Leitsatz (amtlich)

Hat sich der Erwerber einer Eigentumswohnung verpflichtet, ein dem Veräußerer bei dessen Darlehensaufnahme einbehaltenes Disagio zu erstatten, so gehört der Erstattungsbetrag nicht zu den Finanzierungskosten und damit nicht zu den sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern zu den Anschaffungskosten des Erwerbers.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 21

 

Verfahrensgang

FG Bremen

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben durch Kaufvertrag vom 4. Mai 1976 von einer Grundstücksgesellschaft (Veräußerin) eine von dieser im Juli 1974 fertiggestellte Eigentumswohnung zum 1. November 1976 (Liefertag). In dem Kaufvertrag verpflichteten sie sich, neben dem Kaufpreis von 175 170 DM einen Disagiobetrag von 14 430 DM für übernommene Grundpfandrechte zu erstatten. Sie übernahmen mit Wirkung vom Liefertag an zwei Grundpfandrechte "zu den jeweils geltenden Bedingungen in Höhe ihrer Valutierung am Lieferungstag". Der durch die Schuldübernahme nicht gedeckte Restkaufpreis zuzüglich des Disagio war bis zum 1. November 1976 zu entrichten. Durch Vertrag vom 22. Juli 1976 übertrug das Kreditinstitut, für das die Pfandrechte eingetragen waren, den Klägern die zuvor der Veräußerin gewährten Darlehen in der am 1. November 1976 bestehenden Höhe. Die Darlehensvaluta war im Juni 1975 zum Auszahlungskurs von 90,75 v H. an die Veräußerin ausgezahlt worden. Ihre nach Anrechnung der Verbindlichkeiten noch verbleibende Schuld gegenüber der Veräußerin tilgten die Kläger am 27. Oktober 1976 durch eine von einem anderen Kreditinstitut zu ihren Lasten vorgenommene Überweisung.

In der Einkommensteuererklärung für 1976 machten die Kläger den Disagiobetrag als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte einen Abzug ab mit der Begründung, es handele sich nicht um eigenen Finanzierungsaufwand der Kläger, sondern um "weitergegebene" Fremdkapitalkosten der Veräußerin, mithin um Anschaffungskosten der Kläger. Dementsprechend erging ein Einkommensteuerbescheid für 1976.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 325 (EFG 1980, 325) veröffentlichten Entscheidung der Klage zum Teil statt und führte dazu aus:

Bei Anwendung der in den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. April 1977 VIII R 44/74, VIII R 119/75 und VIII R 237/73 (BFHE 122, 108, 111 und 116, BStBl II 1977, 600, 601 und 598) sowie vom 2. August 1977 VIII R 104/74 (BFHE 124, 27, BStBl II 1978, 143) ausgesprochenen Grundsätze auf den Streitfall sei der Teil des Disagiobetrags, der auf die Zeit ab Beginn der Kapitalnutzung durch die Kläger entfalle, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar. Insoweit handele es sich um Finanzierungskosten der Kläger. Nicht abziehbar sei lediglich der Teil, der wirtschaftlich auf die Zeit bis zum Beginn der Kapitalnutzung durch die Kläger - hier Juni 1975 bis Ende Oktober 1976 - entfalle.

Der abziehbare Teil des Disagiobetrags stehe in einem sachlichen Zusammenhang mit der Beschaffung der für eine fällige Zahlung erforderlichen Mittel. Nach dem Kaufvertrag sei die Kaufpreisforderung am 1. November 1976 fällig geworden. Soweit die Kläger den von diesem Zeitpunkt an geschuldeten Kaufpreis durch Übernahme der Darlehensschulden der Veräußerin tilgten, hätten sie damit eine eigene Darlehensverbindlichkeit gegenüber dem Kreditinstitut begründet. Die durch die Inanspruchnahme und Nutzung des Fremdkapitals entstandenen Kosten seien damit Aufwand zur Finanzierung der Anschaffungskosten. Daß der Auszahlungsverlust zunächst der Veräußerin entstanden sei, sei unerheblich, wenn der Erwerber die Fremdmittel in Anrechnung auf den Kaufpreis übernehme und danach aufgrund eigener Verpflichtung Zinsen an den Darlehensgläubiger zahle. Gehe die Kapitalnutzung auf den Erwerber über und werde dieser Schuldner der Verbindlichkeit, so sei das für die Zeit der Nutzung gezahlte Entgelt Finanzierungsaufwand. Dazu gehöre auch ein dem Veräußerer ersetzter Auszahlungsverlust. Der der Veräußerin erstattete Disagiobetrag sei der Preis dafür, daß die Kläger die von jener beschafften Finanzierungsmittel hätten übernehmen und langfristig nutzen können.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und macht dazu geltend:

Ein Disagiobetrag sei nur dann als Werbungskosten sofort abziehbar, wenn er dem Erwerber selbst als Darlehensnehmer bei der Kreditaufnahme erwachsen sei, wie sich aus dem BFH-Urteil vom 11. Dezember 1973 VIII R 11/71 (BFHE 112, 244, BStBl II 1974, 476) ergebe. Dies sei hier nicht der Fall, weil das Disagio bei der Kreditaufnahme durch die Veräußerin angefallen sei. Diese habe bei dem Kreditinstitut eine Globalhypothek aufgenommen, bei deren Auszahlung das Disagio einbehalten worden sei. Durch die Erstattung des Betrags habe die Veräußerin sich eigenen Finanzierungsaufwand ersetzen lassen.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Aufwendungen der Kläger für den von der Veräußerin in Rechnung gestellten Disagiobetrag sind keine eigenen Finanzierungskosten der Kläger und deshalb keine sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 9 Abs. 1, § 21 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

1. Rechtlich zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die dem Erwerber eines Gebäudes vom Hersteller in Rechnung gestellten Finanzierungskosten nur dann beim Erwerber sofort abziehbare Werbungskosten sein können, wenn sie nicht Anschaffungskosten, sondern eigene Finanzierungskosten des Erwerbers sind. Das FG ist jedoch bei der Annahme eigener Finanzierungskosten der Kläger einem Rechtsirrtum unterlegen, weil es als Finanzierungskosten nicht den von der Veräußerin verausgabten und den Klägern in Rechnung gestellten Disagiobetrag, sondern den von den Klägern gezahlten Erstattungsbetrag angesehen hat. Für das Vorliegen eigener oder fremder Finanzierungskosten ist auf den Disagiobetrag abzustellen.

a) Mit der Frage, ob die dem Erwerber eines Gebäudes vom Hersteller in Rechnung gestellten Finanzierungskosten eigene Finanzierungskosten des Erwerbers sind oder zu seinen Anschaffungskosten gehören, hat der Senat sich in seinen Urteilen in BFHE 122, 108, BStBl II 1977, 600; BFHE 122, 111, BStBl II 1977, 601, und BFHE 122, 116, BStBl II 1977, 598 befaßt und für vom Hersteller in Rechnung gestellte sog. Bauzeitzinsen entschieden, daß diese eigene Finanzierungskosten des Erwerbers sind, wenn dieser unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Schuldner dieser Zinsen war. Wirtschaftlicher Schuldner der Finanzierungskosten ist der Erwerber, wenn die Kosten in einem sachlichen Zusammenhang mit der Beschaffung der für eine fällige Zahlung erforderlichen Mittel stehen. Unerheblich ist dafür, wer als Kreditgeber beteiligt ist, wie die Beteiligten die Zahlungsverpflichtung bezeichnet haben, ob ein Vertrag oder mehrere Verträge abgeschlossen oder die zu zahlenden Beträge in einer oder mehreren Endabrechnungen ausgewiesen wurden. Voraussetzung für eine wirtschaftliche Schuldnerschaft ist jedoch stets, daß bei Anfall der Finanzierungskosten bereits eine bürgerlich-rechtliche Verpflichtung des Erwerbers zur Zahlung der Hauptschuld - bei Finanzierung des Kaufpreises also Fälligkeit dieses Entgelts - besteht. Vor Fälligkeit der Hauptforderung besteht für den Erwerber weder eine bürgerlich-rechtliche noch eine wirtschaftliche Veranlassung zur Finanzierung. Steuerlich unbeachtlich ist auch eine spätere rückwirkende Vereinbarung über die Übernahme solcher Kosten

b) Diese Grundsätze zur Abgrenzung von Anschaffungskosten und eigenen Finanzierungskosten bei vom Erwerber erstatteten Bauzeitzinsen gelten uneingeschränkt, wenn ein vom Veräußerer eines Gebäudes bei seiner Darlehensaufnahme verausgabter Disagiobetrag dem Erwerber in Rechnung gestellt und von diesem erstattet wird. Voraussetzung für eine Zugehörigkeit des Disagiobetrags zu den eigenen Finanzierungskosten des Erwerbers ist, daß bei Verausgabung des Disagio die Fälligkeit einer zu finanzierenden Hauptschuld des Erwerbers gegeben ist. Ein vor Fälligkeit der Hauptschuld vom Veräußerer geleisteter Disagiobetrag gehört bei Erstattung durch den Erwerber des Gebäudes zu dessen Anschaffungskosten.

Die Gleichbehandlung von Bauzeitzinsen und Disagio bei der Abgrenzung von Anschaffungskosten und eigenen Finanzierungskosten des Erwerbers ist gerechtfertigt, weil es sich bei beiden Ausgaben um Entgelt für eine Kapitalnutzung handelt (zum Charakter des Disagio oder Damnum als Vergütung für den Gebrauch eines Kapitals vgl. BFH-Beschluß vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144).

Entgegen der Meinung des FG läßt sich bei der Abgrenzung von Anschaffungskosten und eigenen Finanzierungskosten des Erwerbers das vom Veräußerer vor Fälligkeit der Hauptschuld geleistete Disagio auch dann nicht anders als Bauzeitzinsen behandeln, wenn das Darlehen, bei dem das Disagio eingehalten wurde, vom Erwerber in Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen wird. Zwar wird dann das aufgenommene Darlehenskapital zeitlich nacheinander vom Veräußerer und vom Erwerber genutzt. Eine entsprechende zeitanteilige Aufteilung des vom Veräußerer geleisteten Disagio auf die Nutzungszeiten von Veräußerer und Erwerber ist aber nicht möglich, weil das Disagio anders als Zinsen nicht laufzeitbezogen ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24. Oktober 1978 VIII R 201/73, BFHE 126, 277, BStBl II 1979, 178 - in den Gründen -); das in § 103 BGB enthaltene Verteilungsgebot bei Lastentragung durch zwei nacheinander Beteiligte gilt nicht für das einmalig anfallende Disagio. Eine zeitanteilige Aufteilung kommt nur in Betracht, wenn ein dem Veräußerer zur Finanzierung des Damnum (Disagio) gewährtes Zusatzdarlehen zu tilgen ist und der Erwerber sich durch Schuldübernahme zur Tilgung des auf die Zeit ab Fälligkeit der Kaufpreisforderung entfallenden Zusatzdarlehens verpflichtet (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. Januar 1975 VIII R 101/70, BFHE 115, 209, BStBl II 1975, 503).

Dieser Beurteilung steht des Urteil des Senats in BFHE 124, 27, BStBl II 1978, 143 nicht entgegen. In jenem Fall ging es um das Entgelt des Erwerbers für die Überlassung zinsgünstiger Darlehen und die Bezahlung eines Disagio durch den Veräußerer, wobei die Vereinbarung neben dem Kaufvertrag getroffen wurde und der Kaufpreis des Gebäudes unabhängig von den Konditionen der Schuldübernahme war. Ein solcher Fall mit einer gesonderten Vergütung für die Übertragung zinsgünstiger Darlehen unterscheidet sich in tatsächlicher Hinsicht wesentlich von dem hier zu beurteilenden Fall, in welchem der Erwerber neben dem "Kaufpreis" Geldbeschaffungskosten zu erstatten hat und zur Vertragserfüllung die Leistung des Gesamtentgelts gehört.

c) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist der erstattete Disagiobetrag nicht zu den eigenen Finanzierungskosten der Kläger zu rechnen, weil er von der Veräußerin vor Fälligkeit des Kaufpreises gezahlt wurde. Das Disagio wurde im Juni 1975 erbracht, der Kaufpreis war zum 1. November 1976 fällig.

2. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsüberlegungen ausging und darauf beruht, war aufzuheben. Der Senat kann selbst entscheiden und weist die Klage ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413569

BStBl II 1981, 466

BFHE 1981, 37

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