Leitsatz (amtlich)

Ausgangspunkt für die sog. Teilwertvermutungen sind die nicht um Investitionszulagen gekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten der bezuschußten Wirtschaftsgüter.

Zur Entkräftung der Teilwertvermutung reicht es nicht aus, daß nur darauf hingewiesen wird, es seien aufgrund des § 19 BerlinFG erhöhte Investitionszulagen gezahlt worden (Fortentwicklung der BFH-Urteile vom 8.Mai 1981 III R 26/79, BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702, und III R 109/76, BFHE 133, 572, BStBl II 1981, 700).

 

Normenkette

BewG 1974 § 109 Abs. 1, § 10; BerlinFG § 19

 

Tatbestand

Streitig ist für den 1.Januar 1980 die Feststellung des Einheitswerts für den gewerblichen Betrieb der Klägerin, die sich in Berlin mit der Herstellung und dem Vertrieb gußeiserner Rohteile für industrielle Zwecke befaßt.

In ihrer Vermögensaufstellung hatte die Klägerin ihr bewegliches Anlagevermögen (ohne Fahrzeuge und geringwertige Wirtschaftsgüter) mit insgesamt ... DM ausgewiesen. Diese Werte übernahm das beklagte Finanzamt (FA) in den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid.

1984 beantragte die Klägerin die Herabsetzung des Einheitswerts mit der Begründung, auf die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens seien Investitionszulagen nach dem Berlinförderungsgesetz (BerlinFG) gezahlt worden. Das FA erkannte einen Abschlag nur in Höhe von 10 v.H. der genannten Werte an und setzte den Einheitswert um ... DM herab (vgl. Nr.1 der Anlage zu den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 6.Februar 1984, BStBl I 1984, 139).

Die Klägerin hat Sprungklage erhoben und beantragt, die erklärten Werte um weitere 15v.H. zu kürzen. Für die in Betracht kommenden Wirtschaftsgüter seien Investitionszulagen in Höhe von 25 v.H. gezahlt worden gemäß § 19 Abs.1 Satz 4 Nr.1 Buchst.a Doppelbuchstabe aa BerlinFG. Der von der Verwaltung anerkannte Abschlag von nur 10 v.H. sei deshalb nicht ausreichend.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben.

Das FA hat Revision eingelegt und geltend gemacht, daß die von der Klägerin erklärten Teilwerte nur um 10 v.H. zu kürzen seien.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Revisionsverfahren beigetreten. Er hat ausgeführt, daß die gegenüber der Grundförderung erhöhten Investitionszulagen, die auf bestimmte Wirtschaftsbetriebe und auf bestimmte Wirtschaftsgüter beschränkt seien, nicht geeignet seien, auf das Teilwertniveau dieser Wirtschaftsgüter negativ einzuwirken. Ein höherer Abschlag als 10 v.H. sei deshalb nicht gerechtfertigt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Denn die Klägerin hat die von der Rechtsprechung entwickelten Teilwertvermutungen hinsichtlich der erhöhten Investitionszulagen nach § 19 Abs.1 Satz 4 Nr.1 Buchst.a Doppelbuchstabe aa BerlinFG nicht entkräftet.

Die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind bei der Feststellung des Einheitswerts für den gewerblichen Betrieb der Klägerin gemäß § 109 Abs.1 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit dem Teilwert anzusetzen. Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtkaufpreises (ohne daß eine Gesamtbewertung erforderlich ist, vgl. das Senatsurteil vom 30.November 1988 II R 237/83, BFHE 155, 140, BStBl II 1989, 183) für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, wobei von der Fortführung des Unternehmens auszugehen ist (§ 10 Sätze 2 und 3 BewG).

Im Interesse der Objektivierung und der erforderlichen Vereinfachung und Vereinheitlichung der Bewertung hat die Rechtsprechung Teilwertvermutungen entwickelt, die dazu führen, daß die Steuerpflichtigen die objektive Feststellungslast für die Tatsachen trifft, mit denen Teilwertvermutungen entkräftet werden sollen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8.Mai 1981 III R 26/79, BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702, III R 109/76, BFHE 133, 572, BStBl II 1981, 700; vgl. ferner den Beck'schen Bilanzkommentar, § 253 HGB Tz.307).

Die Teilwertvermutungen gehen dahin, daß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung dem Teilwert entsprechen und der Teilwert zu einem späteren Zeitpunkt den Wiederbeschaffungskosten bzw. bei bestimmten Wirtschaftsgütern ohne Marktpreis den um die Absetzung für Abnutzung (AfA) verminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten entspricht (vgl. die BFH-Urteile vom 20.Mai 1988 III R 151/86, BFHE 153, 566, BStBl II 1989, 269, und in BFHE 155, 140, BStBl II 1989, 183).

Die für die Teilwertvermutungen maßgebenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten werden nicht dadurch vermindert, daß im Einzelfall Investitionszulagen nach § 19 BerlinFG gezahlt werden. Daß diese Zulagen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht mindern, ergibt sich bereits eindeutig aus § 19 Abs.4 Satz 2 BerlinFG. Es besteht keine Veranlassung, für die Anwendung der Teilwertvermutungen von anderen Anschaffungs- oder Herstellungskosten auszugehen. Die ungekürzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten hat der III.Senat bereits den Teilwertvermutungen in den genannten Urteilen in BFHE 133, 567, BStBl II 1981, 702 und in BFHE 133, 572, BStBl II 1981, 700 zugrunde gelegt; denn für die dort entschiedenen Fälle ist jeweils angenommen worden, daß die Entkräftung der auf den vollen Anschaffungskosten basierenden Teilwertvermutungen den jeweiligen Klägern gelungen ist.

Im vorliegenden Fall ist die Entkräftung der auf den vollen Anschaffungs- oder Herstellungskosten basierenden Teilwertvermutungen (jedenfalls) hinsichtlich der um 15 Prozentpunkte erhöhten Investitionszulagen der Klägerin nicht gelungen.

Die der Klägerin gewährten erhöhten Zulagen werden für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gezahlt, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einem Betrieb (einer Betriebsstätte) des verarbeitenden Gewerbes --ausgenommen Baugewerbe-- unmittelbar oder mittelbar der Fertigung oder unmittelbar der Datenverarbeitung dienen. Sie werden damit nicht jedem Unternehmer für alle Wirtschaftsgüter seiner Wahl gewährt. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, daß durch diese Investitionszulagen allgemein in das Marktgeschehen eingegriffen und der Marktwert neuer Wirtschaftsgüter negativ beeinflußt worden sei. Diese Investitionszulagen förderten, wie bereits der Name zum Ausdruck bringt, bestimmte Investitionen der Klägerin. Sie hatten aber keine preisregulierende Funktion auf den Markt. Hierfür gibt es auch keinerlei Anhaltspunkte, denen nachzugehen wäre.

Die Investitionszulagen sind auch nicht mit besonderen Verwendungsauflagen verknüpft, die den Belastungen vergleichbar wären, die z.B. in den seinerzeit vom III.Senat entschiedenen Fällen angenommen worden sind. Der Senat verweist hierzu vor allem auf die erheblichen Bindungen bei der Errichtung und dem Betrieb von Kohlekraftwerken. Auch in dem Seeschiffsfall bestand eine 10jährige Bindungsfrist, innerhalb welcher der Reeder über das Schiff nur bedingt verfügen konnte und überdies das Schiff die deutsche Flagge führen mußte. Die nur dreijährige Bindung in den Fällen des § 19 BerlinFG ist hiermit nicht vergleichbar.

Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Denn die Klägerin hat sich nur allgemein darauf berufen, daß die Teilwertvermutungen grundsätzlich durch die Zahlung von Investitionszulagen beeinflußt werden, darüber hinaus aber keine konkreten Tatsachen geltend gemacht, aus denen sich ergeben könnte, daß die in dem angefochtenen Bescheid angesetzten Werte für die einzelnen Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens die Teilwerte übersteigen. Dies gilt um so mehr, als die vom FA ursprünglich angesetzten Werte aus der Vermögensaufstellung der Klägerin entnommen worden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62882

BFH/NV 1989, 27

BStBl II 1989, 545

BFHE 156, 507

BFHE 1989, 507

BB 1989, 1260-1260 (L)

DB 1989, 1501-1502 (LT)

DStR 1989, 642 (KT)

HFR 1989, 479 (LT)

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