Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderausgabenabzug von Schulgeldzahlungen erst mit Beginn der öffentlich-rechtlichen Schulpflicht

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Schulbesuch, für den Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG zu berücksichtigen sind, kommt regelmäßig erst mit dem Beginn der öffentlich-rechtlichen Schulpflicht und der Möglichkeit des Zugangs zu öffentlichen Schulen einschließlich öffentlicher Vorschulen in Betracht.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 9

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Urteil vom 13.11.2003; Aktenzeichen V 213/00)

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben.

Die am 8. Dezember 1994 geborene Tochter der zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) besuchte im Streitjahr 1997 seit dem 17. September die … Schule e.V. in Hamburg. Vor Beginn der Schulpflicht können die Kinder diese Schule bereits ab dem Alter von drei Jahren in den Stufen "Primary 1" bis "Primary 3" besuchen. Ab dem Alter von sechs Jahren treten sie in die Klassen "Grade 1" bis "Grade 12" ein. Die … Schule e.V. ist auf Grund des Schreibens der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 30. Juni 1994 als allgemein bildende Ergänzungsschule nach § 16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Privatschulgesetzes der Freien und Hansestadt Hamburg (HmbPrivSG) i.d.F. vom 9. März 1994 anerkannt.

Entsprechend den von der Schule ausgestellten Rechnungen zahlten die Kläger im Streitjahr 7 850 DM. Sie begehrten hierfür in der Einkommensteuererklärung 1997 einen Abzug von 2 355 DM (30 % des gezahlten Schulgeldes) als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) versagte eine Berücksichtigung dieser Zahlungen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit ihrer Klage trugen die Kläger vor, nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG sei allein die Anerkennung als Ergänzungsschule maßgeblich und nicht etwa zusätzlich die Schulpflicht des Kindes. Ergänzungsschulen sollten das bestehende Schulangebot auch im Hinblick auf den früheren Eintrittstermin erweitern und vervollständigen. Es widerspräche § 112 des Hamburger Schulgesetzes (HmbSG) i.V.m. §§ 15, 16 HmbPrivSG, wenn man die Schule nur insoweit als Ergänzungsschule gelten ließe, wie alternativ der Besuch einer öffentlichen Schule möglich wäre. Wegen der Anerkennung stünde ihnen zudem Vertrauensschutz bzgl. der Abzugsfähigkeit zu.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Im Streitfall fehle es bei den von der … Schule e.V. erbrachten Leistungen an der Ausübung hoheitlicher Funktionen, weil zwischen der Tochter der Kläger und der Schule kein öffentlich-rechtliches Schulverhältnis begründet worden sei. Ein solches würde nur bestehen, wenn durch den Schulbesuch eine Schulpflicht nach § 38 HmbSG erfüllt werden könnte. Auch Vertrauensschutz könnten die Kläger nicht beanspruchen.

Mit ihrer Revision machen die Kläger geltend, sämtliche Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG seien erfüllt. Entgegen der Auffassung des FG komme es nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Juni 1997 X R 144/95 (BFHE 183, 445, BStBl II 1997, 621) gerade nicht darauf an, ob das Kind mit dem Besuch seine Schulpflicht erfülle; andernfalls wäre bei einem Besuch der 12. oder 13. Klasse der Abzug von Schulgeld als Sonderausgaben nicht möglich.

Unmaßgeblich sei auch, ob ein öffentlich-rechtliches Schulverhältnis begründet werde; entscheidend sei vielmehr, dass die Schule anerkannt worden sei. Eine Begrenzung der allgemein erteilten Anerkennung auf nur einige Teilbereiche für Zwecke des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG sei unzulässig; der Behörde habe es frei gestanden, die Anerkennung solange zu versagen, bis sich die Schule an die Anforderungen angepasst hätte. Die Klassenstufen "Primary 1" bis "Primary 3" seien weder einem Kindergarten vergleichbar noch dienten sie einer bloßen schulähnlichen Betreuung; sie verfolgten vielmehr einen ganzheitlichen pädagogischen Ansatz und bereiteten auf die nachfolgenden Stufen vor. Die Kosten des normalen Schulbetriebs einer Ergänzungsschule richteten sich nach dem jeweiligen Bildungsauftrag, der hier gerade auch den vergleichsweise früheren Eintrittstermin umfasse. Am ehesten vergleichbar seien die sog. Vorschulen, die in Hamburg eine besondere Schulform darstellten und selbst einem vierjährigen und noch im selben Kalenderjahr fünf Jahre alt werdenden Kind offen stünden. Die Möglichkeit eines Sonderausgabenabzugs beim Besuch gesetzlich näher bezeichneter privater Schulen bedeute generell keine unzulässige Ungleichbehandlung; das müsse auch gegenüber Kindergärten gelten.

Schließlich spreche für ihre Auffassung der Zweck des Sonderausgabenabzugs, mit dem die jeweiligen Privatschulen gefördert werden sollten. Denn die Schulgeldzahlungen kämen der Schule in gleichem Maße zu Gute wie Zahlungen für den Besuch älterer Kinder.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 29. Juni 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2000 dahin gehend zu ändern, dass Schulgeldzahlungen in Höhe von 2 355 DM als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die staatliche Anerkennung setze voraus, dass der Ergänzungsschule eine staatliche allgemein bildende Schule gegenüberstehe. Dies sei in Hamburg frühestens mit der Vorschule anzunehmen, in die nur Kinder aufgenommen würden, die im Aufnahmejahr das fünfte Lebensjahr vollendeten.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat den Abzug von Schulgeldzahlungen für den Besuch der … Schule e.V. im Ergebnis zu Recht versagt.

1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG können 30 v.H. des Entgelts, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält, für den Besuch einer gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemein bildenden Ergänzungsschule entrichtet, als Sonderausgaben abgezogen werden. Ausgenommen ist das Entgelt für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung.

a) Der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG bezweckt die Förderung von Privatschulen unter gleichzeitiger Beschränkung des Abzugs auf den Besuch solcher Schulen, die in gewisser Weise in das öffentliche Schulwesen einbezogen sind, bestimmte staatliche Anforderungen erfüllen und deshalb typischerweise besonders förderungsbedürftig sowie förderungswürdig sind (BFH-Urteile vom 11. Juni 1997 X R 77/94, BFHE 183, 432, BStBl II 1997, 615; X R 74/95, BFHE 183, 436, BStBl II 1997, 617, und in BFHE 183, 445, BStBl II 1997, 621). Voraussetzung für den Schulgeldabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG ist deshalb, dass die Schule gemäß Art. 7 Abs. 4 GG als Ersatzschule staatlich genehmigt oder als Ersatzschule eigener Art nach Landesrecht erlaubt oder als allgemein bildende Ergänzungsschule anerkannt worden ist.

b) Schulgeld im Sinne der Vorschrift ist der von den Eltern eingeforderte Beitrag zu den Kosten des normalen Schulbetriebs einer Privatschule (vgl. BFH-Urteil vom 12. August 1999 XI R 65/98, BFHE 190, 144, BStBl II 2000, 65; Schreiben der Oberfinanzdirektion Koblenz vom 10. Dezember 2003 S 2221 A - St 32 3), soweit sie auch in einer staatlichen Schule Kosten des jeweiligen Schulbetriebs darstellen, die von der öffentlichen Hand getragen werden. Nicht abziehbar sind danach beispielsweise die Aufwendungen für Schulbücher, kostenpflichtige Kurse und Klavierunterricht (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 XI R 32/03, BFH/NV 2005, 946). Da derartige Kosten ―von Bundesland zu Bundesland in unterschiedlichem Maße― auch an staatlichen Schulen anfallen können und nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht abziehbar sind, verstieße es gegen das Gebot der Gleichbehandlung, wenn sie allein bei Privatschulen abziehbar wären.

2. Entsprechendes gilt für die Kosten des Besuchs der "Primary 1" der … Schule e.V. durch die Tochter der Kläger. Ein vergleichbarer Unterricht wird nach den Feststellungen des FG in einer staatlichen Schule in Hamburg nicht angeboten. Vielmehr werden von der öffentlichen Hand für Kinder in einem vergleichbaren Alter Kindergartenplätze zur Verfügung gestellt; für diese sind seitens der jeweiligen Eltern ―mitunter erhebliche― Beiträge zu entrichten, die nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG als Sonderausgaben abgezogen werden können. Es würde zu einer Benachteiligung sowohl der Kindergärten als auch der ihre Kinder in Kindergärten schickenden Eltern führen, wenn das Entgelt für den Besuch der "Primary 1" als Schulgeld angesehen und zum Abzug zugelassen würde. Abzugrenzen ist daher aus Gründen der Belastungsgleichheit das Schulgeld von Aufwendungen, die denen für einen Kindergarten entsprechen. Dafür spricht auch, dass nach der Vorschrift ausdrücklich das Entgelt für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung vom Sonderausgabenabzug ausgenommen ist und insbesondere bei Kleinkindern ―im Streitfall war das Kind bei Beginn des Schulbesuchs sogar noch unter drei Jahren― naturgemäß die Betreuung im Vordergrund steht. Ein Schulbesuch, für den Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG zu berücksichtigen sind, kommt regelmäßig erst mit dem Beginn der öffentlich-rechtlichen Schulpflicht und der Möglichkeit des Zugangs zu öffentlichen Schulen einschließlich öffentlicher Vorschulen in Betracht. Die Zahlungen der Kläger erweisen sich in diesem Zusammenhang gerade nicht als Schulgeld i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Den Klägern kann auch nicht darin gefolgt werden, dass sich aus der Anerkennung der … Schule e.V. als allgemein bildende Ergänzungsschule ergebe, dass sämtliche von der Schule geforderten Entgelte als Schulgeld i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG anzusehen seien (vgl. Senatsurteile in BFHE 190, 144, BStBl II 2000, 65, sowie in BFH/NV 2005, 946).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1475589

BFH/NV 2006, 671

BStBl II 2006, 377

BFHE 2007, 69

BFHE 212, 69

BB 2006, 368

DB 2006, 367

DStRE 2006, 270

DStZ 2006, 137

HFR 2006, 573

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