Leitsatz (amtlich)

Ob und in welcher Höhe in den gewerblichen Einkünften einer Personenhandelsgesellschaft Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung enthalten sind und wie sich diese Verluste auf die Gesellschafter verteilen, ist im Verfahren der gesonderten Feststellung zu entscheiden. Die Entscheidung über die daran geknüpften Rechtsfolgen --Versagung des Verlustausgleichs oder des Verlustabzugs-- ist bei den Einkommensteuerveranlagungen der Gesellschafter zu treffen.

 

Normenkette

EStG 1974 § 2a; AO 1977 § 180

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) für das Jahr 1974 das Einkommen um Verluste aus gewerblicher Tierhaltung (§ 2a des Einkommensteuergesetzes --EStG-- 1974, jetzt § 15 Abs.3 EStG 1985) zu erhöhen ist.

Der Kläger --ein selbständiger Tierarzt-- war im Jahr 1974 an einer KG beteiligt, deren Gegenstand die Herstellung veterinär- pharmazeutischer Produkte sowie von Futtermitteln war. Der Kläger war der alleinige Kommanditist und der alleinige Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Bei einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß zur gewerblichen Tätigkeit der KG auch eine Schweinehaltung gehörte. Der durchschnittliche Schweinebestand wuchs nach den Ermittlungen des Prüfers von etwa 290 Stück im Jahre 1972 auf etwa 500 Stück im Jahre 1974 (Verweildauer je Schwein etwa sechs Monate).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah in Übereinstimmung mit dem Betriebsprüfer in der Schweinehaltung eine im Interesse des Betriebs der KG ausgeübte gewerbliche Tierhaltung. Eine Gewinnermittlung für diesen Bereich ergab für das Wirtschaftsjahr 1974 einen Verlust von ... DM. Das beklagte FA, das zugleich auch das Betriebstätten-FA für die KG ist, erließ aufgrund der Betriebsprüfung einen geänderten gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid für 1974, in welchem der Gewinnanteil des Klägers mit ... DM festgestellt worden war. Eine Feststellung darüber, in welcher Höhe Verluste aus gewerblicher Tierhaltung im Sinne des § 2a EStG 1974 angefallen und welchen Gesellschaftern sie zuzurechnen sind, ist in dem gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid nicht enthalten. Eine Entscheidung über Bestehen und Zurechnung eines Verlustes aus gewerblicher Tierhaltung traf das FA erst in dem gegen den Kläger gerichteten geänderten Einkommensteuerbescheid für 1974 vom 3.Februar 1978, wonach es den Verlust der KG aus gewerblicher Tierhaltung in voller Höhe dem festgestellten Anteil des Klägers am Gewinn der KG hinzurechnete, so daß sich seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb um diesen Betrag erhöhten.

Der Einspruch des Klägers, mit dem er sich gegen die Erhöhung seiner Einkünfte aus Gewerbebetrieb wehrte, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Einkommensteuer 1974 entsprechend herab. Das FG hielt die Vorschrift des § 2a EStG 1974 im Streitfall nicht für anwendbar. Das Schwergewicht der gewerblichen Tätigkeit der KG liege nicht bei der Schweinemast, sondern bei der Entwicklung und Produktion von Tierarzneimitteln und Tierfutterbeimengungen. Ein größerer Schweinebestand sei notwendig gewesen, um im Interesse der landwirtschaftlichen Massentierhaltung Mittel zur Bekämpfung oder Verhinderung auftretender Tiererkrankungen zu erforschen.

Gegen die Entscheidung des FG wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt die unrichtige Anwendung und Auslegung des § 2a EStG in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zwar rechtsfehlerhaft in dem Verfahren über die Einkommensteuer des Klägers darüber entschieden, ob bei der KG Verluste aus gewerblicher Tierhaltung im Sinn des § 2a EStG 1974 entstanden sind. Es hat aber im Ergebnis zu Recht den streitigen Betrag von den im geänderten Einkommensteuerbescheid 1974 angesetzten gewerblichen Einkünften des Klägers abgesetzt.

Nach § 2a EStG 1974 dürfen Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; die Verluste mindern jedoch unter den Voraussetzungen des § 10d EStG die Gewinne, die der Steuerpflichtige in späteren Wirtschaftsjahren aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung erzielt. Daraus folgt für das Veranlagungsverfahren, daß das FA über die Art der zu veranlagenden Einkünfte zu entscheiden hat, ob nämlich Verluste oder auch Gewinne aus einer gewerblichen Tierzucht oder Tierhaltung stammen. Sind an den zu beurteilenden Einkünften mehrere beteiligt (§ 215 der Reichsabgabenordnung --AO--, § 180 der Abgabenordnung --AO 1977--), trifft das zuständige Betriebstätten-FA die Feststellung, wie die Einkünfte zu charakterisieren sind und wie diese ggf. sich auf die mehreren Beteiligten verteilen. Die Feststellung, ob für näher umgrenzte Einkünfte das Merkmal eines Gewinnes oder Verlustes aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung zutrifft, muß deshalb für einen Steuerpflichtigen, der Gesellschafter einer Personengesellschaft ist, und die übrigen Gesellschafter übereinstimmend bei der gesonderten Gewinnfeststellung getroffen werden (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 15 EStG Rdnr.457; Domann, Der Betrieb --DB-- 1973, 1093). Außer über die Charakterisierung dieser Einkünfte als solche im Sinn des § 2a EStG 1974, ihre Höhe und ihre Zurechnung auf die einzelnen Gesellschafter, dürfen im Zusammenhang mit der Anwendung der genannten Vorschrift im Verfahren der gesonderten Gewinnfeststellung keine weiteren Entscheidungen getroffen werden. Die vom Gesetz an das Vorliegen von Verlusten aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung geknüpften Rechtsfolgen, nämlich die Versagung eines Verlustausgleichs oder Verlustabzugs nach § 2a Satz 1 EStG 1974, desgleichen der nach Satz 2 dieser Vorschrift zugelassene Verlustabzug bei Gewinnen aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung in späteren Wirtschaftsjahren, sind ausschließlich bei der Einkommensteuerveranlagung des Steuerpflichtigen --von seinem Wohnsitz-FA-- zu treffen (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24.Juli 1975 IV B 38/75, BFHE 116, 273, BStBl II 1975, 774). Mit der Feststellung der besonderen Art der Einkünfte im Verfahren der gesonderten Gewinnfeststellung wird vermieden, daß widersprechende Entscheidungen ergehen, wenn an den Einkünften mehrere beteiligt sind.

Im Streitfall ist dem Veranlagungsverfahren des Klägers eine gesonderte Gewinnfeststellung über die von der KG erzielten Einkünfte vorausgegangen. Wie sich aus den Feststellungen des FG ergibt, enthält die gesonderte Gewinnfeststellung --dementsprechend auch die Mitteilung an die Veranlagungsstelle-- keinen Vermerk oder Zusatz, daß ein Verlust aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung vorliegt und wie dieser Verlust auf die beiden Gesellschafter --auf die Komplementär- GmbH und den Kläger-- zu verteilen ist. Wenn ein Bescheid über eine gesonderte Gewinnfeststellung nichts über Verluste oder Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung aussagt, fehlt der die Einkommensteuerveranlagung vornehmenden Veranlagungsstelle die Grundlagenentscheidung, daß überhaupt derartige Einkünfte vorliegen. Die Veranlagungsstelle (Wohnsitz-FA) darf von sich aus diese Einkünfte nicht in einer bestimmten Weise charakterisieren. Das Betriebstätten-FA --hier die für die gesonderte Gewinnfeststellung der KG zuständige Stelle des FA-- kann zwar eine notwendige Feststellung, die unterblieben ist, nachholen (§ 179 Abs.3 AO 1977). Solange das aber nicht geschehen ist, ist die Veranlagungsstelle daran gebunden, daß eine derartige Feststellung über die Art der Einkünfte nicht stattgefunden hat und damit Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung im Sinn des § 2a EStG 1974 nicht festgestellt worden sind. Das FA hätte daher wegen Fehlens diesbezüglicher Zusätze in der gesonderten Gewinnfeststellung der KG bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers nicht darüber befinden dürfen, in welcher Höhe bei der KG Verluste aus gewerblicher Tierhaltung vorliegen und wie diese auf die beiden Gesellschafter zu verteilen sind. Das FG hätte daher schon aus diesem Grunde der Klage stattgeben müssen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60714

BStBl II 1986, 146

BFHE 144, 553

BFHE 1986, 443

BB 1986, 178-178 (S)

HFR 1986, 112-113 (ST)

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