Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ist der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten für jeden zur Einkunftserzielung verwendeten Gegenstand jedenfalls dann getrennt zu ermitteln, wenn Einkünfte verschiedener Unterarten anfallen und diese auf unterschiedliche Weise zu ermitteln sind.

2. Schuldzinsen für ein Darlehen, das durch eine Hypothek auf einem Mietwohngrundstück gesichert, jedoch zum Bau eines Einfamilienhauses verwendet wurde, sind bei der Überschußermittlung des Einfamilienhauses zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; EinfHaus-VO § 2 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erbte 1969 ein Mietwohngrundstück und baute 1971 ein Einfamilienhaus, das sie selbst bewohnt. 1972 zahlte sie 10 609 DM Schuldzinsen für ein Darlehen, das durch eine Hypothek auf dem Mietwohngrundstück abgesichert, jedoch für den Neubau des Einfamilienhauses aufgenommen und verwandt wurde.

In der Einkommensteuererklärung für 1972 setzte die Klägerin die vorerwähnten Schuldzinsen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei der Überschußermittlung des Mietwohngrundstücks ab. Demgegenüber kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, die Schuldzinsen seien nicht bei dem Mietwohngrundstück, sondern bei der Überschußermittlung des Einfamilienhauses nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (EinfHaus-VO) zu berücksichtigen und wirkten sich dort nur in Höhe des Grundbetrags aus. Dementsprechend erging ein Einkommensteuerbescheid, in dem ein geringerer Verlust. aus Vermietung und Verpachtung als von der Klägerin erklärt angesetzt wurde.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Die Schuldzinsen seien nicht in der von der Klägerin begehrten Weise zu berücksichtigen, weil es an einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen aus dem Mietwohngrundstück fehle. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. November 1954 IV 523/53 U (BFHE 60, 107, BStBl III 1955, 42) sei für die Abziehbarkeit von Schuldzinsen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein besonderer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Schuldaufnahme und belastetem Gegenstand erforderlich. Er sei nur gegeben, wenn die durch eine Hypothek gesicherte Schuld für die Zwecke gerade des belasteten Grundstücks aufgenommen werde. Das sei hier nicht der Fall, weil die Klägerin das auf dem Mietwohngrundstück abgesicherte Darlehen zum Bau des Einfamilienhauses verwandt habe.

Mit der Revision wird unrichtige Anwendung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG gerügt und geltend gemacht: Der Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs im Hinblick auf Zinsaufwand bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sei vom FG zu eng ausgelegt worden. Im Streitfalle habe das Hypothekendarlehen zur Erhaltung der Einnahmen aus dem Mietwohngrundstück gedient, weil die Klägerin sonst zur Beschaffung von Eigenkapital für den Bau des Einfamilienhauses das Mietwohngrundstück hätte veräußern müssen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung könne es keinen Unterschied machen, ob ein Steuerpflichtiger ein Einfamilienhaus aus angesammelten Sparguthaben finanziere oder ob er auf eigene Mittel zurückgreife, die in einem anderen Vermögensobjekt gebunden waren. Daß es sich bei der Darlehnsaufnahme um einen Vorgang im Vermögensbereich handele, sei unerheblich, weil sich die Darlehnsaufnahme unabhängig von der Art der Einkünfteermittlung immer in diesem Bereich abspiele. Entgegen der Meinung des FG liege auch keine Umgehung der von § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO angeordneten Beschränkung des Schuldzinsenabzugs vor.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer für 1972 unter Berücksichtigung der Schuldzinsen von 10 609 DM festzusetzen.

Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Vorentscheidung ist im Ergebnis darin beizutreten, daß die Klägerin die umstrittenen Schuldzinsen nur in Höhe des Grundbetrags für den Nutzungswert der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus abziehen kann. Dies liegt darin begründet, daß getrennte Überschußermittlungen für das Mietwohngrundstück und das selbstgenutzte Einfamilienhaus vorzunehmen und dabei die Schuldzinsen beim Ergebnis des Einfamilienhauses zu berücksichtigen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG, § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO).

1. Die Notwendigkeit getrennter Überschußermittlungen ergibt sich bei der Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG jedenfalls dann, wenn im Rahmen dieser Einkunftsart Einkünfte verschiedener Unterarten anfallen und diese auf unterschiedliche Weise zu ermitteln sind. Es ist dann jeder vermietete - oder in der Nutzungsart gleichgestellte - Vermögensgegenstand als besonderer zur Einkunftserzielung verwendeter Gegenstand zu behandeln und für jeden dieser Gegenstände das Ergebnis getrennt von den anderen zu errechnen. Demzufolge ist auch der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG) für jeden Vermögensgegenstand getrennt zu errechnen, wenn der eine Gegenstand fremdvermietet und der andere eigengenutzt wird und die Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten bei dem einen Gegenstand durch Überschußrechnung (§§ 8, 9 und 9 a EStG) und bei dem anderen Gegenstand nach Durchschnittsätzen (§ 29 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 EStG i. V. m. § 1 EinfHaus-VO) zu erfolgen hat. Die Einnahmen und Werbungskosten sind dabei dem Vermögensgegenstand zuzuordnen, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Hinsichtlich des Schuldzinsenabzugs ist dies in § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO - jetzt § 21 a Abs. 3 Nr. 1 EStG - ausdrücklich angeordnet.

Diesen Grundsätzen entspricht es, wenn das FG und das FA davon ausgegangen sind, daß die Klägerin ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch getrennte Rechnungen für das fremdvermietete Mietwohngrundstück und für die selbstgenutzte Wohnung im eigenen Einfamilienhaus zu ermitteln sowie Einnahmen und Werbungskosten nach dem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den genutzten Gegenständen zu berücksichtigen hat.

2. Der Schuldzinsenabzug bei der Überschußermittlung des Einfamilienhauses ergibt sich aus dem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Aufwand und den Einnahmen aus diesem Vermögensgegenstand. Für den Abzug von Schuldzinsen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG im Rahmen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist, da jeder zur Einkunftserzielung genutzte Gegenstand für sich zu betrachten ist, erforderlich, daß die Schuldzinsen mit Einnahmen aus diesem Vermögensgegenstand in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. dazu BFHE 60, 107, BStBl III 1955, 42, mit weiteren Nachweisen), der sich der Senat in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 14. Dezember 1976 VIII R 182/72 angeschlossen hat, begründet die dingliche Belastung eines Grundstücks mit einer Hypothek für sich allein noch keinen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen aus diesem Grundstück, sondern lediglich einen rechtlichen Zusammenhang. Der für den Schuldzinsenabzug notwendige wirtschaftliche Zusammenhang ist nur dann gegeben, wenn die Darlehnsschuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückzuführen ist, die den belasteten Gegenstand betreffen; das Darlehen muß also unmittelbar für Zwecke des belasteten Grundstücks aufgenommen worden sein.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist der wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit den Einnahmen aus dem Mietwohngrundstück zu verneinen, weil die Darlehnsaufnahme zur Errichtung des Einfamilienhauses erfolgte. Selbst wenn die Klägerin ihr Mietwohngrundstück ohne Belastung mit der Hypothek hätte verkaufen müssen, um sich Mittel für die Errichtung des Einfamilienhauses zu beschaffen, wäre die Entstehung der Darlehnsschuld ursächlich und unmittelbar auf die Errichtung dieses Einfamilienhauses und nicht auf die Erhaltung des Eigentums und der Nutzungsmöglichkeit des belasteten Mietwohngrundstücks zurückzuführen. Soweit die Klägerin meint, es sei ausreichend, wenn das Darlehen zur Erhaltung der Einnahmen aus dem Mietwohngrundstück aufgenommen sei, übersieht sie, daß die unterschiedlich genutzten Grundstücke nicht einheitlich betrachtet und dabei die Finanzierungsgrundlagen nicht ausgetauscht werden können. Ob bei einer anderen Gestaltung des Sachverhalts günstigere steuerrechtliche Folgen eintreten würden, ist unerheblich, weil die steuerrechtliche Beurteilung an den tatsächlich gestalteten Sachverhalt anzuknüpfen hat.

Da im Streitfall die Zinsen Werbungskosten bei dem eigengenutzten Einfamilienhaus sind, sind sie nach § 2 Abs. 2 EinfHaus-VO nur bis zur Höhe des Grundbetrags abziehbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73486

BStBl II 1980, 348

BFHE 1980, 147

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