Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu der Auswirkung der Änderung eines Gewinnverteilungsbeschlusses auf die Herstellung der Ausschüttungsbelastung

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 1 KStG 1977 ist erst mit dem Abfluß der Gewinnteile (Dividenden) bei der Kapitalgesellschaft verwirklicht. Die Ausschüttungsbelastung entsteht erst in diesem Augenblick.

2. Verluste, die eine Kapitalgesellschaft gemäß § 10 d EStG abzieht, sind im Abzugsjahr unabhängig von ihrem Ansatz in dem das Verlustentstehungsjahr betreffenden Körperschaftsteuerbescheid zu ermitteln (Abweichung von BFH-Beschluß vom 18. Mai 1983 I R 263/82, BFHE 138, 409, BStBl II 1983, 602).

 

Normenkette

KStG 1977 § 8 Abs. 3-4, § 27 Abs. 1, 3, § 29 Abs. 1, §§ 41, 44, 47 Abs. 2 S. 2; EStG §§ 10d, 43-44

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Gesellschafter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) beschlossen am 30. November 1982, von dem Gewinn des Geschäftsjahres 1981 einen Betrag in Höhe von 67 744,82 DM am 1. Dezember 1982 auszuschütten. Im Jahre 1983 änderten die Gesellschafter ihren Beschluß vom 30. November 1982 dahin, daß sie auf die Vollausschüttung des Gewinns 1981 verzichteten und dessen Verrechnung mit dem im Geschäftsjahr 1982 erlittenen Verlust vorsahen. Am 11. Oktober 1983 erläuterten die Gesellschafter der Klägerin ihren geänderten Beschluß dahin, daß der nach Verrechnung mit dem Verlust 1982 verbleibende Gewinn 1981 ausgeschüttet werden solle.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) legte der Körperschaftsteuerfestsetzung 1981 den zuerst gefaßten Ausschüttungsbeschluß vom 30. November 1982 zugrunde. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 138 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 8 Abs. 4 KStG 1977 kann der Verlustrücktrag nach § 10 d Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei Kapitalgesellschaften nur insoweit vorgenommen werden, als das Einkommen der Kapitalgesellschaft im Abzugsjahr den ausgeschütteten Gewinn übersteigt, der sich vor Abzug der Körperschaftsteuer ergibt und für den die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist. Unter dem Einkommen einer Kapitalgesellschaft i. S. des § 8 Abs. 4 KStG 1977 ist nach der Systematik der Vorschrift der Betrag zu verstehen, der - ggf. nach Abzug eines Verlustes gemäß § 10 d EStG und/oder gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG) aus einem anderen Veranlagungszeitraum als demjenigen, dessen Verlust der Berechnung des Verlustrücktrags zugrunde liegt - als Bemessungsgrundlage für die tarifliche Körperschaftsteuer verbleibt. Abzugsjahr ist jeweils der Veranlagungszeitraum, für den der Verlustrücktrag geltend gemacht wird. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, begehrt die Klägerin den Rücktrag eines in 1982 erlittenen Verlustes auf den Veranlagungszeitraum 1981. Damit ist der Veranlagungszeitraum 1981 das Abzugsjahr i. S. des § 8 Abs. 4 KStG 1977.

2. Nach § 8 Abs. 4 KStG 1977 sind von dem Einkommen im Abzugsjahr die ausgeschütteten Gewinne abzuziehen. Unter die ausgeschütteten Gewinne im Sinne der Vorschrift fallen nur solche, die i. S. des § 27 Abs. 1 und 3 KStG 1977 ausgeschüttet wurden und für die deshalb die sog. Ausschüttungsbelastung nach § 27 KStG 1977 herzustellen ist. Dies folgt einmal aus dem Begriff ,,Ausschüttung", der auf eine Handlung der Kapitalgesellschaft hindeutet. Zum anderen ergibt sich dies aus der Bezugnahme in § 8 Abs. 4 KStG 1977 auf § 27 KStG 1977. Unter der Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 1 KStG 1977 kann nur eine Leistung der Kapitalgesellschaft an ihre(n) Anteilseigner in Erfüllung eines Gewinnverteilungsbeschlusses oder in Vollzug einer verdeckten Gewinnausschüttung verstanden werden. Die Ausschüttung ist deshalb erst mit dem entsprechenden Vermögensabfluß verwirklicht. Solange der Vermögensabfluß noch nicht verwirklicht ist, darf die Ausschüttungsbelastung noch nicht hergestellt werden. In dieser Zeit können zuvor gefaßte Gewinnverteilungsbeschlüsse geändert und aufgehoben werden, ohne daß sich dies auf die Anwendung der §§ 8 Abs. 4 und 27 Abs. 1 KStG 1977 auswirkt. Ein Verstoß gegen das steuerrechtliche Rückwirkungsverbot scheidet schon deshalb aus, weil der Tatbestand, an den § 27 Abs. 1 KStG 1977 die Herstellung der Ausschüttungsbelastung knüpft, noch nicht verwirklicht war. Im übrigen ist die Änderung des Gewinnverteilungsbeschlusses körperschaftsteuerrechtlich auch deshalb unerheblich, weil § 27 Abs. 1 KStG 1977 nicht auf den Beschluß als solchen, sondern auf dessen tatsächliche Erfüllung abstellt. Deshalb erübrigen sich auch Ausführungen zu der Frage, ob die Änderung des Gewinnverteilungsbeschlusses 1981 gesellschaftsrechtlich zulässig oder ob sie willkürlich war.

3. Seine unter Nr. 2 dargelegte Rechtsauffassung stützt der Senat einmal darauf, daß das KStG 1977 und das EStG 1977 in ihrem rechtlichen Zusammenwirken ein System der sachlichen Kongruenz zwischen der Herstellung der Ausschüttungsbelastung bei der Kapitalgesellschaft und der Besteuerung der Ausschüttung sowie der Anrechnung des Körperschaftsteuerguthabens beim Anteilseigner erkennen lassen (vgl. Wrede in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 27 KStG - grüne Blätter -, Allg. Erläut. Anm. D IV; Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, § 27 KStG Anm. 45). Danach korrespondiert die Herstellung der Ausschüttungsbelastung sachlich mit der Besteuerung der Ausschüttung beim Anteilseigner als Einkünfte aus der Beteiligung und umgekehrt (vgl. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 36 Abs. 2 Nr. 3, § 36 a, § 36 e EStG). Entsprechend bringt der in § 27 Abs. 1 KStG 1977 verwendete Begriff der Gewinnausschüttung zum Ausdruck, daß darunter nur solche Vorteilszuwendungen der Kapitalgesellschaft an ihre(n) Anteilseigner fallen können, die die Eignung haben, Einnahme i. S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG zu sein. Der Gesetzgeber hat lediglich auf eine zeitliche Kongruenz zwischen der Herstellung der Ausschüttungsbelastung und dem Zufluß der Ausschüttung bzw. der Anrechnung des Körperschaftsteuer-Guthabens beim Anteilseigner verzichtet und § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG mit einer Fiktion ausgestaltet, die die zeitliche Kongruenz entbehrlich macht. Aus der Forderung nach sachlicher Kongruenz zwischen Herstellung der Ausschüttungsbelastung und Ausschüttungszufluß beim Anteilseigner folgt, daß die Ausschüttungsbelastung nicht herzustellen ist, wenn offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen bei der Kapitalgesellschaft lediglich als Verpflichtung gegenüber dem Anteilseigner passiviert werden. Aus diesem Grunde hält der Senat auch nicht mehr an seinem Hinweis in dem Urteil vom 9. Oktober 1985 I R 193/84 (BFHE 144, 565, BStBl II 1986, 93) fest, daß Ausschüttungsverpflichtungen das Eigenkapital mindern.

Der Senat fühlt sich in seiner Auffassung durch den Wortlaut der §§ 41 und 44 KStG 1977 bestätigt (ebenso: Wrede in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 27 Abs. 3 KStG Anm. D I). Beide Vorschriften sprechen von Leistungen, die die Kapitalgesellschaft bewirkt bzw. erbringt und die bei dem Empfänger Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG sind. Für die Auffassung des Senats spricht auch § 19 Abs. 3 KStG 1975. Dort wurden die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen als die aufgrund eines Gewinnverteilungsbeschlusses vorgenommenen Gewinnausschüttungen definiert. § 27 Abs. 3 KStG 1977 unterscheidet in ähnlicher Weise zwischen dem Gewinnverteilungsbeschluß und der Gewinnausschüttung. Auch im übrigen ist die neue Rechtslage mit dem Regelungsinhalt des § 19 Abs. 3 KStG 1975 vergleichbar.

4. a) Der Senat folgt nicht der von Döllerer (Betriebs-Berater - BB - 1979, 57, und Deutsches Steuerrecht - DStR - 1980, 395), von Lempenau (BB 1977, 1209), von Reuter (DStR 1983, 320), von Kläschen/Krüger (Körperschaftsteuer, Kommentar, 2. Aufl., Bonn 1984, § 29 Anm. 72), von Frotscher/Maas (Körperschaftsteuergesetz 1977, Freiburg, § 27 Anm. 42 und 85 ff., § 30 Anm. 155), von Felix/Streck (Körperschaftsteuergesetz 1977, 2. Aufl., München 1984, § 27 Anm. 10) und von Pezzer (Die verdeckte Gewinnausschüttung im Körperschaftsteuerrecht, Köln 1986, 125 ff., 127) vertretenen Auffassung, wonach es für die Frage, ob und wann eine Gewinnausschüttung das verwendbare Eigenkapital verringert, auf das Bilanzrecht ankommen soll.

Er folgt auch nicht der von der Finanzverwaltung in Abschn. 77 Abs. 4 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1977 (= Abschn. 77 Abs. 5 KStR 1985), Dötsch/Eversberg/Jost/Witt (a.a.O., Stuttgart, § 27 KStG Anm. 71), Lang (Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht - JbFSt - 1984/85, 515, und Finanz-Rundschau - FR - 1984, 629, FN 19), Winter (FR 1977, 273), Ebert (BB 1984, 1221) und Flockermann/Sarrazin/Krebs (DStR 1982, 156, 161) vertretenen Auffassung, wonach eine Gewinnausschüttung i. S. des § 27 Abs. 1 KStG 1977 schon dann vorliegt, wenn die Kapitalgesellschaft zur Einbehaltung der Kapitalertragsteuer nach §§ 43 und 44 EStG verpflichtet ist. In §§ 43 und 44 EStG knüpft das Gesetz für den Kapitalertragsteuerabzug auf den Zufluß der Ausschüttung beim Anteilseigner an. In § 27 Abs. 1 KStG 1977 ist dagegen von einer Ausschüttung die Rede. Der Begriff drückt eine Handlung der Kapitalgesellschaft aus. Deshalb ist auf den Vermögensabfluß bei der Kapitalgesellschaft abzustellen. Zwar hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 11. Juli 1973 I R 144/73 (BFHE 109, 566, BStBl II 1973, 806) unter Hinweis auf den Zufluß beim Anteilseigner zu § 19 Abs. 3 KStG 1965 entschieden, daß Gewinnausschüttungen im Sinne der Vorschrift vorgenommen sind, wenn sie dem Gesellschafter auf den Verrechnungskonten der Gesellschaft gutgeschrieben sind. Auch hält er an dieser Auffassung für die Anwendung des § 27 KStG 1977 fest, wenn ein Dividendenanspruch in einen Darlehensanspruch vertraglich umgewandelt wird. Jedoch kam es in BFHE 109, 566, BStBl II 1973, 806 auf die Unterschiede zwischen der Abfluß- und der Zuflußtheorie nicht an. Es hätte genügt, wenn der erkennende Senat damals die einem Gesellschafter auf einem Verrechnungskonto gutgeschriebenen Gewinnausschüttungen als bei der Gesellschaft abgeflossen beurteilt hätte. Dann aber kann die damals getroffene Entscheidung nicht zur Auslegung des § 27 Abs. 1 KStG 1977 herangezogen werden. Im übrigen hat der Senat schon in seinem Urteil vom 19. Dezember 1985 I R 222/81 (BFHE 146, 43, BStBl II 1986, 451) entschieden, daß § 44 EStG eine Sondervorschrift ist, die den Zufluß der Ausschüttung beim Anteilseigner teilweise abweichend von den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen speziell für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs regelt. Aus diesem Grunde kann auch umgekehrt § 44 EStG nicht herangezogen werden, wenn der Abfluß einer Ausschüttung bei der Kapitalgesellschaft nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zu bestimmen ist.

b) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist auch das BFH-Urteil vom 30. April 1974 VIII R 123/73 (BFHE 112, 355, BStBl II 1974, 541) nicht einschlägig für die hier interessierende Problematik. Das Urteil ist zu dem Zufluß von Ausschüttungen beim beherrschenden Anteilseigner ergangen. Es wird wesentlich von der Überlegung getragen, daß es dem beherrschenden Gesellschafter nicht überlassen bleiben darf, auf der einen Seite für die Gesellschaft den begünstigten Körperschaftsteuersatz in Anspruch zu nehmen und auf der anderen Seite die einkommensteuerliche Erfassung der Ausschüttung als Einnahme beliebig hinauszuschieben. Diese Überlegung hat die Forderung nach zeitlicher Kongruenz zwischen dem Abfluß der Ausschüttung bei der Kapitalgesellschaft und dem Zufluß beim beherrschenden Anteilseigner für einen Ausnahmefall begründet. Seit dem 1. Januar 1977 ist jedoch die rechtliche Ausgangssituation eine wesentlich andere, weil die Besteuerung beim Anteilseigner mit dem Vorteil der Anrechnung des Körperschaftsteuerguthabens verbunden ist. Die Befürchtung, der Anteilseigner werde den Zufluß aus einkommensteuerrechtlichen Gründen hinausschieben, ist in der bisherigen Form nicht mehr gerechtfertigt. Deshalb muß die Ausschüttung bei der Kapitalgesellschaft dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 KStG 1977 entsprechend losgelöst von dem Zufluß beim Anteilseigner beurteilt werden.

5. Kommt es mithin für die inhaltliche Bestimmung der ausgeschütteten Gewinne i. S. des § 8 Abs. 4 KStG 1977 nur auf die Leistungen der Klägerin an ihre Anteilseigner an, die aus ihrem Vermögen abgeflossen sind, so ist in tatsächlicher Hinsicht entscheidungserheblich, ob die am 30. November 1982 von den Gesellschaftern der Klägerin für das Geschäftsjahr 1981 beschlossene Gewinnausschüttung zu einem entsprechenden Vermögensabfluß geführt hat. Von einem entsprechenden Vermögensabfluß wäre auszugehen, wenn die Ausschüttung an die Gesellschafter ausgezahlt worden oder wenn sie einvernehmlich in Darlehen der Gesellschafter an die Klägerin umgewandelt worden sein sollte. Die Vorentscheidung enthält diesbezüglich nicht die notwendigen tatsächlichen Feststellungen. Sie ist deshalb aufzuheben. Die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen, ist Sache des FG. Deshalb ist die Sache an dasselbe zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415489

BFH/NV 1988, 524

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