Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablösung einer betrieblichen Veräußerungsrente durch Einmalzahlung: Entschädigung oder tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn - Definition: Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG - Veräußerungswahlrecht: Sofortversteuerung oder Zuflußversteuerung - Bindung an die Ausübung eines Wahlrechts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine betriebliche Veräußerungsrente aufgrund nachträglicher Vereinbarung durch eine Einmalzahlung abgelöst, ist diese keine nach § 24 Nr.1 Buchst.a EStG tarifbegünstigte Entschädigung.

2. Die Ablösung führt aber zu einem tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn, sofern im Veräußerungsjahr keine tarifbegünstigte Versteuerung eines Einmalbetrages stattgefunden hat. Die Tarifbegünstigung wird nicht gewährt für den Teil des Ablösebetrages, welcher dem Gesamtvolumen des mit den wiederkehrenden Bezügen verrechneten Buchwertes entspricht.

 

Orientierungssatz

1. "Entschädigungen, die als Ersatz für entgehende und entgangene Einnahmen gewährt werden," sind nur solche Zahlungen, die als Ersatz für Einnahmen geleistet werden, die entweder entgangen sind oder noch entgehen, und die nunmehr an deren Stelle treten. Zwar kann eine Entschädigung auch dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige selbst bei dem zum Einnahmeausfall führenden Ereignis mitgewirkt hat. Jedoch muß der Steuerpflichtige zumindest unter einem von einem anderen ausgeübten, nicht unerheblichen tatsächlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Druck gehandelt haben (BFH-Urteile vom 20. Juli 1978 IV R 43/74).

2. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ergänzt die Einkünftetatbestände der §§ 13 bis 23 EStG. Er erfaßt solche Einnahmen nicht, die im Rahmen einer üblichen Abwicklung des Vertragsverhältnisses anfallen. Dies gilt insbesondere für die infolge Vertragsstörung im Rahmen des Erfüllungsinteresses geleisteten Zahlungen des Vertragsstörers. Diese Beurteilung ist unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige das Erfüllungsinteresse im Rahmen des bestehenden (gestörten) Vertrages durchsetzt oder zur Abgeltung seiner vertraglichen Ansprüche aus Vertragsverletzung einer ergänzenden vertraglichen Regelung durch Vergleich zustimmt (BFH-Rechtsprechung).

3. Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Gewerbebetrieb gegen "wagnisbehaftete" wiederkehrende Bezüge, so kann er wählen zwischen der sofortigen Versteuerung eines begünstigten Veräußerungsgewinns unter Kapitalisierung der Bezüge auf den Zeitpunkt der Veräußerung und der laufenden Tarifversteuerung der Bezüge als nichtbegünstigte nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Zuflußzeitpunkt, sobald und soweit deren Summe den Buchwert i.S. des § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG zuzüglich Veräußerungskosten übersteigt; entscheidet er sich für letzteres, wird der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG nicht gewährt (sog. Veräußererwahlrecht; BFH-Rechtsprechung). Der Steuerpflichtige ist an die Ausübung des Veräußererwahlrechts gebunden. Besteht der Veräußerungspreis in wiederkehrenden Bezügen und einem festen Entgelt, so gibt es das Wahlrecht nur hinsichtlich der wiederkehrenden Bezüge. Auf das feste Entgelt ist, soweit es den Buchwert des Kapitalkontos und die Veräußerungskosten übersteigt, der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG anzuwenden (vgl. RFH-Rechtsprechung und BFH-Rechtsprechung).

4. Die Frage, ob und inwieweit der Steuerpflichtige, der ein Wahlrecht ausgeübt hat, an die ausgeübte Wahl gebunden ist, kann nicht allgemein und für alle in Betracht kommenden Fälle einheitlich beantwortet werden. Sofern diese Frage nicht unmittelbar aus dem Gesetz beantwortet werden kann --etwa aus dem handelsrechtlichen Stetigkeitsgebot oder aus den steuerrechtlichen Grundsätzen der Bewertungsstetigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 14.8.1988 IV R 96/86)-- kommt es auf die materiell-rechtliche Eigenart und Wirkungsw

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 1-2, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 2 Nr. 1, § 16 Abs. 4, § 34 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 2; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 6

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin ihres im Jahre 1987 verstorbenen Ehemannes R.B. Dieser hatte eine Tischlerei betrieben. Durch Vertrag vom 29.März 1973 veräußerte er den Betrieb nebst Betriebsgrundstück zum Kaufpreis von 300 000 DM zuzüglich Umsatzsteuer und das privat genutzte Einfamilienhaus zum Kaufpreis von 200 000 DM. Der Erwerber hatte nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu seinen Gunsten "als Anzahlung auf den Kaufpreis" einen Betrag von 50 000 DM zu zahlen. Der übrige Kaufpreis wurde --ausgehend von einem Kapitalwert in Höhe von 450 000 DM-- bei einem angenommenen Rechnungszinsfuß von 6 v.H. auf die Laufzeit von 25 Jahren verrentet. Ausweislich des Vertrages war die Rente dazu bestimmt, dem Lebensunterhalt des Ehemannes und dessen Erben zu dienen. Die Rente war durch eine Wertsicherungsklausel (Anknüpfung an den Lebenshaltungskostenindex) gesichert. Der Erwerber bewilligte in Höhe von 450 000 DM die Eintragung einer Rentenschuld nebst Unterwerfungsklausel an rangerster Stelle. Die monatlich im voraus zu zahlende Rente belief sich zunächst auf 2 906 DM, zuletzt auf 4 646 DM. Die monatlichen Rentenbezüge wurden zu 2/3 als nachträgliche gewerbliche Einkünfte versteuert, nachdem diese die Buchwerte des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Veräußerung überschritten hatten.

In der Folgezeit kam der Erwerber seiner Zahlungspflicht nicht mehr vollständig nach und stellte im Februar 1986 die Zahlungen gänzlich ein. Im Mai 1986 betrug der Zahlungsrückstand 40 304 DM. Am 29.Juli 1986 vereinbarten die Vertragspartner "in Abänderung" des Vertrages vom 29.März 1973, daß der Erwerber rückständige Renten in Höhe von 50 000 DM sowie "zur Ablösung der eingegangenen Rentenzahlungsverpflichtung" einen Betrag von 350 000 DM zahlte. Damit sollten sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Vertrag vom 29.März 1973 abgegolten sein.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1986 beantragte die Klägerin, nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 266 667 DM mit dem begünstigten Steuersatz nach § 24 Nr.1 Buchst.a, § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu versteuern. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nicht, sondern unterwarf die Ablösesumme mit dem Regelsteuersatz der Einkommensteuer.

Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage abgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt: In Höhe von 50 000 DM seien rückständige Rentenbeträge nachgezahlt worden. Da sich der Ehemann der Klägerin für eine Versteuerung der Rentenzahlung als nachträgliche gewerbliche Einnahmen im Jahre des Zuflusses entschieden habe, sei auch der auf den Gewerbebetrieb entfallende Restanteil (2/3 von 350 000 DM *= 233 333 DM) als (nachträgliche) Einkünfte i.S. des § 24 Nr.2 EStG zum Regelsteuersatz zu versteuern. Eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr.1 Buchst.a EStG liege nicht vor. Die Ablösesumme beruhe nicht "auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage"; es handle sich um die vertraglich zustehenden Leistungen --Erfüllung eines fortbestehenden Anspruchs-- in geänderter Zahlungsmodalität. Der bei der Veräußerung des Gewerbebetriebes erzielte Gewinn habe grundsätzlich im Jahre 1973 versteuert werden müssen. R.B. habe jedoch wählen können zwischen der Versteuerung nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 16, 34 EStG) und der Versteuerung der laufenden Zahlungen als nachträgliche gewerbliche Einnahmen (sog. Veräußererwahlrecht; vgl. Abschn.139 Abs.12 der Einkommensteuer-Richtlinien 1990 --EStR--). R.B. habe sein Wahlrecht im Sinne einer Versteuerung laufender gewerblicher Einkünfte wirksam ausgeübt; hieran sei die Klägerin als Rechtsnachfolgerin gebunden (Bezugnahme auf Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20.Januar 1959 I 200/58 U, BFHE 68, 500, BStBl III 1959, 192; vom 27.Juli 1977 I R 174/74, nicht veröffentlicht --NV--).

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 24 Nr.1 Buchst.a, § 34 Abs.1 und 2 EStG.

Gegenstand des Verfahrens ist der geänderte Bescheid vom 14.Juni 1991.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1986 in der Weise abzuändern, daß bei den (nachträglichen) Einkünften aus Gewerbebetrieb ein Betrag in Höhe von 233 334 DM als steuerbegünstigt anerkannt wird, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

I. Zu Recht hat das FG entschieden, daß die Ablösesumme keine Entschädigung i.S. des § 24 Nr.1 Buchst.a EStG ist.

1. Nach § 24 Nr.1 Buchst.a EStG gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs.1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind. Entschädigungen sind Zuwendungen, die einen Schaden ausgleichen, den ein Steuerpflichtiger durch den Wegfall von Einnahmen erleidet. "Entschädigungen, die als Ersatz für entgehende und entgangene Einnahmen gewährt werden," sind nur solche Zahlungen, die als Ersatz für Einnahmen geleistet werden, die entweder entgangen sind oder noch entgehen, und die nunmehr an deren Stelle treten.

Zwar kann eine Entschädigung auch dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige selbst bei dem zum Einnahmeausfall führenden Ereignis mitgewirkt hat. Jedoch muß nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Steuerpflichtige zumindest unter einem von einem anderen ausgeübten, nicht unerheblichen tatsächlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Druck gehandelt haben (BFH-Urteile vom 20.Juli 1978 IV R 43/74, BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9; vom 15.Dezember 1989 VI R 4/85, BFH/NV 1990, 429 m.w.N.). Es kann dahingestellt bleiben, ob die letzteren Voraussetzungen hier vorgelegen haben. Es wäre zu bedenken, daß die Kaufpreisforderung auf dem übertragenen Grundstück hypothekarisch erstrangig gesichert war; ein wirtschaftlicher Ausfall der Forderung stand offenbar nicht zu erwarten, und es ging für R.B. lediglich darum, dem säumigen Schuldner den Kaufpreis nicht mehr in eigener Person zu kreditieren, sondern das Grundbuch für eine anderweitige Beleihung freizugeben. Jedenfalls ist der Tatbestand des § 24 Nr.1 Buchst.a EStG nicht erfüllt, wenn ein bislang gestundeter bzw. verrenteter Kaufpreis mit einem Einmalbetrag abgelöst wird.

2. § 24 Nr.1 Buchst.a EStG ergänzt die Einkünftetatbestände der §§ 13 bis 23 EStG (BFH-Urteil vom 21.August 1990 VIII R 17/86, BFHE 162, 62, 67, BStBl II 1991, 76). Er erfaßt solche Einnahmen nicht, die im Rahmen einer üblichen Abwicklung des Vertragsverhältnisses anfallen. Dies gilt insbesondere für die infolge Vertragsstörung im Rahmen des Erfüllungsinteresses geleisteten Zahlungen des Vertragsstörers. Diese Beurteilung ist unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige das Erfüllungsinteresse im Rahmen des bestehenden (gestörten) Vertrages durchsetzt oder zur Abgeltung seiner vertraglichen Ansprüche aus Vertragsverletzung einer ergänzenden vertraglichen Regelung durch Vergleich zustimmt (BFH-Urteile vom 27.Juli 1978 IV R 149/77, BFHE 126, 158, BStBl II 1979, 66; vom 18.September 1986 IV R 228/83, BFHE 147, 477, BStBl II 1987, 25 m.w.N. der Rechtsprechung; vom 17.September 1987 IV R 168/85, BFH/NV 1988, 429; vom 5.Oktober 1989 IV R 126/85, BFHE 158, 404, 406, BStBl II 1990, 155, zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Sukzessivlieferungsvertrages).

3. Allerdings wurde in dem von der Klägerin zur Stützung ihres Rechtsstandpunktes herangezogenen BFH-Urteil vom 16.April 1980 VI R 86/77 (BFHE 130, 168, BStBl II 1980, 393) entschieden, bei nachträglicher Vereinbarung einer Kapitalisierung von Versorgungsansprüchen beruhe die Zahlung "auf einer neuen Rechtsgrundlage (nämlich dem Abfindungsvertrag)"; der Anspruch auf Zahlung laufender Versorgungsbezüge sei weggefallen und stattdessen "ein Anspruch auf eine wirtschaftlich andere Leistung, nämlich auf eine Kapitalabfindung begründet worden". Für einen vergleichbaren Sachverhalt wird in dem BFH-Urteil vom 13.Februar 1987 VI R 168/83 (BFH/NV 1987, 574, 577) --insoweit die Entscheidung nicht tragend-- ausgeführt, "durch die Vereinbarung ... - für die Zahlungsmodalität - (sei) eine neue Rechtsgrundlage geschaffen worden". Andererseits betont auch die neuere Rechtsprechung des BFH, daß es für die Annahme einer "neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage" nicht ausreicht, wenn die bisherige vertragliche Grundlage bestehen geblieben ist und sich nur die Zahlungsmodalitäten geändert haben (BFH in BFH/NV 1987, 498; Urteil vom 22.Januar 1988 VI R 135/85, BFHE 152, 461, 470, BStBl II 1988, 525, zur Realisierung des Kapitalwerts eines Wohnrechts im Rahmen eines Abfindungsvergleichs).

Auch nach Auffassung des erkennenden Senats ist es rechtlich unerheblich, ob laufende Zahlungen aufgrund eines vertraglich bereits vorgesehenen Rechts oder aufgrund nachträglicher Vereinbarung kapitalisiert werden. Der Senat sieht in der Entscheidung in BFHE 130, 168, BStBl II 1980, 393 einen sachverhaltsbedingten Sonderfall: Die Versorgungsansprüche des damaligen Klägers drohten deswegen wegzufallen, weil sein Arbeitgeber, ein Verein, sich auflösen wollte; durch den Wegfall nicht nur des Arbeitsverhältnisses, sondern auch des Schuldners als Rechtssubjekt wäre dem Arbeitnehmer ein Schaden entstanden; dies rechtfertigte in jenem Fall die Annahme, daß die Kapitalsumme auf einer neuen Rechts- bzw. Billigkeitsgrundlage gezahlt wurde. Im Falle des BFH-Urteils vom 6.Februar 1987 VI R 229/83 (BFH/NV 1987, 572) war das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit der Wirkung aufgehoben worden, daß die Dienstleistungspflicht des Arbeitnehmers entfiel; auch dadurch wurde für die Abfindungszahlung eine neue Rechtsgrundlage geschaffen. Letzteres ist aber nicht der Fall, wenn das Rechtsverhältnis bestehen bleibt und sich lediglich die Zahlungsmodalität ändert.

So liegt es im Streitfall. Der Erwerber hat die Ablösesumme nicht "für einen Einnahmeausfall", sondern zur Erfüllung des Kaufpreisanspruchs aus dem Kaufvertrag gezahlt.

II. Der Einmalbetrag kann aber in der beantragten Höhe von 233 334 DM gewerblicher Veräußerungserlös sein, der nach näherer Maßgabe des § 16 Abs.2 EStG zu einem nach § 34 Abs.2 Nr.1 EStG begünstigten Veräußerungsgewinn führen kann. Dies gilt ungeachtet dessen, daß R.B. ursprünglich die Versteuerung der wiederkehrenden Bezüge nach ihrem Zufluß gewählt hatte.

1. Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Gewerbebetrieb gegen "wagnisbehaftete" wiederkehrende Bezüge, so kann er wählen zwischen der sofortigen Versteuerung eines begünstigten Veräußerungsgewinns unter Kapitalisierung der Bezüge auf den Zeitpunkt der Veräußerung (Sofortversteuerung nach §§ 16, 34 EStG) und der laufenden Tarifversteuerung der Bezüge als nichtbegünstigte nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Zuflußzeitpunkt (Zuflußversteuerung, § 15 Abs.1, § 24 Nr.2 EStG), sobald und soweit deren Summe den Buchwert i.S. des § 16 Abs.2 Satz 2 EStG zuzüglich Veräußerungskosten übersteigt; entscheidet er sich für letzteres, wird der Freibetrag des § 16 Abs.4 EStG nicht gewährt (sog. Veräußererwahlrecht; BFH-Beschluß vom 21.Dezember 1988 III B 15/88, BFHE 155, 386, BStBl II 1989, 409, mit Nachweisen der Rechtsprechung des BFH; zuletzt BFH-Urteil vom 20.Dezember 1988 VIII R 110/82, BFH/NV 1989, 630; Abschn.139 Abs.12 EStR 1990).

Seine Rechtsgrundlage findet dieses Wahlrecht "in einer teleologischen Reduktion des (zwingenden) Anwendungsbereichs der §§ 16, 34 EStG im Verhältnis zu § 24 Nr.2 EStG" und "im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung" (BFH-Urteil vom 26.Juli 1984 IV R 137/82, BFHE 141, 525, 527, BStBl II 1984, 829, unter Bezugnahme auf die BFH-Urteile vom 30.Januar 1984 IV R 80/70, BFHE 111, 477, 481, BStBl II 1974, 452, und vom 29.Oktober 1974 VIII R 131/70, BFHE 114, 79, 82, BStBl II 1975, 173).

Besteht der Veräußerungspreis in wiederkehrenden Bezügen und einem festen Entgelt, so gibt es das Wahlrecht nur hinsichtlich der wiederkehrenden Bezüge (Entscheidung des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 14.Mai 1930 VI A 705/28, RStBl 1930, 580; BFH-Urteile vom 23.Januar 1964 IV 85/62 U, BFHE 79, 16, 19, BStBl III 1964, 239). Auf das feste Entgelt ist, soweit es den Buchwert des Kapitalkontos und die Veräußerungskosten übersteigt, der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs.1 EStG anzuwenden (BFH-Urteil vom 28.September 1967 IV 288/62, BFHE 90, 324, 327, BStBl II 1968, 76).

Das FG ist in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, daß die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Wahlrechts vorlagen. Diese Annahme, gegen die keine Revisionsrügen vorgetragen worden sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. Für die Frage, ob der Klägerin der begünstigte Steuersatz des § 34 Abs.2 Nr.1 i.V.m. § 16 EStG zusteht, gilt folgendes:

a) Als außerordentliche Gewinne i.S. des § 34 Abs.1 EStG kommen in Betracht u.a. "Veräußerungsgewinne im Sinne des § 16 EStG". Nach § 16 Abs.1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die erzielt werden, "bei der Veräußerung" eines Gewerbebetriebes. Dieses Tatbestandsmerkmal ist hinsichtlich des Ablösebetrages nach dem Gesetzeswortlaut erfüllt. Ungeachtet dessen, daß die "Veräußerung" auf einen bestimmten Zeitpunkt angenommen wird, kann der reale Veräußerungsvorgang ("bei der" Veräußerung) zeitlich gestreckt sein: Wird der Kaufpreis langfristig gestundet oder verrentet, ist die Vereinnahmung dieses Entgelts Teil des Veräußerungsvorgangs; aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, die wiederkehrenden Bezüge als gewerbliche zu behandeln. Auch die Ablösung dieser Bezüge gehört zum Veräußerungsvorgang.

b) Nach zutreffender herrschender Meinung ist der Steuerpflichtige an die Ausübung des Veräußererwahlrechts gebunden (Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 10.Aufl., 1991, § 16 Anm.44a; Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 5 EStG Rdnr.1357; Hörger in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 13.Aufl., § 16 EStG Rdnr.101). Dieser Grundsatz als solcher steht nicht in Frage.

aa) Der RFH hat mit Urteil vom 15.Januar 1936 VI A 454/34 (RFHE 39, 61, RStBl 1936, 553) entschieden: Teilt das FA einem Steuerpflichtigen mit, daß ein Veräußerungsgewinn entsprechend der ratenweisen Zahlung des Veräußerungspreises nach dem Zufluß zur Steuer herangezogen werden soll, und widerspricht der Steuerpflichtige dem nicht, so kann er in späteren Jahren nach Treu und Glauben nicht mehr geltend machen, daß der Veräußerungsgewinn nur im --zwischenzeitlich bestandskräftig veranlagten-- Jahr der Veräußerung hätte besteuert werden dürfen. Unter Bezugnahme hierauf führt das BFH-Urteil vom 20.Januar 1959 I 200/58 U (BFHE 68, 500, 504, BStBl III 1959, 192) beiläufig aus: Die Frage, ob ein Veräußererwahlrecht bestehe, liege in erheblichem Umfang auf tatsächlichem Gebiet; man werde deshalb dort, wo der Steuerpflichtige zur Erlangung der Ermäßigung nach § 34 EStG Kaufpreisraten behaupte, ihm folgen müssen; für spätere Jahre sei er jedoch an seine Wahl gebunden. Unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil in BFHE 68, 500, BStBl III 1959, 192 hat der I.Senat des BFH in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 27.Juli 1977 I R 174/74 bemerkt, daß der Steuerpflichtige an die einmal getroffene Wahl für die folgenden Jahre gebunden sei. In jenem Urteil war die Frage entscheidungserheblich, ob die Ablösung von (der Versorgung des Veräußerers dienenden) langfristigen Kaufpreisraten im Zeitpunkt des Zuflusses steuerbar ist. Der BFH hat dies bejaht; die Aussage zur Bindung an das Veräußererwahlrecht war nicht entscheidungserheblich, da das FA die Ablösesumme als tarifbegünstigte Entschädigung i.S. des § 24 Nr.1 Buchst.a EStG angesehen hatte.

bb) Nach Auffassung des erkennenden Senats kann die Frage, ob und inwieweit der Steuerpflichtige, der ein Wahlrecht ausgeübt hat, an die ausgeübte Wahl gebunden ist, nicht allgemein und für alle in Betracht kommenden Fälle einheitlich beantwortet werden. Sofern diese Frage nicht unmittelbar aus dem Gesetz beantwortet werden kann --etwa aus dem handelsrechtlichen Stetigkeitsgebot (§ 252 Abs.1 Nr.6 des Handelsgesetzbuches --HGB--) oder aus den steuerrechtlichen Grundsätzen der Bewertungsstetigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 14.April 1988 IV R 96/86, BFHE 153, 138, 141, BStBl II 1988, 672)-- kommt es auf die materiell-rechtliche Eigenart und Wirkungsweise des einzelnen Wahlrechts an. Im vorliegenden Zusammenhang ist entscheidend: Bei Besteuerungstatbeständen, die über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg um der materiell-rechtlichen Folgerichtigkeit willen nach einheitlichen Maßstäben zu beurteilen sind, darf das dem Gesetz entsprechende steuerrechtliche Gesamtergebnis nicht dadurch in Frage gestellt werden, daß in späteren Jahren die Bindung an die getroffene Wahl ungeachtet einer zwischenzeitlich bestandskräftig durchgeführten Veranlagung aufgehoben wird.

cc) R.B. hatte die Versteuerung der wiederkehrenden Bezüge nach ihrem Zufluß gewählt. Die sich hieraus ergebenden steuerrechtlichen Folgerungen werden für die Vorjahre und das Streitjahr nicht in Frage gestellt. Die Wahl der Zuflußbesteuerung ist jedoch gegenstandslos, nachdem der Restkaufpreis durch eine Einmalzahlung abgelöst worden ist. Die Gründe für die teleologische Einschränkung des § 16 EStG (oben II.1.) sind für den konkreten Steuerfall mit Wirkung für die Zukunft entfallen. Die Nachholung der tarifbegünstigten Versteuerung führt weder dazu, daß steuerpflichtiges Einkommen nicht erfaßt würde, noch daß die Bestandskraft von Verwaltungsakten negiert würde. Hätten die Vertragspartner von vornherein eine größere Einmalzahlung und zugleich eine sog. Zeitrente vereinbart, hätte dies kumulativ zu einer tarifbegünstigten Versteuerung eines Veräußerungsgewinns und zur Versteuerung der laufenden Zahlungen nach ihrem Zufluß geführt (oben II.1.). Im Streitfall liegt lediglich die Besonderheit vor, daß die tarifbegünstigte Erfassung des Einmalbetrages der Besteuerung der wiederkehrenden Zahlungen zeitlich nachfolgt.

Es darf mithin keinen Unterschied machen, ob die Zuflußbesteuerung der wiederkehrenden Bezüge von vornherein oder später eingeschränkt wird (so im Ergebnis schon Hermstädt, Finanz- Rundschau 1976, 289). Allerdings kann der Steuerpflichtige im letzteren Fall dann günstiger stehen, wenn der Buchwert des veräußerten Betriebsvermögens zunächst mit den zum Normaltarif zu versteuernden wiederkehrenden Zahlungen verrechnet und nicht durch das Einstellen in die Berechnung des Veräußerungsgewinns (§ 16 Abs.2 EStG) ganz oder zum Teil "verbraucht" wird. Um in beiden Fällen ein gleiches steuerrechtliches Gesamtergebnis zu gewährleisten, muß die Tarifbegünstigung des § 34 Abs.1 EStG für den Teil des Ablösebetrages entfallen, welcher der dem Gesamtvolumen des mit den wiederkehrenden Bezügen verrechneten Buchwertes entspricht.

3. Da § 34 Abs.1 und 2 EStG der Tarifprogression entgegenwirken will, ist die Anwendung der Vorschrift nur berechtigt, wenn eine Zusammenballung von Einnahmen vorliegt, die sich bei anderem Geschäftsverlauf auf mehrere Jahre verteilt hätten (BFH- Urteil vom 17.Dezember 1982 III R 136/79, BFHE 137, 345, BStBl II 1983, 221 m.w.N.). Eine solche Zusammenballung liegt nicht vor, wenn ein Veräußerungsgewinn in mehreren Veranlagungszeiträumen erfaßt wird. Die Anwendung des § 34 Abs.2 Nr.1 EStG auf die Ablösesumme kommt danach nicht in Betracht, wenn eine Einmalzahlung im Veräußerungsjahr tarifbegünstigt versteuert worden sein sollte.

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird prüfen, wie die im Jahre 1973 gewährte Einmalzahlung steuerrechtlich behandelt worden ist. Ggf. wird zu ermitteln sein, in welcher Höhe der Ablösebetrag tarifbegünstigt zu versteuern ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63672

BFH/NV 1991, 73

BFHE 165, 75

BFHE 1992, 75

BB 1991, 2353

BB 1991, 2353-2355 (LT)

DB 1991, 2368-2371 (LT)

DStR 1991, 1381 (KT)

HFR 1992, 8 (LT)

StE 1991, 355 (K)

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