Entscheidungsstichwort (Thema)

Adressaten einer Prüfungsanordnung bei vermuteter Gemeinschaft

 

Leitsatz (NV)

Eine Gemeinschaft (Gesellschaft) kann nur dann als Steuerrechtssubjekt angesehen werden, wenn die Rechtsakte, Rechtsbeziehungen oder faktischen Beziehungen, die die Steuerrechtssubjektivität begründen sollen, eindeutig feststehen. Wird lediglich vermutet, daß eine Gemeinschaft (Gesellschaft) vorliegen könnte, ist eine Prüfungsanordnung gegen die vermutlichen Gemeinschafter (Gesellschafter) zu richten. Diese sind auch Beteiligte in einem anschließenden Rechtsbehelfsverfahren.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 193, 359; FGO § 57

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger (Ehemann) ist Notar. Bei ihm fand eine Betriebsprüfung für die Jahre 1977 bis 1979 statt. Dabei wurde festgestellt, daß die Kläger in den Jahren 1968 bis 1978 zahlreiche Grundstücksgeschäfte getätigt hatten. Der Umfang der Grundstücksgeschäfte deutete nach Auffassung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) auf eine gewerbliche Betätigung hin.

Das FA ordnete mit Verfügung vom 14. Mai 1982 gemäß § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Betriebsprüfung bei der ,,Haus- und Grundstücksgemeinschaft Eheleute Dr. K S" an; geprüft werden sollten die Gewinnfeststellungen, die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer für 1975 bis 1979, ferner die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens für die Stichtage 1. Januar 1975 bis zum 1. Januar 1980. In einem Anschreiben, das an ,,Herrn u. Frau Dr. K S" gerichtet war (Betreff: ,,BGB-Gesellschaft Eheleute Dr. K S"), hieß es, die Betriebsprüfung werde ,,angeordnet, weil die Veräußerung von Grundbesitz als gewerblicher Grundstückshandel angesehen" werde; der Prüfungszeitraum werde ,,gemäß § 4 Abs. 2 BpO (St) auf mehr als drei Jahre erweitert, weil mit nicht unerheblichen Steuernachforderungen gerechnet" werde.

Die von den Klägern eingelegte Beschwerde zur Oberfinanzdirektion (OFD) blieb erfolglos. Die OFD entschied ,,auf die Beschwerde der Eheleute Notar Dr. K S (Grundstücksgemeinschaft)". Sie stützte die Anordnung ausdrücklich auch auf § 193 Abs. 2 AO 1977.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage in Sachen ,,der Grundstücksgemeinschaft Eheleute Notar Dr. K und K S" als unbegründet zurück. Es führte aus: Die Klage werde dahin ausgelegt, daß der ,,Personenzusammenschluß der Kläger ist und nicht die Eheleute S als solche Klage erhoben haben". Entsprechendes gelte für die Beschwerde. Die Prüfungsanordnung und die Beschwerdeentscheidung seien zu Recht an die noch fortbestehende Grundstücksgemeinschaft gerichtet worden. Die Eheleute hätten zumindest für einen Fall eingeräumt, daß zwischen ihnen eine Bruchteilsgemeinschaft in bezug auf Grundeigentum bestanden habe. Das FA nehme weitergehend an, daß die mehreren Grundstücke, die in den Jahren 1968 bis 1973 erworben und in den Jahren 1977/78 als Bauland veräußert worden seien, gemeinschaftliches Eigentum der Eheleute gewesen seien. Die Eheleute hätten erwidert, die Grundstücke seien nur teilweise Bruchteilseigentum gewesen. Aufgrund dieses teilweise übereinstimmenden Sachvortrags sei davon auszugehen, daß für 1968 bis 1978 ein Gemeinschaftsverhältnis bestanden habe. Die Grundstücksgemeinschaft habe im Zeitpunkt der Prüfungsanordnung und der Beschwerdeentscheidung noch fortbestanden. Zumindest sei sie noch nicht voll beendet gewesen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Mai 1971 V R 117/67, BFHE 102, 174, BStBl II 1971, 540). Die Prüfungsanordnung habe noch in der Beschwerdeentscheidung (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977) auf § 193 Abs. 2 AO 1977 gestützt werden können. Es bestehe die konkrete Möglichkeit eines gewerblichen Grundstückshandels. Mehreren Erwerbsvorgängen stünden zehn Veräußerungen (ohne den Verkauf des Wohngebäudes im Jahr 1979) gegenüber. Dabei stelle sich die Frage, ob die von der Grundstücksgemeinschaft und den Eheleuten getätigten Geschäfte zu einem Gewerbebetrieb zusammenzufassen seien (BFH-Urteil vom 23. Februar 1977 I R 28/75, BFHE 122, 135, BStBl II 1977, 552).

Die Kläger haben Revision eingelegt. Sie tragen vor: Die Vorentscheidung gehe ,,ins Leere". Sie hätten keinen irgendwie gearteten gesellschaftsrechtlichen Zusammenschluß gebildet. Es sei nicht zulässig, aus einem Fall gemeinsamen Handels darauf zu schließen, daß sie auch bei den übrigen Grundstücksgeschäften gemeinschaftlich gehandelt hätten. Die Vorentscheidung sei auch materiell-rechtlich zu beanstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Die Annahme des FG, daß die Grundstücksgemeinschaft Klage erhoben habe, entspricht weder dem Vorbringen der Kläger im Beschwerde- und Klageverfahren noch ist diese Umdeutung erforderlich, um eine sachliche Prüfung der Prüfungsanordnung zu ermöglichen.

a) Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hat gegen die Prüfungsanordnung für ,,die Eheleute Notar Dr. K S und Frau K S" Beschwerde eingelegt und in der Beschwerdeschrift ,,vorsorglich" darauf hingewiesen, daß die Kläger den ,,Rechtsbehelf nicht etwa als Gesellschafter bürgerlichen Rechts" eingelegt hätten. Ebenso wurde die Klage als solche ,,der Eheleute Notar Dr. K S und Frau K S" erhoben. In der Klagebegründung wurde betont, daß ,,ein Steuersubjekt der Haus- und Grundstücksgemeinschaft . . . zu keiner Zeit bestanden" habe. Schließlich haben sich die Kläger auch im Revisionsverfahren als Kläger und Revisionskläger bezeichnet.

b) Es besteht kein Anlaß, diese von einem Rechtsanwalt bewußt formulierten, eindeutigen Erklärungen umzudeuten. Das FG hat sich offenbar deswegen zu einer Umdeutung veranlaßt gesehen, weil es davon ausging, daß sich die Prüfungsanordnung und die Beschwerdeentscheidung gegen die Grundstücksgemeinschaft richteten und nur von dieser angegriffen werden könnten. Allerdings hat es gemeint, auch eine Klage der Eheleute wäre zulässig gewesen; andererseits habe es keine Ausführungen dazu gemacht, ob es sich dennoch an einer Sachprüfung gehindert gesehen hätte (fehlende Aktivlegitimation?). Das FA meint demgegenüber, eine Klage der Eheleute sei unzulässig.

Der Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, welche Folgerungen eintreten würden, wenn die Kläger sich gegen eine Prüfungsanordnung und eine Beschwerdeentscheidung gewandt hätten, die sich gegen eine Grundstücksgemeinschaft richteten. Prüfungsanordnung und Beschwerdeentscheidung richteten sich gegen die Kläger.

Zwar führt die Prüfungsanordnung im Anschriftenfeld die ,,Haus- und Grundstücksgemeinschaft Eheleute Dr. K S" an. Es wird auch von ,,Gewinnfeststellungen" gesprochen, die sich offenbar auf die angenommene Gemeinschaft beziehen. Die Prüfungsanordnung ist jedoch im Zusammenhang mit dem Begleitschreiben des FA zu sehen. Dieses ist an ,,Herrn u. Frau Dr. K S" gerichtet und führt die ,,BGB-Gesellschaft Eheleute Dr. K S" lediglich im Betreff an. Wird weiterhin berücksichtigt, daß die Kläger in der Prüfungsanordnung persönlich mit ,,Sehr geehrte Frau S, sehr geehrter Herr Dr. S" angesprochen werden und angeordnet wird, daß die Prüfung ,,bei Ihnen" durchgeführt werden soll, gibt der Senat einer Auslegung den Vorzug, daß die Kläger als Einzelpersonen angesprochen worden sind.

Die Beschwerdeentscheidung führte entgegen der Ansicht des FG nicht die Gemeinschaft als Beschwerdeführer an, sondern bemerkte ausdrücklich, daß über die Beschwerde ,,der Eheleute Notar Dr. K S" entschieden werde, Die Anführung des Wortes ,,Grundstücksgemeinschaft" in Klammern hat demgegenüber keine Bedeutung, zumal es zu Beginn der Gründe ausdrücklich heißt: ,,Die Beschwerdeführer (Bf.) sind Eheleute."

c) Danach ist die Prüfungsanordnung einschließlich der sie bestätigenden Beschwerdeentscheidung dahin zu verstehen, daß bei den Klägern (den Eheleuten) geprüft werden soll, ob sie im Rahmen einer möglichen Gemeinschaft (Gesellschaft) einen gewerblichen Grundstückshandel ausgeübt haben. Die Beschwerdeentscheidung spricht demgemäß ,,von dem vermuteten Personenzusammenschluß der Bf." und davon, daß das FA ,,bei den Ehegatten einen Personenzusammenschluß (Gesellschaft, Gemeinschaft) vermuten konnte".

d) Das FG hat - weitergehend - angenommen, daß eine Grundstücksgemeinschaft zwischen den Klägern tatsächlich existiert habe und steuerrechtlich fortbestehe. Abgesehen davon, daß eine solche Annahme die Ermessensausübung auf eine andere, von den Finanzbehörden bisher nicht erkannte Grundlage stellen würde, ist die Annahme nicht ausreichend durch Feststellungen belegt. Eine Gemeinschaft (Gesellschaft) kann nur dann als Steuerrechtssubjekt angesehen werden, wenn die Rechtsakte, Rechtsbeziehungen oder faktischen Beziehungen, die die Steuerrechtssubjektivität begründen sollen, eindeutig feststehen. Hieran fehlt es im Streitfall. Das FG gibt an, daß in einem Fall eine Bruchteilsgemeinschaft bestanden haben soll, ohne diesen Fall zu benennen. Erst recht läßt sich eine Gemeinschaft nicht anhand von Vorbringen der Beteiligten individualisieren, das ohne nähere Angaben teilweise übereinstimmend Bruchteilseigentum annehmen soll.

2. Die Vorentscheidung, die von der Klage einer Grundstücksgemeinschaft ausgeht, ist aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil es an Feststellungen gegenüber den Klägern fehlt. Diese Feststellungen sind nachzuholen. Sollten sie mit den bisher gegenüber der Gemeinschaft getroffenen Feststellungen übereinstimmen, ist die Prüfung, ob die Finanzbehörden ermessensgerecht gehandelt haben, unter dem Gesichtspunkt zu ergänzen, daß sich die Anordnung gegen die Eheleute richtet. Das FG wird zu den offengelassenen Fragen Stellung nehmen, ob eine Wiederholungsprüfung vorliegt und welche Folgerungen hieraus herzuleiten wären und ob die Prüdfungsanordnung auch dann nur einmal bekanntzugeben ist, wenn sie sich nicht an eine Gemeinschaft richtet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413728

BFH/NV 1985, 61

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