Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung der Beschwer bei einem auf 0 DM lautenden Körperschaftsteuerbescheid eines Vereins - Verein zur Förderung kommunaler Einrichtungen nicht gemeinnützig - Mitteilung der Gemeinnützigkeit kein Verwaltungsakt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Darlegung einer Rechtsverletzung i.S. des § 40 Abs. 2 FGO durch einen auf 0 DM lautenden Körperschaftsteuerbescheid reicht es aus, daß der Kläger geltend macht, er sei gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit und durch den Bescheid sei zu Unrecht seine Körperschaftsteuerpflicht bejaht worden.

2. Ein Verein, dessen tatsächliche Geschäftsführung darauf gerichtet ist, durch Umgehung eines gesetzlichen Verbots Geldmittel zur Förderung kommunaler Einrichtungen zu erlangen, ist nicht gemeinnützig.

 

Orientierungssatz

Die Mitteilung des FA nach Prüfung der Vereinssatzung, der Verein diene nach seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken i.S. des § 52 AO 1977, ist kein Verwaltungsakt, an den das FA gebunden ist, sondern lediglich eine unverbindliche Auskunft, die das FA jederzeit berichtigen darf.

 

Normenkette

FGO § 40 Abs. 2; KStG 1984 § 5 Abs. 1 Nr. 9; KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 9; AO 1977 § 52 Abs. 1 S. 1, § 118; BGB § 134

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein ins Vereinsregister eingetragener Verein. Nach seiner Satzung verfolgte er in den Jahren 1982 bis 1984 (Streitjahre) den Zweck, bestimmte, insbesondere kommunale Einrichtungen (Schulen, Kindergärten, Jugendheime, Bürgerhäuser, Altenheime, Einrichtungen der Volksbildung und beruflichen Fortbildung, Bibliotheken, Sport- und Feuerlöscheinrichtungen) zu fördern. Um den Vereinszweck zu verwirklichen, plante der Kläger, den Trägern der Einrichtungen Zuschüsse für den Grunderwerb und zu den Bau- und Ausstattungskosten und zum laufenden Betrieb der Einrichtungen zu gewähren. Die dafür benötigten Gelder wollte der Kläger durch Spenden von Bauwilligen erlangen. Am 29. September 1982 beschloß die Mitgliederversammlung des Klägers Richtlinien für die Verwendung der von Bauwilligen geleisteten Spenden (sog. Förderungsrichtlinien). Nach ihnen sollen die von Bauwilligen erlangten Gelder jeweils der Gemeinde zufließen, in der der Spender das Bauvorhaben durchführen will. Nur wenn die Gemeinde eine andere Verwendung der Mittel vorschlägt oder innerhalb einer bestimmten Frist keine förderungswürdige Einrichtung nachweist, durfte der Vorstand des Klägers die Spenden für andere satzungsmäßige Zwecke verwenden.

Am 28. Oktober 1982 teilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) dem Kläger nach Prüfung der Satzung mit: Der Kläger diene nach seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken i.S. des § 52 der Abgabenordnung (AO 1977). Über die Befreiung des Klägers von der Körperschaftsteuer könne das FA endgültig erst nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums entscheiden, da die Steuerbefreiung voraussetze, daß die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers im jeweiligen Veranlagungszeitraum mit der Satzung in Einklang gestanden habe. Die Entscheidung werde ausschließlich im Veranlagungsverfahren getroffen. Die Mitteilung sei daher nur eine unverbindliche Auskunft. In den Spendenbescheinigungen dürfe jedoch angegeben werden, daß das FA den Kläger vorläufig als eine Körperschaft anerkannt habe, die nach ihrer Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolge.

Im November 1985 legte der Vorstand des Klägers dem FA zur Überprüfung seiner Geschäftsführung die Kassenberichte für die Streitjahre und seinen Rechenschaftsbericht vom 22. Mai 1985 vor. Nach den Kassenberichten erzielte der Kläger in den Streitjahren außer geringfügigen Mitgliedsbeiträgen (insgesamt 70 DM pro Jahr) keine Einnahmen. Die Ausgaben betrugen 136,60 DM (Kosten der Eintragung des Klägers ins Vereinsregister). Aus dem Rechenschaftsbericht ergibt sich: 1982 und 1984 hatten insgesamt sieben Bauwillige notariell beurkundete und durch Bankbürgschaften abgesicherte Schenkungsversprechen in Höhe von insgesamt 275 200 DM zugunsten des Klägers abgegeben. Die Ansprüche aufgrund dieser Versprechen wurden fällig, sobald dem jeweiligen Bauwilligen für sein Bauvorhaben eine Baugenehmigung erteilt worden war. Am 4. Oktober 1984 waren Ansprüche in Höhe von insgesamt 187 200 DM fällig geworden. Die "Spender" und die Bürgen hatten jedoch die Zahlungen verweigert, weil sie die Ansicht vertraten, die Schenkungsversprechen und Bürgschaften seien nach § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unwirksam.

Zur Erläuterung der Tätigkeit des Klägers teilte dessen Vorstand dem FA ergänzend mit: Den Kommunen entstünden durch den Ausweis neuer Baurechte erhebliche Folgekosten. In der Vergangenheit hätten sie daher mit Bauträgern Verträge abgeschlossen, um von den Bauträgern Zahlungen zur Deckung dieser Kosten zu erhalten. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe diese sog. Folgekostenverträge jedoch nur in sehr eingeschränktem Umfang als zulässig angesehen. Daher seien die Kommunen oft nicht mehr in der Lage, neue Baurechte auszuweisen. Dies sei sowohl für die Kommunen als auch für die Bauwilligen nachteilig. Die Spenden an den Kläger und die Förderung kommunaler Einrichtungen durch den Kläger dienten dazu, diese Blockade der Ausweisung neuer Baurechte zu lösen. Die Kommunen hätten nach der Satzung und den Förderungsrichtlinien jedoch keinen Rechtsanspruch auf Leistungen des Klägers.

Das FA vertrat nunmehr die Ansicht, der Kläger habe in den Streitjahren nicht unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt, da er seine Mittel den Kommunen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben habe zuwenden wollen. Es setzte die Körperschaftsteuer für die Streitjahre auf jeweils 0 DM fest, widerrief die am 28. Oktober 1982 erteilte "vorläufige Zuerkennung der Gemeinnützigkeit" und wies den Kläger darauf hin, daß er keine Spendenbescheinigungen mehr ausstellen dürfe (Bescheid vom 4. August 1986). Einspruch und Klage waren erfolglos.

Mit seiner Revision greift der Kläger das Urteil des Finanzgerichts (FG) an, weil das FG die Klage zu Unrecht als unzulässig angesehen habe. Im Schriftsatz vom 27. September 1993 hat er beantragt, das FG-Urteil, den Körperschaftsteuerbescheid vom 4. August 1986 und die Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 1989 aufzuheben und das FA zu verurteilen, dem Kläger die Gemeinnützigkeit insbesondere für die Streitjahre zuzuerkennen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. A) Der erkennende Senat geht davon aus, daß der Kläger nur beantragt, das FG-Urteil, den Körperschaftsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung mit der Maßgabe aufzuheben, daß der Kläger in den Streitjahren gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977/1984 von der Körperschaftsteuer befreit ist.

Zwar hat der Kläger im Schriftsatz vom 27. September 1993 beantragt, das FA zu verurteilen, dem Kläger die Gemeinnützigkeit insbesondere für die Streitjahre zuzuerkennen. Gleichzeitig hat er aber vorgetragen, das FA habe ihn inzwischen für die Jahre 1985 und 1986 zur Körperschaftsteuer veranlagt und die Steuer auf 1 650 DM bzw. 67 720 DM festgesetzt. Die Revisionsbegründung läßt nicht erkennen, daß der Kläger mit der Revision auch die Aufhebung der Steuerfestsetzungen für die Jahre 1985 und 1986 begehrt oder der Ansicht ist, im Revisionsverfahren könne unabhängig von diesen Steuerfestsetzungen über die Gemeinnützigkeit des Klägers auch für die auf die Streitjahre folgenden Jahre entschieden werden.

B) Die Revision war mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, daß die Klage nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abzuweisen ist (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Der erkennende Senat teilt nicht die Auffassung des FG, der Kläger sei durch den Körperschaftsteuerbescheid vom 4. August 1986 nicht beschwert und seine Klage sei somit unzulässig. Die Abweisung der Klage durch das FG stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar. Der Kläger ist für die Streitjahre nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG 1977/1984 von der Körperschaftsteuer befreit. Seine Tätigkeit war in den Streitjahren auf die Umgehung eines gesetzlichen Verbots gerichtet und diente somit nicht gemeinnützigen Zwecken.

1. Die auf die Aufhebung des Bescheids vom 4. August 1986 und der ihn bestätigenden Einspruchsentscheidung gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig.

a) Da das Gesetz nichts anderes bestimmt, setzt die Zulässigkeit der Anfechtungsklage voraus, daß der Kläger geltend macht, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 40 Abs. 2 FGO). Das bedeutet, der Kläger muß substantiiert und schlüssig darlegen (s. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Oktober 1987 I R 275/83, BFHE 152, 138, BStBl II 1988, 292; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 40 Rz. 61 f. m.w.N.), der Bescheid beeinträchtige ein dem Kläger zustehendes Recht. Es reicht somit nicht aus, die Rechtswidrigkeit des Bescheids darzulegen. Der Kläger muß vielmehr auch geltend machen, durch den Bescheid beschwert zu sein.

b) Zutreffend sind die Verfahrensbeteiligten und das FG davon ausgegangen, daß die Festsetzung der Körperschaftsteuer auf 0 DM zu keiner Steuerzahlungsverpflichtung des Klägers führt. Sie beeinträchtigt daher nicht sein Recht, nur die nach dem materiellen Recht geschuldete Steuer zahlen zu müssen.

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats reicht es in Fällen wie dem Streitfall jedoch für die Darlegung einer Rechtsverletzung aus, daß der Kläger geltend macht, er sei von der Körperschaftsteuer befreit und durch den auf 0 DM lautenden Körperschaftsteuerbescheid sei zu Unrecht seine Körperschaftsteuerpflicht bejaht worden (s. Beschlüsse des Senats vom 20. November 1969 I B 34/69, BFHE 97, 281, BStBl II 1970, 133; vom 16. Dezember 1987 I B 68/87, nicht veröffentlicht; vom 18. Mai 1983 I R 263/82, BFHE 138, 409, BStBl II 1983, 602; a.A. Gräber/von Groll, a.a.O., § 40 Rz. 88; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 40 FGO Tz.12). Daran hält der Senat fest. Würde in Fällen wie dem Streitfall die Beschwer verneint, könnte kein effektiver Rechtsschutz gewährt werden. Solange über die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG erst im Körperschaftsteuerveranlagungsverfahren entschieden wird (s. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1978 I R 77/76, BFHE 127, 327, BStBl II 1979, 481; vom 10. Januar 1992 III R 201/90, BFHE 167, 470, BStBl II 1992, 684; Scholtz in Koch/Scholtz, Kommentar zur Abgabenordnung, 4. Aufl. 1993, § 51 Rz. 9 m.w.N.), muß für den die Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit beanspruchenden Steuerpflichtigen die Möglichkeit bestehen, einen auf 0 DM lautenden Körperschaftsteuerbescheid durch die FG auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen. Andernfalls könnten Steuerpflichtige, denen das FA die Gemeinnützigkeit abspricht und deren Einkommen den Freibetrag gemäß § 24 KStG nicht überschreitet, nie gerichtlich klären lassen, ob sie gemeinnützigen Zwecken dienen oder nicht.

2. Der Kläger ist für die Streitjahre nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG 1977/1984 von der Körperschaftsteuer befreit.

a) Die Steuerbefreiung aufgrund dieser Vorschrift setzt u.a. voraus, daß die Körperschaft nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich gemeinnützigen oder --was im Streitfall nicht in Betracht kommt-- mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient. Gemeinnützigen Zwecken wird gedient, wenn eine Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Tätigkeiten, die gegen die Rechtsordnung verstoßen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht (s. Senatsurteil vom 29. August 1984 I R 215/81, BFHE 142, 243, BStBl II 1985, 106).

b) Die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers diente keinen gemeinnützigen Zwecken. Sie verstieß gegen die Rechtsordnung, da sie darauf gerichtet war, durch Umgehung eines gesetzlichen Verbots Geldmittel zur Förderung kommunaler Einrichtungen zu erlangen.

Nach der in den Streitjahren geltenden Rechtslage waren Folgekostenverträge in einigen Bundesländern --darunter auch Bayern-- unzulässig, wenn sie Bauvorhaben betrafen, die zu keiner grundlegenden Änderung der kommunalen Infrastruktur führten (s. Urteile des BVerwG vom 6. Juli 1973 IV C 22.72, BVerwGE 42, 331; vom 30. November 1973 VII C 78.72, BVerwGE 44, 202; vom 14. August 1992 8 C 19.90, BVerwGE 90, 310, Die Öffentliche Verwaltung 1993, 163; Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Mai 1980 Nr. 147 IV 78, Bayerische Verwaltungsblätter 1980, 722). Sie verstießen gegen das grundsätzliche Verbot des "Verkaufs" hoheitlicher Entscheidungen (hier: Ausweisung der Baurechte und Erteilung der Baugenehmigungen) und waren daher nach § 134 BGB nichtig. Die Tätigkeit des Klägers war auf die Umgehung dieses Verbots gerichtet. Das ergibt sich aus der engen Verknüpfung der dem Kläger gemachten Schenkungsversprechen mit der Erteilung der Baugenehmigungen und der vom Kläger geplanten Verwendung der von den Bauwilligen erhofften "Spenden". Diese waren keine freiwilligen ohne Gegenleistung erbrachten Zuwendungen an den Kläger, sondern ein zusätzliches Entgelt der Bauwilligen für die Erteilung der Baugenehmigungen.

3. Entgegen der Ansicht des Klägers hat das FA die Körperschaftsteuer für 1982 und 1984 nicht zu niedrig festgesetzt.

Selbst wenn unterstellt wird, die Gewinne des Klägers seien durch Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG zu ermitteln, beträgt die für die Streitjahre 1982 und 1984 festzusetzende Körperschaftsteuer jeweils 0 DM. Entgegen der Auffassung des Klägers dürfen die Ansprüche aus den in den Jahren 1982 und 1984 erlangten Schenkungsversprechen in den Streitjahren noch nicht gewinnerhöhend berücksichtigt werden. Die "Spender" und Bürgen hatten die Ansprüche des Klägers bestritten und die Zahlung verweigert, weil die Schenkungsversprechen nichtig seien. Aufgrund der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Unzulässigkeit von Folgekostenverträgen mußte der Kläger damit rechnen, daß seine Tätigkeit als Umgehung eines gesetzlichen Verbots beurteilt wird und keine Ansprüche aus den Schenkungsversprechen bestanden.

4. Die Mitteilung des FA vom 28. Oktober 1982 stand der Versagung der Steuerbefreiung nicht entgegen. Diese Mitteilung war kein Verwaltungsakt, an den das FA gebunden war, sondern lediglich eine unverbindliche Auskunft, die das FA jederzeit berichtigen durfte (s. Senatsurteil vom 20. Mai 1992 I R 138/90, BFH/NV 1993, 150).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65207

BFH/NV 1995, 18

BStBl II 1995, 134

BFHE 175, 484

BFHE 1995, 484

BB 1995, 498

BB 1995, 498-499 (LT)

DB 1995, 557-558 (LT)

DStR 1995, 254-255 (KT)

HFR 1995, 148-149 (KT)

StE 1995, 36-37 (K)

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