Leitsatz (amtlich)

Die Zahlung eines Damnums vor Auszahlung des Darlehenskapitals durch den Darlehensgeber ist jedenfalls dann rechtsmißbräuchlich i. S. des § 42 Satz 1 AO 1977, wenn die Auszahlung des Darlehens später als einen Monat nach Abfluß des Damnums beim Steuerpflichtigen erfolgt.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 11 Abs. 2, § 21 Abs. 2, § 21a; AO 1977 § 42

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

I.

Mit Kaufvertrag vom 6. Mai 1977 erwarben die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden, einen Grundstücksanteil mit einer vom Veräußerer noch zu errichtenden Doppelhaushälfte. Das am 27. Juli 1978 bezugsfertige und als Einfamilienhaus bewertete Gebäude wird seit dem 1. August 1978 von den Klägern selbst genutzt. Der Kaufpreis wurde durch einen Kontokorrent-Zwischenkredit in Höhe von 200 000 DM bei der A-Bank zwischenfinanziert. Die Kreditbewilligung galt längstens bis zum 30. Juni 1978. Im Juni 1978 erteilte die B-Bank den Klägern die Zusage für einen Kredit über 120 000 DM zu einem

Zins von 6,25 % jährlich, einem

Nettoauszahlungskurs von 98,00 % und einer

Bereitstellungsprovision bis zur Auszahlung von 0,25 % monatlich ab 1. September 1978.

Die Darlehenszusage mit beigefügtem Darlehensvertrag wurde durch die fristgerechte Erklärung der Kläger verbindlich.

Am 13. Juli 1978 überwies der Kläger von seinem Konto bei der A-Bank, das einen Schuldsaldo von über 150 000 DM auswies, das Damnum in Höhe von 2 400 DM (2 % aus 120 000 DM) an die B-Bank. Die B-Bank zahlte am 2. Oktober 1978 den Klägern das bewilligte Darlehen zu 100 % aus.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ das Damnum bei der Einkommensteuerveranlagung für 1978 nicht zum Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 449 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Es ist der Ansicht, daß das Damnum zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehöre und gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für dasjenige Kalenderjahr abzusetzen sei, in dem es geleistet worden sei. Wann es geleistet sei, richte sich nach den durchgeführten Vereinbarungen der Vertragsparteien. Bei Einkünften aus einem selbstgenutzten Einfamilienhaus sei das Damnum allerdings während der Zeit der Selbstnutzung nicht oder wie Schuldzinsen nur in Höhe des Grundbetrags abzugsfähig. Sei es jedoch vor Beginn der Selbstnutzung geleistet worden, könne es voll abgezogen werden. Wenn im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Januar 1975 VIII R 101/70 (BFHE 115, 209, BStBl II 1975, 503) das Damnum zeitraumbezogen aufgeteilt werde, so gelte dies nur für ein nach Beginn der Selbstnutzung geleistetes Damnum.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es trägt vor:

Nach Tz. 2 Abs. 6 des Bauherrenerlasses vom 13. August 1981 IV B 1 - S 2253 a - 3/81 (BStBl I 1981, 604) läge ein Zahlungsabfluß gemäß § 11 Abs. 2 EStG dann nicht vor, wenn Werbungskosten ohne wirtschaftlich vernünftigen Grund vorausgezahlt würden (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 25. Januar 1963 VI 69/61 U, BFHE 76, 384, BStBl III 1963, 141). Hier handele es sich ebenfalls um eine willkürliche Vorauszahlung ohne wirtschaftlich vernünftigen Grund. Sie sei allein erfolgt, um die Barriere des § 21 a Abs. 3 Nr. 1 EStG zu umgehen. Der vorgebrachte Grund, man habe die B-Bank moralisch binden wollen, sei fadenscheinig.

Die Entscheidung verstoße auch gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Gemäß Urteil in BFHE 115, 209, BStBl II 1975, 503 seien nach Bezugsfertigkeit geleistete Zahlungen insoweit uneingeschränkt zum Abzug zugelassen, als sie auf die Zeit vor Bezugsfertigkeit entfielen. Dem liege die Erwägung zugrunde, daß Darlehen und Damnum untrennbar zusammenhingen, es sei neben den Zinsen Entgelt für die Kapitalnutzung. Werde also das Kapital vor Bezugsfertigkeit und vor Leistung des Damnums zur Verfügung gestellt, so bestehe zwischen später abgeflossenem Damnum und Kapitalüberlassung bereits eine Verknüpfung, die es gebiete, das Damnum als Entgelt auch für die davor liegende Zeit anzusehen. Für den vorliegenden Fall ergäbe sich daraus, daß das Damnum keinesfalls auf den Zeitraum vor der Darlehensauszahlung entfiele; es könne als Gegenleistung für die Kapitalnutzung nicht auf den davor liegenden Zeitraum bezogen werden. Diese Betrachtungsweise verstoße nicht gegen das Abflußprinzip des § 11 Abs. 2 EStG. Die vorzeitige Zahlung ginge zunächst "ins Leere". Auch wenn eine vertragliche Grundlage, nämlich die Kreditzusage, bereits gegeben sei, so könne doch nicht von dem Werbungskostencharakter der Zahlung ausgegangen werden. Denn erst in dem Zeitpunkt, wo die Bank das Darlehen ausbezahlt habe, könne von Werbungskosten gesprochen werden, weil erst dann der Zeitpunkt der Einkunftserzielung erfüllt gewesen sei und weil vor Auszahlung der Darlehensvaluta das Damnum - zeitlich gesehen - noch nicht "zur" Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen gezahlt worden sei. Bei Vorauszahlung ohne vernünftigen wirtschaftlichen Grund hänge das Damnum zunächst "in der Luft", es könne der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 a EStG noch nicht eindeutig zugeordnet werden. Dies sei erst der Fall, wenn die weiteren Voraussetzungen - Bezugsfertigkeit und damit der Beginn der Selbstnutzung und weiter die Auszahlung der Darlehensvaluta - erfüllt seien. Dann erhalte das Damnum ex nunc Werbungskostencharakter, unterliege aber dem Abzugsverbot des § 21 a Abs. 3 EStG.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung verletzt § 42 der Abgabenordnung (AO 1977).

Das FG hat zu Unrecht das Damnum als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zum Abzug zugelassen. Denn die hier gewählte Gestaltung, das Damnum über zwei Monate vor Auszahlung des Darlehenskapitals, die nach Bezugsfertigkeit des Einfamilienhauses erfolgte, zu entrichten, stellt einen Rechtsmißbrauch i. S. des § 42 Satz 1 AO 1977 dar.

1. Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 173/83 (BFHE 140, 246, BStBl II 1984, 428) entschieden, daß ein vor Auszahlung der Darlehensvaluta an den Darlehensgläubiger geleistetes Damnum als Werbungskosten abziehbar ist, wenn dies auf durchgeführten vertraglichen Vereinbarungen beruht und wenn noch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Darlehensauszahlung und Entrichtung des Damnums besteht. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Entscheidung. Bei Anwendung der dort niedergelegten Rechtsgrundsätze ergibt sich für den hier zu entscheidenden Fall:

2. Selbst wenn man mit dem FG davon ausgeht, daß die Kläger gemäß § 271 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befugt waren, vor Fälligkeit zu leisten und die Zahlung damit nicht rechtsgrundlos erfolgte, muß der hier von den Klägern eingeschlagene Weg, einen steuerrechtlichen Erfolg zu erreichen, nach § 42 Satz 1 AO 1977 mißbilligt werden. Zwar liegt, wie das FG zutreffend festgestellt hat, hier keine willkürliche Überzahlung von Werbungskosten vor; denn es wurde genau das bezahlt, was geschuldet war. Die Ausführungen des FG halten jedoch aus einem anderen Grund einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Eine wirksame bürgerlich-rechtliche Gestaltung ist dann rechtsmißbräuchlich, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen, also ungewöhnlich ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (s. BFH-Urteil vom 20. November 1980 IV R 81/77, BFHE 132, 89, 93, BStBl II 1981, 223, 225; s. auch BFH-Urteile vom 5. November 1980 I R 132/77, BFHE 132, 87, BStBl II 1981, 219, und vom 4. August 1977 IV R 57/74, BFHE 123, 50, BStBl II 1977, 843, m. w. N.).

Der hier gewählte Weg, ein Damnum unter Hinnahme von Zinsverlusten erheblich vor der vertraglich bestimmten Fälligkeit zu zahlen, ohne das Darlehenskapital erhalten zu haben, ist ungewöhnlich. Er diente auch der Steuerersparnis, denn bei Zahlung entsprechend der vertraglich vorgesehenen Fälligkeit wäre das Damnum unter das Abzugsverbot des § 21 a Abs. 3 Nr. 1 EStG gefallen. Dieses Ergebnis ließ sich nur durch die vorzeitige, vor Bezugsfertigkeit erfolgte Leistung vermeiden. Die unübliche Gestaltung ist auch nicht durch einsichtige wirtschaftliche oder sonstige außersteuerliche Gründe gerechtfertigt. Die von den Klägern gegebenen Erläuterungen, man habe die B-Bank moralisch binden wollen, können nicht als ein solcher Grund anerkannt werden. Denn die B-Bank war - auch moralisch - bereits durch ihre wirksame Darlehenszusage vom Juni 1978 hinreichend gebunden.

Im Gegensatz zum Urteil des erkennenden Senats vom 13. Dezember 1983 VIII R 173/83 ist im Streitfall ein Rechtsmißbrauch auch nicht deswegen zu verneinen, weil die Zahlung des Damnums aufgrund eines wirksamen Vertragsverhältnisses erfolgte. Zu Recht hebt die Vorentscheidung hierauf ab. Jedoch ist dies nicht ausreichend. Hinzu kommen muß, daß aufgrund der Vertragsvereinbarungen und ihrer tatsächlichen Durchführung ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Leistung des Damnums und Darlehensauszahlung besteht. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist nur gegeben, wenn das Darlehenskapital nicht später als einen Monat nach Zahlung (= Belastung auf dem Konto des Steuerpflichtigen) des Damnums ausgezahlt wird. Daran fehlt es hier, weil das Darlehen erst Anfang Oktober, und damit etwa 2 1/2 Monate nach Entrichtung des Damnums, ausgezahlt wurde.

Ein Mißbrauch hat gemäß § 42 Satz 2 AO 1977 zur Folge, daß der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Angemessen wäre hier der Einbehalt des Damnums bei Darlehensauszahlung oder günstigstenfalls der Abfluß des Damnums einen Monat vor Auszahlung des Darlehens. Beide Zeitpunkte lägen nach der Bezugsfertigkeit des Einfamilienhauses; einem Abzug des Damnums steht somit § 21 a Abs. 3 Nr. 1 EStG entgegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74974

BStBl II 1984, 426

BFHE 1984, 437

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