Leitsatz (amtlich)

Bei der im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung zu prüfenden Frage, ob ein auswärts beschäftigter Arbeitnehmer sich maßgeblich am Familienhaushalt beteiligt hat, ist nicht von Bedeutung, ob und inwieweit solche Leistungen durch den Bezug von Kindergeld ausgeglichen wurden und welche Beträge das FA als Kinderbetreuungskosten nach § 33a Abs.3 Nr.1 EStG berücksichtigt hat.

 

Normenkette

EStG 1980 § 9 Abs. 1 Nr. 5, § 33a Abs. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 14.09.1982; Aktenzeichen IV 406/81)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist türkischer Staatsangehöriger und in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) als Arbeitnehmer tätig. Er ist verheiratet und hat sieben Kinder. Seine Frau lebte mit den Kindern bis Ende September 1980 in der Türkei. Dann sind die Ehefrau und die drei jüngsten Kinder zum Kläger nach H gezogen, während die vier älteren Kinder in der Türkei zurückblieben.

Der Kläger machte in seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1980 Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung für die Zeit vom 1.Januar bis 25.September 1980 als Werbungskosten geltend. Zum Nachweis seiner finanziellen Beteiligung am Haushalt seiner Familie in der Türkei legte er drei Überweisungsbelege über insgesamt 2 450 DM vor. Außerdem reichte er eine Bescheinigung einer türkischen Bank ein, wonach diese ihm zustehende Wechsel über insgesamt 650 000 Türkische Lire eingezogen und dem Konto seiner Ehefrau gutgeschrieben hatte, die davon am 15.August 1980 150 000 Türkische Lire abgehoben hat. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung von Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten ab, weil der Kläger eine hinreichende finanzielle Beteiligung am Haushalt seiner Familie in der Türkei nicht nachgewiesen habe. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Der Kläger brachte mit seiner Klage vor, mit der Abhebung von 150 000 Türkischen Lire = 3 300 DM durch seine Frau habe er sich finanziell am Familienhaushalt beteiligt. Außerdem habe er für eine Urlaubsfahrt in die Türkei insgesamt 6 000 DM von seinem Girokonto in Deutschland abgehoben und in die Türkei mitgenommen. Die Beträge seien zur Finanzierung des Urlaubs und der Heimreise mit seiner Familie nach Deutschland bestimmt gewesen. Außerdem habe er hiervon Schulden bezahlt, die in der Zwischenzeit für Reparaturaufwendungen an seinem Haus in der Türkei und für Lebensmitteleinkäufe angefallen seien.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 171 veröffentlichen Urteil u.a. aus:

Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung seien nur anzuerkennen, wenn der Kläger sich an dem Familienhausstand finanziell maßgeblich beteiligt habe. Hierbei seien solche Beträge nicht zu berücksichtigen, die in gleicher Weise auch bei Unterhaltung nur eines Hausstandes anfielen. Denn nach dem Sinn des § 9 Abs.1 Nr.5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) könnten nur Mehraufwendungen aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung Werbungskosten sein. Die doppelte Haushaltsführung könne nur dann den Abzug von Werbungskosten rechtfertigen, wenn sie die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers mehr belaste. Dementsprechend könne das Kindergeld, das der Arbeitnehmer an seine Familie weiterleite, nicht als finanzielle Beteiligung im vorgenannten Sinne gewertet werden. Der Arbeitnehmer sei zwar rechtlich gesehen Empfänger des Kindergeldes. Wirtschaftlich betrachtet stehe das Kindergeld aber den Kindern bzw. dem tatsächlich Unterhalt gewährenden Elternteil zu, somit beim auswärts arbeitenden und wohnenden Vater regelmäßig der Mutter.

Von entsprechenden Grundsätzen sei auch bei anderen Ausgaben auszugehen, für die wegen ihrer Zweckbestimmung bereits eine Steuervergünstigung (insbesondere in Form von Sonderausgaben, Abzug von Unterhaltsaufwendungen und Kinderbetreuungskosten) gewährt werde. Es würde eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit steuerlich doppelt berücksichtigt, wenn man denselben Betrag auch als finanzielle Belastung des Steuerpflichtigen durch Führung eines doppelten Haushalts ansetze. Im Streitfall sei davon auszugehen, daß der Kläger für seine in der Türkei lebenden Kinder insgesamt 3 285 DM Kindergeld erhalten habe. Bis zur Abhebung der 150 000 Türkischen Lire durch seine Ehefrau am 15.August 1980 habe der Kläger mithin an seine Familie weniger überwiesen, als er für seine Kinder an Kindergeld erhalten habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob der vorgenannte Betrag als "finanzielle Beteiligung" des Klägers am Haushalt in der Türkei anzusehen sei. Selbst wenn man dies annähme, verblieben nach Abzug des für die Zeit von Januar bis September 1980 gezahlten Kindergeldes von 3 285 DM und der anteiligen Kinderbetreuungskosten nach § 33a EStG von 2 550 DM weniger als 400 DM aus dem versteuerten Einkommen des Klägers für die Haushaltsführung in der Türkei. Das könne nicht als maßgebender Beitrag zu dieser Haushaltsführung gewertet werden.

Die vom Kläger im Juli 1980 von seinem Girokonto abgehobenen Beträge von insgesamt 6 000 DM müßten außer Betracht bleiben. Denn der Kläger habe nicht nachgewiesen, daß er sie in die Türkei mitgenommen habe. Im übrigen sei das Geld zum ganz überwiegenden Teil für Reisekosten und für Reparaturaufwendungen am Haus des Klägers in der Türkei bestimmt gewesen. Für den Unterhalt der Familie könne danach kein "maßgebender" Betrag übriggeblieben sein.

Der Kläger legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Er rügt sinngemäß die unzutreffende Anwendung des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG.

Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Lohnsteuer unter Berücksichtigung der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 7 256 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Nach § 9 Abs.1 Nr.5 EStG sind Werbungskosten notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Orts, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Ein eigener Haushalt im Sinne dieser Vorschrift wird vom Arbeitnehmer unterhalten, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht und in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem sich der Arbeitnehmer sowohl persönlich als auch finanziell maßgeblich beteiligt (vgl. insbesondere Urteile des Senats vom 9.November 1971 VI R 285/70, BFHE 103, 498, BStBl II 1972, 148; vom 2.September 1977 VI R 114/76, BFHE 123, 444, BStBl II 1978, 26, und vom 16.Dezember 1983 VI R 3/81, BFHE 140, 241, BStBl II 1984, 521). Wie der Senat insbesondere in den beiden letztgenannten Entscheidungen hervorgehoben hat, müssen Inländer wie Ausländer auf Verlangen nachweisen, mit welchen Beträgen sie sich an dem hauswirtschaftlichen Leben in der Familienwohnung finanziell beteiligt haben.

Bei in der Bundesrepublik tätigen ausländischen Arbeitnehmern ist es allerdings oft schwierig festzustellen, welcher Betrag erforderlich ist, um von einer maßgeblichen finanziellen Mitwirkung sprechen zu können, da die Lebensumstände im Ausland mitunter erheblich anders sind als in der Bundesrepublik. Im Rahmen der doppelten Haushaltsführung hat der Senat daher in der Regel auf den Nachweis verzichtet, welche Beträge im Einzelfall zur Haushaltsführung notwendig sind. Eine maßgebliche finanzielle Beteiligung am Familienhaushalt im Ausland ist mithin im allgemeinen nur zu verneinen, wenn die Beträge für die Unterhaltung des Haushalts erkennbar unbedeutend sind.

Wenn das FG eine maßgebliche finanzielle Beteiligung am Familienhaushalt in der Türkei trotz der festgestellten Leistungen des Klägers deshalb verneint hat, weil dieser im Hinblick auf das erhaltene Kindergeld und die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten in seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt sei, so kann dem der Senat nicht beitreten.

Auf den Gesichtspunkt der steuerlichen Leistungsfähigkeit kommt es hier deshalb nicht an, weil die finanzielle Beteiligung am Familienhaushalt nicht Gegenstand einer Steuerminderung ist, sondern --wie ausgeführt-- nur ein Indiz dafür darstellt, ob die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben sind. Ist letzteres der Fall, wird nicht der Betrag der finanziellen Beteiligung am Familienhaushalt, sondern werden die durch die doppelte Haushaltsführung veranlaßten notwendigen Mehraufwendungen, wie insbesondere Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwand und Mietaufwendungen wegen einer Wohnung am Arbeitsort als Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Nr.5 EStG berücksichtigt.

Auf diesen Unterschied zwischen einem Indiz für das Vorliegen einer Steuervergünstigung und den Mehraufwendungen, für die die Steuervergünstigung des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG begehrt wird, hatte der Senat bereits im Urteil in BFHE 140, 241, BStBl II 1984, 521 hingewiesen. Er hatte dort hervorgehoben, es seien an den Nachweis derartiger Beträge nicht so strenge Anforderungen zu stellen wie z.B. bei der Geltendmachung von Unterhaltsaufwendungen an Angehörige im Ausland. Bei letzteren seien die Aufwendungen im einzelnen nachzuweisen, weil sie selbst als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden sollen. Im Rahmen der doppelten Haushaltsführung könnten die Beiträge zum Familienhaushalt das Einkommen hingegen nicht mindern; sie seien vielmehr nur ein Anzeichen dafür, daß der Steuerpflichtige während der Zeit der doppelten Haushaltsführung den Haushalt seiner Familie am bisherigen Wohnort weiterhin unterhält bzw. mitunterhält.

Eine andere rechtliche Beurteilung könnte nur Platz greifen, wenn der Gesetzgeber die Anwendung des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG vom Nichtbestehen von Ansprüchen auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder auf andere Leistungen für Kinder (§ 8 Abs.1 BKGG), wie etwa in § 33a Abs.1 Satz 1 EStG, abhängig gemacht hätte, oder wenn er die gleichzeitige Gewährung von Steuervergünstigungen nach § 9 Abs.1 Nr.5 EStG und nach § 33a Abs.3 Nr.1 EStG ausgeschlossen hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, da es von anderen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen ist. Entsprechend den Ausführungen im Urteil in BFHE 140, 241, BStBl II 1984, 521 sind die vom Kläger an seine Familie nachweisbar erbrachten Leistungen von zusammen 5 750 DM für die Zeit von Januar bis September 1980 nicht als erkennbar unzureichend anzusehen. Es kann daher dahingestellt bleiben, welchen Teilbetrag der Kläger bei seiner Familienheimfahrt im Juli 1980 für den Haushalt seiner Familie in der Türkei aufgewandt hat. Das FG wird mithin noch zu prüfen haben, ob der Kläger die von ihm geltend gemachten Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung hinreichend nachgewiesen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61135

BStBl II 1986, 306

BFHE 145, 560

BFHE 1986, 560

BB 1986, 716-716 (ST)

DB 1986, 1000-1001 (ST)

HFR 1986, 235-235 (ST)

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