem dem Arbeitnehmer das Gehalt zunächst in Bargeld ausgezahlt und von ihm anschließend als Darlehen wieder zurückgegeben worden sei, begegnet mithin - auch wenn man den Inhalt der Vereinbarung vom 15. Februar 1970 mit in die Betrachtung einbezieht - keinen rechtlichen Bedenken.

2. Der Annahme, daß das Arbeitsverhältnis tatsächlich vollzogen wurde, steht nicht entgegen, daß die Klägerin mit Frau S einen Vertrag abgeschlossen hat, demzufolge sie von Frau S zinslose Darlehen erhielt.

a) Werden Gehaltsteile eines Arbeitnehmer-Ehegatten nicht zum Fälligkeitszeitpunkt ausgezahlt, sondern im Betrieb stehengelassen, so ist es nach ständiger Rechtsprechung zur Anerkennung des Arbeitsverhältnisses erforderlich, daß ein wie unter Fremden üblicher Darlehensvertrag zwischen den Ehegatten abgeschlossen wird (vgl. u. a. Urteile in BFHE 115, 481, BStBl II 1975, 579 ; vom 14. Oktober 1981 I R 34/80, BFHE 134, 293, BStBl II 1982, 119 , sowie vom 8. Dezember 1983 IV R 69/81, nicht veröffentlicht). Diese Auffassung betrifft Sachverhalte, in denen das Gehalt stillschweigend im Betrieb belassen wurde. Ein rechtsgeschäftlicher Akt des Arbeitnehmers am Fälligkeitstage fehlte in jenen Fällen. Auf den vorliegenden Sachverhalt sind diese Urteile nicht anwendbar, denn Frau S hat - wie dargelegt - jeweils im Fälligkeitszeitpunkt frei über ihren Gehaltsanspruch verfügen können und rechtsgeschäftlich verfügt. Die Gelder blieben nicht "im Betrieb stehen" im Sinne der oben angegebenen Rechtsprechung.

b) Für die Fälle, in denen die vereinbarten Entgelte tatsächlich an den Arbeitnehmer ausgezahlt wurden, die wechselseitigen Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis mithin erfüllt sind, und sodann der Arbeitnehmer aufgrund eines völlig freien Entschlusses Beträge in gleicher oder ähnlicher Höhe dem Betrieb darlehensweise zur Verfügung stellt, ist die bisherige Rechtsprechung uneinheitlich. Vereinzelt kommt - wenn auch schwächer als bei der zu a) genannten Fallgruppe - zum Ausdruck, daß auch hier das Darlehensverhältnis einem Drittvergleich standhalten müsse, andernfalls weder das Darlehen noch das Arbeitsverhältnis einkommensteuerrechtlich anerkannt werden könnten. So hat der erkennende Senat in den Urteilen vom 29. Juli 1971 VIII R 24/66 (BFHE 103, 67, BStBl II 1971, 732 ) und vom 29. Februar 1972 VIII R 45/66 (BFHE 105, 263, BStBl II 1972, 533 ) klare und eindeutige Vereinbarungen zumindest über eine angemessene Verzinsung und Rückzahlung der Darlehen für notwendig erachtet. Der I. Senat hat dagegen in einem Falle, in dem der Ehegatten-Arbeitnehmer sein Gehalt auf sein Sparkonto überwiesen bekam und anschließend diese Mittel dazu verwendete, dem Ehegatten-Arbeitgeber ein Darlehen zu gewähren, trotz einer vorübergehenden Zinslosigkeit des Darlehens das Arbeitsverhältnis einkommensteuerrechtlich anerkannt (Urteil vom 30. Juni 1971 I R 30/69, BFHE 103, 328, BStBl II 1972, 112 ). Der I. Senat hat in diesem Urteil allerdings einschränkend - und für die Entscheidung nicht tragend - erkennen lassen, daß er offenbar die Rechtslage anders beurteilen würde, wenn das ausgezahlte Geld "sofort dem Ehegatten-Arbeitgeber darlehensweise wieder zur Verfügung gestellt" worden wäre.

c) Der Senat ist der Auffassung, daß ein Darlehen, das der Arbeitnehmer-Ehegatte dem Arbeitgeber-Ehegatten ohne eine Rechtspflicht aus freien Stücken gewährt hat, nachdem das Arbeitsentgelt an den Arbeitnehmer ausgezahlt wurde, die Qualität des Arbeitsverhältnisses nicht mehr rückwirkend verändern kann. Denn ein Ehegatten-Arbeitsverhältnis ist dann tatsächlich wie unter Fremden üblich vollzogen, wenn Leistung und Gegenleistung erbracht sind. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer die vereinbarte Arbeit unter Beachtung der vereinbarten Bedingungen verrichtet und der Arbeitgeber das vereinbarte Arbeitsentgelt jeweils bei Fälligkeit an den Arbeitnehmer ausgezahlt hat. Durch eine sich daran anschließende Darlehensgewährung wird die Erfüllungshandlung des Arbeitgebers nicht rückwirkend beseitigt. Der durch die Erfüllung (§ 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) erloschene Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis lebt durch den Darlehensvertrag nicht neu auf.

Der Senat gibt damit zum Teil seine Rechtsprechung in BFHE 103, 67, BStBl II 1971, 732 und in BFHE 105, 263, BStBl II 1972, 533 auf, weicht dadurch aber nicht von dem BFH-Urteil in BFHE 115, 481, BStBl II 1975, 579 ab, das sich auch auf die beiden vorgenannten BFH-Urteile stützt. Denn im Fall des BFH-Urteils in BFHE 115, 481, BStBl II 1975, 579 war es weder zu einer Auszahlung des Gehalts noch zu einem Angebot auf Auszahlung im Fälligkeitszeitpunkt gekommen.

d) Der Auszahlung des Gehalts und anschließenden Gewährung eines Darlehens steht der Fall gleich, daß dem Arbeitnehmer das Gehalt im Fälligkeitszeitpunkt zur Auszahlung angeboten wird und der Arbeitnehmer daraufhin aus freiem Entschluß die Umwandlung seines Gehaltsanspruchs in eine Darlehensforderung an Erfüllungs Statt annimmt, mit der Folge, daß dadurch der Anspruch des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis erlischt (§ 607 Abs. 2 BGB, § 364 Abs. 1 BGB). Im Streitfall hat Frau S durch Unterschreiben der Abrechnung mit dem Inhalt "Abrechnung anerkannt und Betrag richtig erhalten" zu erkennen gegeben, daß durch die gleichzeitige Begründung einer Darlehensforderung gegen die Klägerin der Anspruch auf Gehalt erloschen sein sollte.

3. Eine für das Steuerrecht abweichende Beurteilung von dieser zivilrechtlichen Rechtslage ist in der Regel auch nicht unter dem Gesichtpunkt der Steuerumgehung durch Rechtsmißbrauch (§ 6 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -, * 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -) vertretbar. Denn ein Rechtsgestaltungsmißbrauch würde nur dann vorliegen, wenn Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Ehegatte eine unentgeltliche Mitarbeit im Betrieb gewollt, die Unentgeltlichkeit aber zum Zwecke der Steuerersparnis beim Arbeitgeber durch Abschluß eines Arbeitsund Darlehensvertrags verkleidet hätten. Von einer solchen Verkleidung könnte dann gesprochen werden, wenn Arbeits- und Darlehensvertrag derart miteinander rechtlich verbunden wären, daß der Arbeitnehmer zur Zeit der Fälligkeit des Gehalts durch den Darlehensvertrag bereits in der Gehaltsverwendung zugunsten des Arbeitgebers gebunden ist. Denn bei einer solchen Gestaltung würde das Arbeitsverhältnis in einer so atypischen Weise modifiziert, daß ggf. - je nach Laufzeit und Verzinsung der Darlehen - der Arbeitnehmer im Ergebnis auf einen Teil seines Arbeitsentgelts verzichten würde.

Im zur Entscheidung stehenden Fall kann ein Rechtsgestaltungsmißbrauch schon deshalb nicht angenommen werden, weil Frau S nicht bereits vor Fälligkeit ihrer jeweiligen Gehaltsansprüche verpflichtet war, die Darlehen zu gewähren, sondern ihr vielmehr die Verwendung der Gelder freistand. Angesichts der täglichen Kündbarkeit der Darlehen, die auch bei einer Geldanlage auf Bank- oder Postscheckkonto nur zu geringer oder gar keiner Verzinsung hätte führen können, kann im übrigen das Fehlen einer Zinsvereinbarung nicht als ein Mangel angesehen werden, der so schwer wiegt, daß er die Nichtanerkennung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben müßte.

4. Der Senat ist im übrigen der Auffassung, daß in den zu 2. b), 2. c) und 2. d) dargestellten Fällen ein Rückschluß von der späteren Darlehensgewährung auf das Arbeitsverhältnis zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen würde. Denn nicht jedes vom Arbeitnehmer-Ehegatten gewährte Darlehen könnte das Arbeitsverhältnis in Frage stellen. Einer solchen verallgemeinernden Betrachtung stünde schon Art. 6 des Grundgesetzes entgegen (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 1962 1 BvL 32/57, BStBl I 1962, 492, 499). Es bedürfte deshalb einer Abgrenzung. Unklar wäre dabei insbesondere, ob der zeitliche Abstand zwischen der Zurverfügungstellung des Gehalts und der Auszahlung des Darlehens bedeutsam sein soll; ggf. wann eine zeitliche Grenze zu ziehen wäre. Zu entscheiden wäre ferner, ob der "Durchfluß" des Gehalts durch verschiedene getrennt gehaltene Vermögensmassen des Arbeitnehmers (z. B. unterschiedliche Konten bei verschiedenen Kreditinstituten) mit anschließendem Rückfluß als Darlehen zur "Unschädlichkeit" des Darlehens führen kann. Dabei ist zu bedenken, daß diejenigen Arbeitnehmer-Ehegatten, die über freies, nicht aus Arbeitseinkünften herrührendes Vermögen verfügen, in der Regel einen größeren Dispositionsspielraum haben, der ihnen Rechtsgestaltungen ermöglicht, die den Zusammenhang zwischen dem Arbeitsverhältnis und dem Darlehen als unterbrochen erscheinen lassen, wogegen einkommensschwache Personen (z. B. junge Kleinunternehmer in der Aufbauphase) diese Möglichkeit mangels hinreichender Liquidität nicht haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 426155

BStBl II 1986, 48

BFHE 1985, 215

NJW 1985, 1486

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