Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlungen für Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. von § 17 EStG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zahlungen aufgrund einer Bürgschaftsinanspruchnahme können zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S. von § 17 EStG führen, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist nur dann gegeben, wenn und insoweit die Übernahme der Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis kann nicht allein aus der Unentgeltlichkeit einer Bürgschaftsübernahme gefolgert werden.

2. Verlängert der Gesellschafter nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft eine zuvor übernommene und bereits eigenkapitalersetzend gewordene Bürgschaft und besteht die Krise der Gesellschaft auch noch nach seinem Ausscheiden fort, so können Zahlungen aufgrund der späteren Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S. von § 17 EStG führen.

 

Normenkette

EStG § 17

 

Verfahrensgang

FG Köln (Dok.-Nr. 0145385; EFG 1998, 738)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis zum 5. Dezember 1988 mit einem Nominalanteil von 25 000 DM zu 50 % an der I-GmbH (im folgenden GmbH) beteiligt und hielt diese Beteiligung im Privatvermögen.

Im Jahr 1985 nahm die GmbH bei der K-Bank ein Darlehen über 640 000 DM auf. Für dieses Darlehen übernahm der Kläger am 8. November 1985 unentgeltlich eine Bürgschaft. Die GmbH befand sich zu diesem Zeitpunkt nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Nach einer Umschuldung des Darlehens von der K-Bank auf die D-Bank im Jahr 1986 bestand die Bürgschaft inhaltlich unverändert nunmehr gegenüber der D-Bank fort.

Nachdem die GmbH am 19. April 1985 und 29. April 1988 zwei Darlehen bei der S-Bank aufgenommen hatte, verbürgte sich der Kläger am 30. Juni 1988 für beide Darlehen unentgeltlich und selbstschuldnerisch. Nach den Feststellungen des FG hätte die GmbH zu diesem Zeitpunkt eine Bürgschaft von einem Dritten nicht mehr erhalten. In der Folgezeit verlängerte der Kläger seine Bürgschaft wiederholt, letztmalig am 26. April 1990.

Bereits zuvor, am 5. Dezember 1988, hatte der Kläger, zugleich als vollmachtloser Vertreter für den Erwerber, seine Beteiligung an der GmbH zum Kaufpreis von 1 DM an D übertragen; die Genehmigung hatte D am 19. Dezember 1988 erteilt.

Im Jahr 1990 ging die GmbH in Konkurs. Im selben Jahr wurde der Kläger von der S-Bank in Höhe von insgesamt 179 367,69 DM aus seiner gegenüber der S-Bank erteilten Bürgschaft in Anspruch genommen. Im Jahr 1992 nahm schließlich die D-Bank den Kläger als Bürgen in Höhe von 67 218 DM in Anspruch. Realisierbare Rückgriffsansprüche des Klägers gegen die GmbH oder gegen Dritte bestanden nicht.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 1988 aus der Übertragung der GmbH-Anteile nur einen Veräußerungsverlust gemäß § 17 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 204 366,99 DM, indem er vom Verkaufserlös von 1 DM die Anschaffungskosten in Höhe von 25 000 DM sowie als nachträgliche Anschaffungskosten die aufgrund der Inanspruchnahme durch die S-Bank geleisteten Zahlungen in Höhe von 179 367,69 DM abzog.

Am 1. Juni 1994 beantragte der Kläger, die aufgrund der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft an die D-Bank geleisteten Zahlungen in Höhe von 67 218 DM als weitere nachträgliche Anschaffungskosten gemäß § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen und den Einkommensteuerbescheid 1988 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu ändern. Nach erfolglosem Vorverfahren gab das FG der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1998, 738).

Mit der --vom FG zugelassenen-- Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 2 EStG). Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen seine Entscheidung, daß dem Kläger in Höhe seiner Inanspruchnahme aus der gegenüber der D-Bank erteilten Bürgschaft weitere nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 67 218 DM i.S. von § 17 Abs. 2 EStG entstanden sind, nicht.

1. Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn bzw. Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer am Kapital der Gesellschaft innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Senat geht mit den Beteiligten davon aus, daß der Verkehrswert der im Dezember 1988 übertragenen GmbH-Anteile den vereinbarten Kaufpreis von 1 DM nicht überstieg, so daß es sich bei der Übertragung der Anteile um ein vollentgeltliches Geschäft und damit um eine Veräußerung i.S. von § 17 Abs. 1 EStG handelte (vgl. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 1. August 1996 VIII R 4/92, BFH/NV 1997, 215).

2. Die Auffassung des FG, bei der Ermittlung des Veräußerungsverlustes i.S. von § 17 Abs. 2 EStG seien die an die D-Bank geleisteten Zahlungen in Höhe von 67 218 DM als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen, wird von den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht gedeckt.

a) Zu den bei der Ermittlung eines Veräußerungsverlustes gemäß § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigenden Anschaffungskosten einer Beteiligung gehören auch nachträgliche Aufwendungen, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats nur dann gegeben, wenn und insoweit die vom Gesellschafter getätigte Finanzierungsmaßnahme eigenkapitalersetzenden Charakter hat (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 24. April 1997 VIII R 23/93, BFHE 183, 397, BStBl II 1999, 342, unter II. 2. a der Gründe). Das damit verbundene Haftungsrisiko rechtfertigt es, eigenkapitalersetzende Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters in der Frage der Anschaffungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 EStG den gesellschaftsrechtlichen Einlagen gleichzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1984 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320).

Die Bürgschaftsübernahme ist im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) eigenkapitalersetzend, wenn die Bürgschaft zu einem Zeitpunkt übernommen wird, in dem sich die Gesellschaft bereits in der sog. Krise befindet oder wenn die Bürgschaft (auch) für den Fall der Krise bestimmt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 26. Januar 1999 VIII R 32/96, BFH/NV 1999, 922, unter 2. d der Gründe, m.w.N.; vgl. --zur krisenbestimmten Finanzierungshilfe-- BGH, Urteil 9. März 1992 II ZR 168/91, Der Betrieb --DB-- 1992, 981). Diesen in der Krise übernommenen Bürgschaften und krisenbestimmten Bürgschaften stehen die sog. Finanzplanbürgschaften gleich, die vom Gesellschafter im Rahmen eines erkennbaren Finanzplans übernommen worden sind (BFH, Urteil vom 26. Januar 1999 VIII R 50/98, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 977, unter 2. b der Gründe). Weiterhin kann eine Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter erlangen, wenn sie zu einem Zeitpunkt übernommen wurde, in dem sich die Gesellschaft noch nicht in der Krise befand, sie aber bei Eintritt der Krise stehengelassen wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 397, BStBl II 1999, 342, unter 2. b der Gründe).

Hingegen setzt --entgegen der Auffassung des FA, das sich auf den Beschluß des Großen Senats zum Forderungsverzicht als Einlage eines Gesellschafters (Beschluß vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307) beruft-- die Anerkennung nachträglicher Anschaffungskosten aufgrund der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft nicht einen als Einlage zu qualifizierenden Verzicht des Gesellschafters voraus. Die Entscheidung des Großen Senats ist nur zum Forderungsverzicht ergangen und berührt die Grundsätze zur Bewertung nachträglicher Anschaffungskosten auf eine Beteiligung nicht (BFH, Urteil vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348, unter 3. d der Gründe; BFH-Urteil in DStR 1999, 977, unter 2. d der Gründe).

b) Entgegen der Auffassung des FG kann die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis nicht allein aus der Unentgeltlichkeit der Bürgschaftsübernahme gefolgert werden.

Zwar wird nach der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung der FG, der Finanzverwaltung und der Literatur schon allein die unentgeltliche Übernahme einer Bürgschaft als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt angesehen (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 7. Dezember 1995 10 K 5373/91 E, EFG 1996, 228; FG Berlin, Urteil vom 10. Juni 1996 VIII 96/95, EFG 1996, 1036; Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 17 Rdnr. 175; Lademann/Jäschke, Einkommensteuergesetz, § 17 Rdnr. 243 a.E.; Reis, DStR 1998, 1669 und DStR 1997, 1021, 1023; Degen, DStR 1996, 1749, 1752; Meermann, Steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 1988, 110, 113; Oberfinanzdirektion --OFD-- München vom 30. April 1996 S 2244-8 St 42, GmbH-Rundschau 1996, 558; OFD Düsseldorf vom 1. Februar 1989 S 2244 A - St 11 H 1, DB 1989, 702; wohl auch: Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 17 Rdnr. 100 b; Hörger in Littmann/Bitz/ Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 17 EStG Rdnr. 60; Herzig/ Förster, DB 1997, 594, 596 f.; Gosch, StBp 1997, 108; Steemann, DStR 1984, 507, 509; differenzierend: Blümich/Ebling, Einkommensteuergesetz, § 17 EStG Rdnr. 224 a, der die Unentgeltlichkeit nur als Indiz für die gesellschaftsrechtliche Veranlassung ansieht; offengelassen: FG München, Urteil vom 26. April 1994 16 K 3526/89, EFG 1994, 967, nicht rechtskräftig, Revision VIII R 34/94). Begründet wird dies vorwiegend damit, daß ein fremder Dritter ohne Entgelt und ohne gesicherten Rückgriffsanspruch nicht bereit wäre, das Bürgschaftsrisiko einzugehen (vgl. Urteil des FG Berlin in EFG 1996, 1036).

Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist --wie ausgeführt-- allein danach zu bestimmen, ob die Finanzierungsmaßnahme eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Entscheidendes Tatbestandsmerkmal im Kapitalersatzrecht ist die in § 32a Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG-- i.d.F. des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. April 1998 (BGBl I 1998, 786) genannte "Krise"; die Krise wird danach als der Zeitpunkt definiert, in dem die Gesellschafter der Gesellschaft "als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten". Ob die Gesellschaft in eine Krise geraten ist, insbesondere ob sie noch als kreditwürdig anzusehen ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Hachenburg/Ulmer, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, § 32a, b Rdnr. 54, m.w.N.; von Gerkan/Hommelhoff, Kapitalersatz im Gesellschafts- und Insolvenzrecht, 5. Aufl., Rdnrn. 3.17 bis 3.46; vgl. auch Senatsurteil vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90, BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333, unter 1. b der Gründe). Nur in diesem Zusammenhang, d.h. bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals "Krise", kann den Konditionen der Finanzierungsmaßnahme und damit auch der Unentgeltlichkeit einer Bürgschaftsübernahme Bedeutung zukommen (vgl. --zu Darlehenskonditionen bei Gesellschafterdarlehen-- BGH, Urteil vom 27. November 1989 II ZR 43/89, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 1990, 98, unter 2. der Gründe; von Gerkan/Hommelhoff, a.a.O., Nr. 3.3.5; Hachenburg/Ulmer, a.a.O., § 32a Rdnr. 54; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 14. Aufl., § 32a/b Rdnr. 24; zweifelnd: Scholz/ K. Schmidt, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 8. Aufl., § 32a, b Rdnr. 37). Zu Unrecht hat das FG aber das Vorliegen einer Krise der GmbH und damit den eigenkapitalersetzenden Charakter der Finanzierungshilfe des Klägers nicht geprüft, sondern stattdessen allein aus der Unentgeltlichkeit der Bürgschaftsübernahme eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis gefolgert.

c) Das FG wird im weiteren Rechtszug --unter Berücksichtigung der unter 2. a der Gründe gemachten Ausführungen-- prüfen müssen, ob und ggf. von welchem Zeitpunkt an die vom Kläger übernommene Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hatte. Ein eigenkapitalersetzender Charakter der noch vor Eintritt der Krise am 8. November 1985 übernommenen Bürgschaft wäre zu bejahen, wenn die Bürgschaft entweder von vornherein krisenbestimmt war bzw. im Rahmen eines Finanzplans übernommen wurde oder aber bei Eintritt der Krise vom Kläger stehengelassen wurde.

Hinsichtlich der Höhe nachträglicher Anschaffungskosten ist dabei auf die Grundsätze zurückzugreifen, die der BFH bezüglich eigenkapitalersetzender Darlehen entwickelt hat; diese Grundsätze sind mit der Maßgabe anwendbar, daß statt des Wertes des Rückforderungsanspruchs aus dem Darlehen auf den Wert der Rückgriffsforderung aus der Bürgschaft abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 397, BStBl II 1999, 342, unter 2. a und b der Gründe; BFH-Urteil in DStR 1999, 977, unter 2. d der Gründe). Gelangt das FG zu der Feststellung, daß die Bürgschaft von vornherein krisenbestimmt war (zum Begriff der Krisenbestimmtheit bei Finanzierungsmaßnahmen von Gesellschaftern vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339, unter 3. c der Gründe, m.w.N.) oder aber im Rahmen eines erkennbaren Finanzplans vom Kläger übernommen worden ist (zur Finanzplanbürgschaft vgl. BFH-Urteil in DStR 1999, 977), so ist der Nennwert der wertlos gewordenen Rückgriffsforderung aus der für die Gesellschaft übernommenen Bürgschaft anzusetzen (BFH-Urteil in DStR 1999, 977, unter 2. d der Gründe; BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 922, unter 2. d der Gründe).

Stellt hingegen das FG im weiteren Rechtszug fest, daß die Bürgschaft des Klägers erst durch das Stehenlassen bei Kriseneintritt eigenkapitalersetzend geworden ist, so ist die Rückgriffsforderung mit ihrem gemeinen Wert zu diesem Zeitpunkt anzusetzen (vgl. --für den Fall eines bei Kriseneintritt stehengelassenen Darlehens-- BFH, Urteil vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344, unter 2. b der Gründe; BFH-Urteil in BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348, unter 2. b der Gründe). Nicht abzustellen ist in diesem Fall hingegen auf den Wert der im Zeitpunkt des Kriseneintritts gegenüber dem Gläubiger bestehenden Bürgschaftsschuld, die sich aufgrund des bis zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Wertverfalles des Fremddarlehens (Ausfallbetrag) ergibt. Denn damit bliebe unberücksichtigt, daß der bis zum Kriseneintritt eingetretene Wertverfall des Fremddarlehens, für den der Gesellschafter als Bürge einstehen muß, keinen Bezug zum Kapitalersatzrecht aufweist, weil der Wertverfall in einem Zeitraum eingetreten ist, in dem weder das Fremddarlehen noch die Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter aufwiesen. Weiterhin würde das Abstellen auf den Ausfallbetrag außer Acht lassen, daß erst die Wertlosigkeit des Rückgriffsanspruchs des Gesellschafters --und nicht der Wertverfall des Fremddarlehens-- zu Aufwendungen und damit zu nachträglichen Anschaffungskosten des Gesellschafters führt. Schließlich würde der Ansatz der Bürgschaftsschuld im Zeitpunkt des Kriseneintritts zu einer Ungleichbehandlung zwischen stehengelassenen Gesellschafterdarlehen und stehengelassenen Bürgschaften führen, obwohl sowohl gesellschaftsrechtlich (§ 32a Abs. 1 und § 32a Abs. 2 GmbHG) als auch steuerrechtlich (vgl. hierzu BFH, Beschluß vom 19. Februar 1999 VIII B 77/98, BFH/NV 1999, 929) eine Gleichbehandlung beider Finanzierungsmaßnahmen geboten ist.

3. Gelangt das FG im zweiten Rechtszug zu dem Ergebnis, daß dem Kläger wegen seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft durch die D-Bank nachträgliche Anschaffungskosten entstanden sind, so ist eine Saldierung mit den vom FA bereits anerkannten nachträglichen Anschaffungskosten, die aus der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft durch die S-Bank resultieren, nicht vorzunehmen.

Der Umstand, daß der Kläger die gegenüber der S-Bank erteilte Bürgschaft noch nach seinem Ausscheiden aus der GmbH, nämlich am 26. April 1990, verlängert hat, steht der Annahme nachträglicher Anschaffungskosten nicht entgegen. Zwar kann eine erstmalig nach dem Ausscheiden des Gesellschafters getätigte Finanzierungsmaßnahme nicht eigenkapitalersetzend sein, weil die Regelungen des Kapitalersatzrechts gemäß §§ 32a, 32b GmbHG die Gesellschaftereigenschaft voraussetzen und infolge der Beendigung der Gesellschafterstellung eine Verpflichtung des ausgeschiedenen Gesellschafters zur hinreichenden Kapitalausstattung der GmbH nicht mehr besteht (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1986 II ZR 58/86, DB 1987, 159, unter 2. b der Gründe; zum Ausschluß nachträglicher Anschaffungskosten bei Bürgschaftsübernahme nach Veräußerung der Geschäftsanteile vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 1989 8 K 141/85, EFG 1989, 459; Blümich/ Ebling, a.a.O., § 17 Rdnr. 224 a; Hörger in Littmann/Bitz/ Hellwig, a.a.O., § 17 EStG Rdnr. 60; Apitz, Finanz-Rundschau 1992, 124, 128; OFD Düsseldorf in DB 1989, 702, Tz. 2.1). Um eine erstmalige Finanzierungsmaßnahme handelt es sich aber nicht, wenn der Gesellschafter nach seinem Ausscheiden eine zuvor getätigte und bereits eigenkapitalersetzende Finanzierungsmaßnahme zeitlich verlängert, weil die Krise der Gesellschaft auch noch nach seinem Ausscheiden fortbesteht. In diesem Fall ist die rechtliche Grundlage für die Verlängerung der Finanzierungshilfe bereits vor dem Ausscheiden des Gesellschafters begründet worden (vgl. BGH-Urteil in DB 1987, 159; vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Juli 1981 II ZR 256/79, BGHZ 81, 252, 258 f., das bei einer nach dem Ausscheiden verlängerten Bürgschaft auf den Zusammenhang mit dem als Gesellschafter eingegangenen finanziellen Engagement hinweist, und BFH-Urteil in BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348, unter 3. e, bb der Gründe zur Fortführung eines Darlehensvertrags, sowie Kallmeyer in GmbH-Handbuch I, Rdnr. 376). Der eigenkapitalersetzende Charakter der Finanzierungshilfe bleibt auch nach dem Ausscheiden des Gesellschafters erhalten und wird durch eine zeitliche Verlängerung der Bürgschaft nach dem Ausscheiden des Gesellschafters nicht berührt. Vielmehr erlangt die GmbH mit der Qualifizierung der Bürgschaft als eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe einen Freistellungsanspruch gegen den Kläger bei Darlehensfälligkeit (zum Freistellungsanspruch vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1991 II ZR 43/91, ZIP 1992, 108, m.w.N.), den der Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden zu erfüllen hat. Neben der Tilgung der Darlehensschuld der GmbH gemäß § 267 i.V.m. § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), der Übernahme der Darlehensschuld gemäß § 414 BGB oder der Aushändigung der Tilgungsmittel an die GmbH (zur Erfüllung des Freistellungsanspruchs vgl. von Gerkan/Hommelhoff, a.a.O., Nr. 5.34) ist dem Gesellschafter die Erfüllung dieses Freistellungsanspruchs auch dadurch möglich, daß er --wie im Streitfall-- seine Bürgschaft zeitlich streckt, um so zu einer Verlängerung des der GmbH gewährten Fremddarlehens und damit zum Kapitalerhalt bei der GmbH beizutragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422474

BFH/NV 2000, 262

BStBl II 1999, 817

BFHE 189, 383

BFHE 2000, 383

BB 1999, 2438

DB 1999, 2445

DStR 1999, 1897

DStRE 1999, 905

DStZ 2000, 97

HFR 2000, 102

StE 1999, 720

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